Tenor
1 Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 22. Oktober 2015 – 4 Sa 370/15 – wird
zurückgewiesen.
2 Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
3 Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 30. September 2014 geendet hat.
4 Der beklagte Freistaat stellte die Klägerin durch Arbeitsvertrag vom 31. Oktober 2011 für die Zeit vom 1. November 2011 bis zum 31.
August 2012 und durch Arbeitsvertrag vom 18. September 2012 für die Zeit vom 1. Oktober 2012 bis zum 13. April 2013 als Tuttistin
der 1. Geigen des Orchesters des Staatstheaters G zur Vertretung verhinderter Orchestermitglieder ein. Nachdem sich die Klägerin auf
die Planstelle einer Violinistin beworben und das nach der Probespielordnung durchgeführte Probespiel erfolgreich absolviert hatte,
schlossen die Parteien unter dem 10. Juli 2013 einen befristeten Arbeitsvertrag “zwecks Erprobung” für die Zeit vom 1. Oktober 2013
bis zum 30. September 2014. Danach wurde die Klägerin als Tuttistin der 1. Violine beschäftigt. Die Klägerin war während der
gesamten Dauer der befristeten Beschäftigung in die Vergütungsgruppe A/F2 eingruppiert. In allen Arbeitsverträgen ist vereinbart,
dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern vom 31. Oktober 2009 in der jeweils
geltenden Fassung bestimmt.
5 Der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern vom 31. Oktober 2009 (im Folgenden TVK) lautet auszugsweise:
6 “2. Abschnitt
7 ARBEITSBEDINGUNGEN
8 § 3
9 Begründung des Arbeitsverhältnisses
10 (1)
11 … Zeitverträge dürfen nur abgeschlossen werden, wenn hierfür sachliche oder in der Person des Musikers liegende Gründe vorliegen.

12 (2)
13 Mit dem Musiker kann ein befristetes Probearbeitsverhältnis von bis zu 18 Monaten abgeschlossen werden. Wird mit dem Musiker
kein Probearbeitsverhältnis, sondern ein unbefristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen, gilt die Zeit vom Beginn der Beschäftigung bis
zum Ende des 24. Monats als Probezeit. Eine kürzere Probezeit kann vereinbart werden.
14 …
15 10. Abschnitt
16 ORCHESTERVORSTAND
17 § 54
18 Wahl und Zusammensetzung des
19 Orchestervorstands
20 (1)
21 Die Musiker des Orchesters wählen sich in unmittelbarer, gleicher und geheimer Wahl einen Orchestervorstand.
22 …
23 § 57
24 Aufgaben und Befugnisse des
25 Orchestervorstands
26 (1)
27 Der Orchestervorstand hat darauf hinzuwirken, dass ein reibungsloser Ablauf des Orchesterbetriebs gewährleistet ist. Er wird beteiligt
28 …
29 b)
30 bei der Auswahl von Bewerbern für freie Stellen im Orchester und bei der Ansetzung sowie der Durchführung von Probespielen,
31 …
32 Der Orchestervorstand ermittelt
33 …
34 b)
35 vor der Einstellung, der Arbeitsvertragsverlängerung und bei der Kündigung eines Musikers rechtzeitig vor Beginn der Kündigungsfrist
die Auffassung des Orchesters,
36 …
37 und vertritt sie gegenüber dem Arbeitgeber.
38 …
39 (4)
40 Die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten des Arbeitgebers und des Musikers werden durch die §§ 54 bis 60
nicht berührt.”
41 In der Probespielordnung des Orchesters des Staatstheaters G, die aufgrund eines Beschlusses der Orchesterversammlung vom 17.
April 2012 in Kraft getreten ist (im Folgenden Probespielordnung), heißt es auszugsweise:
42 “Vorwort
43 Das Probespiel ist kein Wettbewerb im üblichen Sinne, sondern eine Einstellungsprüfung. Es hat zusammen mit der Probezeit einzig
den Zweck, eine vakante Orchesterposition in fachlicher und menschlicher Hinsicht möglichst optimal zu besetzen.
44 …
45 Art. IV Ergebnis des Probespiels und Probezeit
46 § 1 Anstellung
47 Der Orchestervorstand teilt das Ergebnis des Probespiels dem Arbeitgeber mit. Für die Dauer der Probezeit soll grundsätzlich ein
einjähriger Zeitvertrag abgeschlossen werden.
48 …
49 § 3 Ende der Probezeit
50 Rechtzeitig vor dem Ende der Probezeit stimmen die Fachgruppe, der Künstlerische Beirat, der Chefdirigent und der
Orchestervorstand nach ausführlicher Diskussion schriftlich und geheim darüber ab, ob der/die Kandidat/in in die Festanstellung
übernommen werden kann oder ob sein Zeitvertrag auslaufen soll. … Der Termin der Aussprache über den/die Kandidaten/in wird
vom Orchestervorstand spätestens drei Wochen zuvor per Aushang am Schwarzen Brett bekannt gegeben, die Teilnahme daran ist
freiwillig und zählt nicht als Dienst. Anschließend haben alle Orchestermitglieder eine Woche lang Gelegenheit, ihre Stimme schriftlich
abzugeben. … Der/die Kandidat/in benötigt die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen. …”
51 Der Beklagte teilte der Klägerin im Juni 2014 mit, dass der befristete Arbeitsvertrag nicht verlängert werde, da die am 5. Juni 2014
erfolgte Abstimmung des Orchesters negativ verlaufen sei.
52 Mit ihrer am 20. Oktober 2014 beim Arbeitsgericht eingereichten und dem Beklagten am 6. November 2014 zugestellten Klage hat die
Klägerin geltend gemacht, die Befristungsabrede vom 10. Juli 2013 sei unwirksam. Die Befristung zum 30. September 2014 sei nicht
durch den Sachgrund der Erprobung gerechtfertigt. Die vereinbarte Erprobungszeit sei unangemessen lang, da der Beklagte im
Rahmen ihrer Beschäftigung vor dem 1. Oktober 2013 hinreichend Gelegenheit gehabt habe, ihre Eignung für die Tätigkeit als Tuttistin
der 1. Violine zu beurteilen.
53 Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt
54 festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsabrede vom 10. Juli 2013 zum Ablauf des 30. September 2014
beendet ist.
55 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei durch den Sachgrund der
Erprobung gerechtfertigt. Bei Orchestermusikern finde eine Erprobung iSd. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG nur dann statt, wenn das
Orchester nach § 57 TVK iVm. den von ihm als Arbeitgeber zu beachtenden Regularien der Probespielordnung in den Auswahl- und
Entscheidungsprozess einbezogen sei. Daher könnten die vor dem Probespiel liegenden Beschäftigungszeiten keine Berücksichtigung
als Erprobungszeit finden. Zudem sei eine Beurteilung der Eignung der Klägerin während ihrer Beschäftigung vor dem 1. Oktober
2013 nicht möglich gewesen. Im Rahmen der Beschäftigung zur Vertretung anderer Orchestermitglieder seien weitaus geringere
künstlerische Anforderungen an die Klägerin gestellt worden als an planmäßig beschäftigte Musiker. Eine hinreichende Erprobung
habe während der Vorbeschäftigung außerdem deshalb nicht stattfinden können, weil eine Beurteilung der künstlerisch/musikalischen
Integration des Musikers in den Klangkörper eine ununterbrochene Tätigkeit während einer kompletten Spielzeit voraussetze und weil
der Chefdirigent C – unstreitig – erst seit dem 1. September 2012 bei dem Orchester des Staatstheaters G tätig sei. Außerdem habe die
Klägerin während der vorausgegangenen Beschäftigung nicht im Fokus gestanden; das Augenmerk der Musikalischen Leitung habe
sich erst im Probejahr auf die Klägerin gerichtet.
56 Das Arbeitsgericht hat der Klage – soweit für die Revision von Bedeutung – stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung
des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt
die Zurückweisung der Revision.
Gründe
57 Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Befristungskontrollklage zu Recht stattgegeben. Das
Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 10. Juli 2013 vereinbarten Befristung am 30. September
2014 geendet. Die Befristung ist mangels eines sie rechtfertigenden Sachgrunds unwirksam.
58 I. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass die im Arbeitsvertrag vom 10. Juli 2013 vereinbarte Befristung nicht durch den
Sachgrund der Erprobung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG gerechtfertigt ist, da die Dauer der Erprobungszeit in keinem
angemessenen Verhältnis zu der in Aussicht genommenen Tätigkeit steht.
59 1. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG nennt keine konkrete zeitliche Vorgabe zur Erprobungsdauer. Allerdings kann der vereinbarten
Vertragslaufzeit Bedeutung im Rahmen der Prüfung des Befristungsgrunds zukommen. Sie muss sich am Sachgrund der Befristung
orientieren und so mit ihm im Einklang stehen, dass sie nicht gegen das Vorliegen des Sachgrunds spricht. Aus der vereinbarten
Vertragsdauer darf sich nicht ergeben, dass der Sachgrund tatsächlich nicht besteht oder nur vorgeschoben ist (BAG 2. Juni 2010 – 7
AZR 85/09 – Rn. 16; 29. Juli 2009 – 7 AZR 907/07 – Rn. 29; 26. August 1988 – 7 AZR 101/88 – zu III der Gründe mwN, BAGE 59, 265).
Steht die vereinbarte Dauer der Erprobungszeit in keinem angemessenen Verhältnis zu der in Aussicht genommenen Tätigkeit, trägt
der Sachgrund der Erprobung nicht. Im Allgemeinen werden nach dem Vorbild des § 1 KSchG und der Kündigungsfristenregelung für
Kündigungen während der Probezeit (§ 622 Abs. 3 BGB) sechs Monate als Erprobungszeit ausreichen. Einschlägige Tarifverträge
können Anhaltspunkte geben, welche Probezeit angemessen ist (BAG 2. Juni 2010 – 7 AZR 85/09 – Rn. 16; 15. März 1978 – 5 AZR
831/76 – zu I 2 b der Gründe). Längere Befristungen zur Erprobung aufgrund besonderer Einzelfallumstände sind aber – vorbehaltlich
entgegenstehender einschlägiger und für das Arbeitsverhältnis geltender Tarifvorschriften – möglich (BAG 2. Juni 2010 – 7 AZR 85/09 –
Rn. 16). An einem sachlichen Grund der Erprobung fehlt es hingegen, wenn der Arbeitnehmer bereits ausreichende Zeit bei dem
Arbeitgeber mit den von ihm zu erfüllenden Aufgaben beschäftigt war und der Arbeitgeber die Fähigkeiten des Arbeitnehmers
hinreichend beurteilen kann (BAG 2. Juni 2010 – 7 AZR 85/09 – Rn. 16; 23. Juni 2004 – 7 AZR 636/03 – zu II 3 a der Gründe; 31. August
1994 – 7 AZR 983/93 – zu IV der Gründe; 12. Februar 1981 – 2 AZR 1108/78 – zu B IV 2 b der Gründe). Ein vorheriges befristetes oder
unbefristetes Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer mit den gleichen Arbeitsaufgaben betraut war, spricht daher regelmäßig
gegen den Sachgrund der Erprobung (BAG 2. Juni 2010 – 7 AZR 85/09 – Rn. 16). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die zu
erprobende Tätigkeit höherwertiger ist als die frühere (BAG 23. Juni 2004 – 7 AZR 636/03 – zu II 3 a der Gründe; vgl. auch BAG 12.
Februar 1981 – 2 AZR 1108/78 – zu B IV 2 b der Gründe), andere Anforderungen stellt oder wenn das frühere Arbeitsverhältnis längere
Zeit zurückliegt (vgl. etwa Dörner Der befristete Arbeitsvertrag 2. Aufl. Rn. 174; ErfK/Müller-Glöge 17. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 50).
60 2. Danach spricht die in dem Arbeitsvertrag der Parteien vom 10. Juli 2013 vereinbarte Vertragsdauer gegen das Vorliegen des
Sachgrunds der Erprobung.
61 a) Nach § 3 Abs. 2 TVK kann mit dem Musiker ein befristetes Probearbeitsverhältnis von bis zu 18 Monaten abgeschlossen werden.
Diese tarifvertraglich geregelte Befristungsdauer ist nicht unangemessen lang. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass die Beurteilung
der Eignung in dem künstlerischen Bereich der Orchestermusiker schwierig, wenig objektivierbar und maßgeblich auch von der
Einordnung in den übrigen Klangkörper abhängig ist. Die Zulässigkeit einer langen Probezeit trägt dabei nicht nur dem Interesse des
Arbeitgebers Rechnung, diese Beurteilung auf eine längere Zeit der Bewährung stützen zu können. Vielmehr soll dadurch auch dem
Arbeitnehmer Gelegenheit gegeben werden, in die Zusammenarbeit mit dem übrigen Orchester hineinzuwachsen, da ein
künstlerischer Eingliederungs- und Bewährungsprozess ein sich im Zusammenspiel mit dem gesamten Klangkörper vollziehender
Entwicklungsprozess ist, für den ausreichend Zeit gegeben werden soll (BAG 12. September 1996 – 7 AZR 31/96 – zu I 3 der Gründe –
zu § 5 des Manteltarifvertrags für die Orchester- und Chormitglieder des Westdeutschen Rundfunks Köln vom 15. Dezember 1969 in
der geänderten Fassung vom 19. Dezember 1984).
62 b) Die Parteien haben zwar in dem zuletzt geschlossenen befristeten Arbeitsvertrag die in § 3 Abs. 2 TVK vorgesehene
Höchstbefristungsdauer von 18 Monaten gewahrt. Sie haben eine zwölfmonatige Erprobungszeit vom 1. Oktober 2013 bis zum 30.
September 2014 vereinbart. Die vereinbarte Befristungsdauer erweist sich aber dennoch als unangemessen lang, da die Klägerin
bereits in der Zeit vom 1. November 2011 bis zum 31. August 2012 und vom 1. Oktober 2012 bis zum 13. April 2013 als Tuttistin der 1.
Geigen beim Beklagten im Orchester des Staatstheaters G beschäftigt war. Eine Beschäftigungszeit von insgesamt 28 ½ Monaten
steht nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zu dem Erprobungszweck. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat die
Vorbeschäftigungszeit von insgesamt 16 ½ Monaten bei der Dauer der zulässigen Erprobungszeit nicht außer Betracht zu bleiben. Das
Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass bereits während der beiden befristeten Arbeitsverträge zur Vertretung anderer
Orchestermusiker Gelegenheit bestand, die Klägerin zu erproben.
63 aa) Der Berücksichtigung der Vorbeschäftigungszeit steht nicht entgegen, dass das Orchester im Rahmen der zur Vertretung anderer
Orchestermitglieder erfolgten Vorbeschäftigung nicht nach § 57 TVK iVm. den Regularien der Probespielordnung in den Auswahl-,
Bewährungs- und Entscheidungsprozess über die Einstellung der Klägerin einbezogen wurde. § 57 TVK bestimmt nicht, dass eine
Erprobung iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG die Einhaltung der Regularien einer vom Arbeitgeber zu beachtenden Probespielordnung
voraussetzt.
64 (1) Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Tarifnorm, von dem bei der Auslegung eines Tarifvertrags vorrangig auszugehen ist
(vgl. etwa BAG 24. Februar 2016 – 7 AZR 253/14 – Rn. 51). Nach § 57 Abs. 1 Satz 2 Buchst. b TVK wird der Orchestervorstand bei der
Auswahl von Bewerbern für freie Stellen im Orchester und bei der Ansetzung sowie der Durchführung von Probespielen beteiligt. Dazu
kann eine Probespielordnung über die Durchführung des Probespiels und die Abstimmung des Orchesters aufgestellt werden. Der
Orchestervorstand ermittelt – ggf. im Rahmen eines Probespiels nach der bestehenden Probespielordnung – gemäß § 57 Abs. 1 Satz 3
Buchst. b TVK ua. vor der Einstellung und der Arbeitsvertragsverlängerung eines Musikers die Auffassung des Orchesters und vertritt
sie gegenüber dem Arbeitgeber. Damit sollen – wie auch die Überschrift des § 57 TVK bestätigt – die Aufgaben und Befugnisse des
Orchestervorstands und nicht die Anforderungen an den Sachgrund der Erprobung iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG festgelegt
werden.
65 (2) Der Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelungen bestätigt dieses Verständnis. Die Bestimmungen in §§ 54 bis 60 TVK und die
Regelungen einer Probespielordnung betreffen allein das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Orchester. Die sich aus dem
Arbeitsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien werden nach § 57 Abs. 4 TVK durch die §§ 54 bis 60
TVK nicht berührt. Bestimmungen zur Zulässigkeit einer Befristung sind ausschließlich in § 3 TVK enthalten. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1
kann ein befristetes Probearbeitsverhältnis von bis zu 18 Monaten abgeschlossen werden. Weiter gehende Anforderungen an das
Probearbeitsverhältnis sind nicht gestellt.
66 (3) Ein Verständnis von § 57 Abs. 1 TVK dahingehend, dass die Erprobung iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG die Einbeziehung des
Orchesters in den Auswahl- und Entscheidungsprozess nach den vom Arbeitgeber zu beachtenden Regularien der Probespielordnung
voraussetzt und eine davor liegende Beschäftigung des Musikers in dem Orchester als Probezeit ausscheidet, wäre außerdem nicht
gesetzeskonform.
67 (a) Im Bereich des arbeitsvertraglichen Bestandsschutzes ist im Interesse der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit der
Arbeitnehmer ein staatlicher Mindestschutz unverzichtbar. Das folgt aus der Schutzpflichtfunktion der Grundrechte, die auch die
Gerichte dazu anhält, den einzelnen Grundrechtsträger vor einer unangemessenen Beschränkung seiner Grundrechte zu bewahren. Bei
der Befristung von Arbeitsverhältnissen schützen seit dem 1. Januar 2001 die Bestimmungen des TzBfG vor einer unangemessenen
Beeinträchtigung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG. Von den zwingenden Regelungen in § 14 TzBfG kann nach § 22 Abs. 1 TzBfG
nicht zuungunsten der Arbeitnehmer abgewichen werden (BAG 21. Februar 2017 – 1 AZR 292/15 – Rn. 18; 8. Dezember 2010 – 7 AZR
438/09 – Rn. 29, BAGE 136, 270).
68 (b) Eine Regelung, welche die Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten vor Durchführung eines Probespiels bei der zulässigen
Dauer der Erprobung iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG ausschließt, würde entgegen § 22 Abs. 1 TzBfG zuungunsten des
Arbeitnehmers von den zwingenden Vorgaben des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG abweichen. Vorbeschäftigungszeiten, in denen der
Arbeitnehmer mit den gleichen Arbeitsaufgaben betraut war, sind regelmäßig bei der zulässigen Erprobungsdauer zu berücksichtigen.
Das gilt auch für Orchestermusiker. Die durch Art. 5 Abs. 3 GG gewährleistete Kunstfreiheit gebietet es nicht, die Erprobung iSv. § 14
Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 TzBfG auf solche Beschäftigungen zu beschränken, bei denen das Orchester nach den vom Arbeitgeber zu
beachtenden Regularien der Probespielordnung in den Auswahl- und Entscheidungsprozess eingebunden ist. Der Träger eines
Orchesters hat zwar ein berechtigtes Interesse daran, das Orchester bei der Einstellung eines Orchestermusikers nach der
Probespielordnung zu beteiligen. Für die Frage der Eignung und Befähigung eines Orchestermusikers spielen neben dessen fachlicher
Qualifikation auch die – durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten – subjektiven künstlerischen Vorstellungen des Orchesterträgers
bzw. -leiters sowie die Befähigung zur Zusammenarbeit mit den anderen Orchestermitgliedern eine nicht unerhebliche Rolle (vgl. BAG
7. Oktober 2015 – 7 AZR 945/13 – Rn. 49; 15. August 1984 – 7 AZR 228/82 – zu II 5 b der Gründe, BAGE 46, 163). Die Beachtung der
Meinungsbildung des Orchesters bei der Stellenbesetzung und dessen Beteiligung im Rahmen des Probespiels entspricht auch einer
ständigen, allgemein üblichen Vorgehensweise in Orchestern (BAG 7. Oktober 2015 – 7 AZR 945/13 – Rn. 49). Diesem Interesse des
Arbeitgebers geht jedoch das durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Bestandsschutzinteresse des Orchestermusikers vor, wenn der
Arbeitgeber im Rahmen einer vorausgegangenen Beschäftigung des Musikers die Möglichkeit hatte, diesen zu erproben und das
Meinungsbild des Orchesters zur Einstellung des Musikers einzuholen. Will der Arbeitgeber die Einstellung des Orchestermusikers von
der Zustimmung des Orchesters abhängig machen, hat er eine Abstimmung mit dem Orchester innerhalb der zulässigen
Erprobungsdauer herbeizuführen. Er kann sich in entsprechender Anwendung des § 162 BGB nicht auf die fehlende Zustimmung des
Orchesters zur unbefristeten Einstellung des Orchestermusikers berufen, wenn er eine Abstimmung im zeitlich zulässigen Rahmen
nicht abhält (vgl. dazu auch BAG 7. Mai 1980 – 5 AZR 593/78 – zu II 3 a der Gründe – zu einem unter einer auflösenden Bedingung
vereinbarten Probearbeitsverhältnis).
69 bb) Der Berücksichtigung der Vorbeschäftigungszeit stehen vorliegend weder die Art der erbrachten Tätigkeit, die Laufzeit der
Verträge, die zeitliche Unterbrechung vor Beginn des letzten Vertrags noch der Wechsel des Chefdirigenten entgegen. Der Beklagte
hatte bereits im Rahmen der vorausgegangenen Beschäftigung die Möglichkeit, die Eignung der Klägerin für die vorgesehene
Tätigkeit als Tuttistin der 1. Violine zu beurteilen.
70 (1) Die Vorbeschäftigungszeit der Klägerin ist nicht deshalb unbeachtlich, weil die zu erprobende Tätigkeit höherwertig ist als die von
der Klägerin geleistete Vertretungstätigkeit. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Tätigkeiten seien gleichwertig, die Klägerin
habe die gleiche Tätigkeit einer Orchesterviolinistin/Tuttistin der 1. Violine mit identischem Eingruppierungsniveau (Vergütungsgruppe
A/F2 TVK) ausgeübt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ohne Erfolg rügt der Beklagte, das Landesarbeitsgericht habe seinen
Vortrag nicht hinreichend berücksichtigt, die Tätigkeiten der Klägerin während der Vorbeschäftigungszeiten seien nicht mit den
Tätigkeiten im streitgegenständlichen Erprobungszeitraum vergleichbar gewesen. Diese Rüge übergangenen Sachvortrags ist mangels
ordnungsgemäßer Begründung unzulässig.
71 (a) Eine Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO muss die Bezeichnung des Mangels enthalten, den die Revision
geltend macht. Das gilt auch für eine auf § 286 ZPO gestützte Rüge, das Tatsachengericht habe einen bestimmten Sachvortrag
übersehen oder nicht hinreichend berücksichtigt und deshalb fehlerhafte Feststellungen getroffen. Es muss genau angegeben werden,
aufgrund welchen Vortrags das Berufungsgericht zu welchen Tatsachenfeststellungen hätte gelangen müssen und dass das Urteil auf
dem Verfahrensfehler beruht, also bei richtigem Verfahren möglicherweise anders entschieden worden wäre (vgl. BAG 21. Oktober
2014 – 3 AZR 1027/12 – Rn. 42).
72 (b) Der Beklagte hat in der Revisionsbegründung nicht dargelegt, welchen konkreten Sachvortrag er in welchem Schriftsatz in den
Vorinstanzen gehalten hat, zu welchen abweichenden Tatsachenfeststellungen das Landesarbeitsgericht bei Berücksichtigung seines
Sachvortrags gelangt wäre und dass die Berücksichtigung des übergangenen Sachvortrags möglicherweise zu einer anderen
Entscheidung geführt hätte.
73 (2) Die Vorbeschäftigungszeit muss nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil die Klägerin nicht während einer kompletten Spielzeit
ununterbrochen beschäftigt war. Den tariflichen Bestimmungen lässt sich kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass die Beurteilung
der künstlerischen und musikalischen Integration des Orchestermusikers in den Klangkörper eine durchgehende Beschäftigung von
zwölf Monaten erfordert. Nach § 3 Abs. 2 TVK beträgt die Höchstbefristungsdauer zur Erprobung 18 Monate. Eine
Mindestbefristungsdauer legt § 3 Abs. 2 TVK nicht fest. Die Regelung schließt den Abschluss mehrerer befristeter
Probearbeitsverhältnisse im Rahmen der Höchstbefristungsdauer nicht aus (BAG 12. September 1996 – 7 AZR 31/96 – zu I 1 der
Gründe).
74 (3) Die Berücksichtigung der Vorbeschäftigung scheidet auch nicht wegen der dreimonatigen Unterbrechung zwischen der
vorangegangenen Beschäftigung und dem Abschluss des streitgegenständlichen Vertrags aus. Hierbei handelt es sich nicht um einen
längeren Zeitraum, innerhalb dessen sich die Fähigkeiten der Klägerin erheblich verändert haben könnten oder das
Erinnerungsvermögen der Entscheidungsträger des Beklagten und der Orchestermitglieder an die Klägerin und ihre Fähigkeiten
verblasst sein könnte.
75 (4) Entgegen der Ansicht des Beklagten steht der Berücksichtigung der Beschäftigung der Klägerin in der Zeit vom 1. November 2011
bis zum 31. August 2012 als Erprobungszeit nicht entgegen, dass der Chefdirigent C erst zum 1. September 2012 eingestellt wurde.
Der Wechsel des Chefdirigenten führt nicht zu einer Verlängerung der zulässigen Dauer der Erprobung. Der Beklagte ist in diesem Fall
gehalten dafür Sorge zu tragen, dass der Vorgänger dem Nachfolger die entsprechenden Informationen weitergibt.
76 cc) Der Beklagte beruft sich ohne Erfolg darauf, dass die Klägerin während der vorausgegangenen Beschäftigung zur Vertretung
anderer Orchestermitglieder – anders als während der Dauer der Erprobung – nie im Fokus gestanden habe. Auf die Frage, ob die
Musikalische Leitung, der Orchestervorstand, das Orchester und der Dirigent von der Möglichkeit, die Eignung der Klägerin zu
beurteilen, Gebrauch gemacht haben, kommt es nicht an. Notwendig, aber auch ausreichend ist, dass die objektive Möglichkeit der
Beurteilung und damit der Erprobung bestand.
77 II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
78 Gräfl
79 Kiel
80 M. Rennpferdt
81 Holzhausen
82 Jacobi