In Sachen
pp.
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der
mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 1984 durch den
Vorsitzenden Richter Professor Dr. Dieterich, die Richter
Griebeling und Dr. Peifer sowie die ehrenamtlichen Richter
Wieder und Dr. Bächle für Recht erkannt:
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil
des Landesarbeitsgerichts Köln vom
26. Mai 1983 – 3 Sa 403/83 – wird zurückgewiesen
.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu
tragen.
V o n R e c h t s w e g e n !

Hinweis: Auch Teile der Urteilssammlung sind als Datenbank nach §§ 87a ff. UrhG geschützt.
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T a t b e s t a n d :
Die Klägerin begehrt eine Geldentschädigung, weil
die Beklagte einem Dritten Einsicht in ihre Personalakten
gewährt hat.
Die Klägerin ist seit September 1972 bei der Beklagten
als Angestellte beschäftigt. Seit Ja.iuar 1980 ist sie
Lektoratssekretärin und Sachbearbeiterin. Die Beklagte,
die bemüht ist, ihren Personalbestand zu verringern, bot
der Klägerin Mitte 1982 an, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich
zu beenden und als Sekretärin bzw. Assistentin
auf eine freie Stelle der K i Bundesvereinigung
überzuwechseln. Die Klägerin lehnte diesen Vorschlag
nicht von vornherein ab, sondern stellte sich bei
dem Personalsachbearbeiter der K, Bundesvereinigung,
einem Herrn S , vor. Diesem hatte
die Beklagte aus den Personalakten der Klägerin den Arbeitsvertrag
und einen Vertrag von 1982 zugänglich gemacht,
in dem der Klägerin ein Personaldarlehen über 5.000,– DM
gewährt worden war. Herr S , der auch Mitglied
des Beirats der Beklagten ist, sah diese Teile der
Personalakten ein und besprach sie mit einem Angestellten
der Beklagten. Zu dem Wechsel der Klägerin in den Dienst
der K Bundesvereinigung kam es nicht.
Die Klägerin hat darin, daß die Beklagte ohne ihre
Einwilligung Teile ihrer Personalakten der K
Bundesvereinigung zugänglich gemacht hat, eine
schwere Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts gesehen
und gemeint, die Beklagte sei ihr zur Leistung einer
billigen Entschädigung in Geld als Genugtuung verpflichtet.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr ein Schmerzensgeld
zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen
des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch
5.000,– DM.

Hinweis: Auch Teile der Urteilssammlung sind als Datenbank nach §§ 87a ff. UrhG geschützt.
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Die Beklagte hat sich darauf berufen, sie habe Herrn
S ausschließlich im Interesse der Klägerin Einsicht
in die Unterlagen gewährt. Dabei müsse berücksichtigt
werden, daß Herr S Mitglied ihres Beirats sei. In
dieser Eigenschaft sei er zur Einsicht in die Personalakten
der Klägerin berechtigt gewesen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die
Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin
ihren Anspruch weiter.
Entscheidunqsqründe;
Die Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen
Anspruch auf eine Entschädigung.
I. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht einen Anspruch
der Klägerin nach § 847 BGB i. Verb, mit § 823 Abs. 2
BGB, §§ 41, 42 BDSG abgelehnt. Die Personalakte der
Klägerin in der vom Landesarbeitsgericht festgestellten
Form stellt keine Datei i.S. des Bundesdatenschutzgesetzes
dar. Eine Datei liegt vor, wenn es sich um eine
gleichartig aufgebaute Datensammlung handelt, die nach
bestimmten Merkmalen erfaßt und geordnet, nach anderen
Merkmalen umgeordnet und ausgewertet werden kann, wobei
es nicht auf die dabei angewendeten Verfahren ankommt
(§ 2 Abs. 3 Nr. 3 BDSG). Akten und Aktensammlungen
stellen grundsätzlich keine Dateien dar, wenn sie nicht
durch automatisierte Verfahren umgeordnet und ausgetoertet
werden können (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 Halbs. 2 BDSG).
Daß die Personalakten, die bei der Beklagten geführt werden,
einem automatisierten Verfahren zugänglich seien, hat
die Klägerin nicht behauptet.

Hinweis: Auch Teile der Urteilssammlung sind als Datenbank nach §§ 87a ff. UrhG geschützt.
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II. Die Beklagte hat allerdings dadurch, daß sie dem
Personalsachbearbeiter der K Bundesvereinigung
Einsicht in den Arbeitsvertrag und in den
Darlehensvertrag gewährt hat, das allgemeine Persönlichkeitsrecht
der Klägerin verletzt.
1. Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts liegt
vor bei einem Eingriff in die Individualsphäre, zu der
auch das berufliche Wirken des Betroffenen gehört (vgl.
Palandt/Thomas, BGB, 43. Aufl., § 823 Anm. 15 B und C).
Ob das Persönlichkeitsrecht im Einzelfall verletzt ist,
läßt sich nur aufgrund einer Güter- und Interessenabwägung
unter sorgsamer Würdigung aller Umstände beurteilen
(vgl. BGHZ 24, 72, 80; VersR 1978,1019).Diese führt
im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, daß die Beklagte
rechtswidrig gehandelt hat.
2. Der Beklagten ist zuzugeben, daß der Arbeitgeber aus
dem Gesichtspunkt der nachwirkenden Fürsorgepflicht gehalten
ist, über die Erteilung des Zeugnisses hinaus
im Interesse des ausgeschiedenen Arbeitnehmers Auskünfte
über diesen an solche Personen zu erteilen, mit denen
der Arbeitnehmer in Verhandlungen über den Abschluß eines
Arbeitsverträges steht. Der Arbeitgeber darf solche Auskünfte
auch gegen den Willen des ausgeschiedenen Arbeitnehmers
erteilen. Er kann grundsätzlich nicht gehindert
werden, andere Arbeitgeber bei der Wahrung ihrer Belange
zu unterstützen (vgl. BAG Urteil vom 25. Oktober 1957
– 1 AZR 434/55 – AP Nr. 1 zu § 630 BGB). Diese Freiheit
geht jedoch nicht so weit, auch die Überlassung von
Teilen der Personalakten von Arbeitnehmern an Dritte
rechtfertigen zu können.
Die Auskünfte, zu denen der Arbeitgeber berechtigt
ist, betreffen nur Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers
während des Arbeitsverhältnisses. Die weitergehenden
Informationen, die die Beklagte im vorliegenden
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Fall erteilt hat, waren vom Auskunftsrecht des Arbeitgebers
nicht gedeckt. Dies gilt insbesondere für die
Einsicht in den Arbeitsvertrag. Die Bekanntgabe der
zwischen den Parteien vereinbarten Arbeitsbedingungen
an einen Arbeitgeber, bei dem sich die Klägerin bewerben
wollte, war geeignet, die Verhandlungsposition der Klägerin
zu schwächen. Zu einem solchen Eingriff in schwebende Verhandlungen
ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht berechtigt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten führt auch
die Interessenabwägung im Streitfall zu keinem anderen Ergebnis
.
Insbesondere überzeugt der Hinweis der Beklagten
nicht, ihr Vorgehen habe im Interesse der Klägerin gelegen,
weil deren Arbeitsplatz gefährdet gewesen sei. Das Interesse
der Klägerin, einen neuen Arbeitsplatz zu finden,
war nur die Folge der Bemühungen der Beklagten, den
Arbeitsplatz der Klägerin einzusparen. Wenn sich die Klägerin
darauf einließ, der Beklagten das Risiko eines Streits
über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung
zu ersparen, und wenn sie deshalb dem Gedanken an ein
Überwechseln zur K’ Bundesvereinigung näher
trat, sc folgt daraus kein Recht der Beklagten, auf die
Bewerbung Einfluß zu nehmen. Vielmehr hätte es die Beklagte
der Klägerin überlassen müssen, ob diese auf
entsprechende Fragen dem neuen Arbeitgeber die mit der
Beklagten ausgehandelten Arbeitsbedingungen bekanntgeben
wollte.
3. Mit der Erteilung der Auskünfte an die K,
Bundesvereinigung erfüllte die Beklagte kein Geschäft
der Klägerin. Die Beklagte allein war um Auskunft
angegangen worden. Ob sie dieses Ersuchen befolgte oder
nicht, war nur ihre Angelegenheit, nicht aber Sache der
Klägerin.
Ebensowenig kommt eine mutmaßliche Einwilligung der
Klägerin als Rechtfertigungsgrund in Betracht. Allein

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daraus, daß die Klägerin zur Kontaktaufnahme mit dem in
Aussicht genommenen neuen Arbeitgeber bereit war, läßt
sich nicht schließen, daß sie auch mit einer Einsichtnahme
in den bestehenden Arbeitsvertrag und den Darlehensvertrag
einverstanden war.
4. Schließlich entfällt die Rechtswidrigkeit des Vorgehens
der Beklagten auch nicht deshalb, weil Herr S
zugleich Mitglied im Beirat der Beklagten war. Abgesehen
davon, daß Beiratsmitglieder keine Geschäftsführer sind
und daher nicht Zugang zu allen Akten haben, hat Herr S
vorliegend nicht., in seiner Eigenschaft als Beirat der Beklagten,
sondern als Personalsachbearbeiter der K
Bundesvereinigung in die Personalakten der
Klägerin Einsicht genommen. Ihm dies zu gestatten, war
die Beklagte aus den dargelegten Gründen nicht befugt.
III. Dennoch ist mit dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht
davon auszugehen, daß die Verletzung des
Persönlichkeitsrechts der Klägerin durch die Beklagte
einen Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld
nicht begründen kann.
Ein solcher Anspruch entsteht nur dann, wenn ein
schwerer rechtswidriger und schuldhafter Eingriff in das
Persönlichkeitsrecht vorliegt, die Schwere des Eingriffs
nach Grad des Verschuldens, Art und Schwere der Beeinträchtigung
sowie Anlaß und Beweggrund des Handelns
eine Genugtuung erfordert und die Persönlichkeitsverletzung
nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen
werden kann (vgl. BAG AP Nr. 13 zu § 847 BGB m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen besteht für die Gewährung einer
billigen Entschädigung in Geld im vorliegenden Fall kein
ausreichender Anlaß.
Die Klägerin hat für sie nachteilige Folgen der
Persönlichkeitsrechtsverletzung nicht dargetan. Sie hat
nicht behauptet, wegen der Gewährung der Einsicht in die

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beiden Unterlagen die Stelle bei der K
Bundesvereinigung entgegen ihren Wünschen nicht erhalten
zu haben. Sie hat auch sonst keinerlei nachteilige Auswirkungen
des Verhaltens der Beklagten aufgezeigt. Dieser
muß andererseits zugute gehalten werden, daß sie immerhin
versucht hat, auch im Interesse der Klägerin zu
handeln.
Die Revision macht geltend, daß die Verletzung des
Persönlichkeitsrechts ohne Konsequenzen bliebe, wenn die
Klägerin kein Schmerzensgeld beanspruchen könnte. Das
ist zwar richtig, verkennt aber, daß dem durch die Verletzung
in seinem Persönlichkeitsrecht Betroffenen Ersatz
in Geld für seinen immateriellen Schaden nur zuzubilligen
ist, wenn dafür wegen der Schwere der Verletzung
ein unabweisbares Bedürfnis anzuerkennen ist (vgl. BGH
NJW 1971, 698). Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.
Ob in Fällen, in denen die Persönlichkeitsverletzung eine
Geldentschädigung nicht verlangt, andere Formen der
Genugtuung beansprucht werden könnten (z.B. eine Entschuldigung),
war nach dem gestellten Klageantrag nicht
zu entscheiden.