LArbG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.1.2020, 8 Sa 30/19

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14.12.2018, Az. 14 Ca 1054/18, teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 13.02.2018 nicht aufgelöst worden ist.

2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/4, die Beklagte 3/4.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und die Weiterbeschäftigung des Klägers. Wegen des Parteivortrages und der Sachanträge erster Instanz wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts vom 14.12.2018 Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung sei gegeben. Dem Kläger sei eine schwerwiegende Nebenpflichtverletzung vorzuwerfen. Diese sei dem Arbeitsvertrag, nicht dem Betriebsratsamt des Klägers zuzuordnen. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger zu der für ihn zuständigen Personalleiterin, Frau Dr. K.-K. wörtlich gesagt habe: „Sie sind sehr mutig, wenn Sie sich mit mir anlegen. Ich mache Sie fertig, Sie werden schon noch sehen“. Außerdem habe er Herrn O., dem Leiter der Werksverpflegung, gegenüber geäußert: „Sie krieg ich auch noch“. Das Arbeitsgericht hat die Aussagen der vernommenen Zeugen K.-K., S., O. und K. als übereinstimmend, glaubwürdig und glaubhaft angesehen. Insbesondere seien die Zeugen K. und K.-K. besonders überzeugend gewesen. Beide dem Kläger vorgeworfenen Vorfälle lägen auf einem Nenner. Denn der Kläger habe beide Zeugen massiv bedroht, was nicht hinnehmbar sei. Sei bereits der Auftritt des Klägers im Büro der Personalleiterin als einschüchternd zu bewerten, so werde hierdurch die Schwelle zum wichtigen Grund überschritten. Eine betriebliche Auseinandersetzung könne auf diesem Weg nicht geführt werden. Nicht umsonst sei die Zeugin K.-K. deshalb einige Tage arbeitsunfähig gewesen. Dass der Kläger bereits am nächsten Tag eine ähnliche Aussage zu Herrn O. gemacht habe zeige, dass kein einmaliger Ausrutscher vorliege. Ein milderes Mittel, insbesondere eine Abmahnung sei der Kündigung nicht vorrangig. Der Kläger habe seine Pflichtwidrigkeit ohne Weiteres erkennen müssen und habe mit einer Billigung seitens der Beklagten offensichtlich nicht rechnen können.
Auf eine Provokation seitens der Zeugin K.-K. durch ein Bestehen auf dem vorgegebenen Gesprächstermin könne sich der Kläger nicht berufen. Denn der Kläger habe ein anderes als das erkrankte Betriebsratsratsmitglied zum Gespräch mitnehmen können. Auch habe es gute Gründe gegeben, die Angelegenheit zeitnah zu besprechen. Die Personalleiterin habe sich auch nicht vom Kläger diktieren lassen müssen, wann das Gespräch stattfinde.
In die Interessenabwägung hat das Arbeitsgericht das Alter des Klägers, die lange Betriebszugehörigkeit und (unterstellt) Unterhaltspflichten gegenüber vier Kindern angesetzt. Es ist von einem ungestörten Arbeitsverhältnis ausgegangen und hat zu Gunsten des Klägers weiter gewürdigt, dass mit dem Kläger ein gewählter Funktionsträger verloren gehe. Allerdings überwiege das Maß der Pflichtwidrigkeit und die Folgen (Arbeitsunfähigkeit der Personalleiterin) die Interessen des Klägers.
Die Betriebsratsanhörung sei nicht zu beanstanden. Der Kläger dürfe nicht ins Blaue hinein bestreiten, dass die von der Beklagten zitierten Anlagen dem Betriebsrat vorgelegen hätten. Der Betriebsratsvorsitzende habe auf dem Deckblatt und dem folgenden Blatt der Betriebsratsanhörung unterschrieben. Es sei nicht ersichtlich, weshalb er dies tue, wenn nicht die Anhörungsunterlagen tatsächlich vollständig vorgelegen hätten. Dem Betriebsrat sei mit diesen Unterlagen auch der Kündigungssachverhalt geschildert worden. Dieser werde in der Anlage zur Anhörung (Bl. 122ff. d. Akte) dargestellt. Darauf habe die Beklagte verweisen dürfen. Dass dem Betriebsrat nur Mittteilung über zwei Unterhaltspflichten gemacht worden sei, sei unerheblich. Es sei für die Beklagte nicht maßgeblich gewesen. Auch dürfe der Arbeitgeber bei fehlender eigener Kenntnis von der Eintragung in der Lohnsteuerkarte ausgehen, wenn er dies dem Betriebsrat mitteile. Unerheblich sei, dass die Beklagte die Anhörung des Klägers nur kurz erwähnt habe. Bei dieser sei der Betriebsratsvorsitzende mit anwesend gewesen und habe somit Kenntnis von der Anhörung gehabt. Ob das Verfahren beim Betriebsrat ordnungsgemäß stattgefunden habe sei für die Wirksamkeit der Kündigung unerheblich. Der Kläger habe auch keine eventuellen Unwirksamkeitsgründe für den Betriebsratsbeschluss zur Zustimmung der Kündigung vorgetragen.
Der allgemeine Feststellungsantrag sei mangels Feststellungsinteresse unzulässig. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung falle nicht zur Entscheidung an.
Das Urteil ist dem Kläger am 8. Mai 2019 zugestellt worden. Mit seiner am 1. Juni 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen und innerhalb der bis 7. August 2019 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 7. August 2019 ausgeführten Berufung rügt der Kläger, sowohl das Urteil wie auch der Beweisbeschluss seien nicht vom Vorsitzenden Richter unterschrieben, sondern nur paraphiert. Allein deshalb sei das Urteil aufzuheben. Die Beweisaufnahme sei rechtswidrig durchgeführt worden. Ohne diese wäre die Beklagte beweisfällig geblieben und der Klage hätte stattgegeben werden müssen. Der Kläger rügt, es sei kein faires Verfahren durchgeführt worden. Es hätten nicht die gesetzlichen Richter entschieden, vielmehr habe zwischen dem ersten Kammertermin und der Beweisaufnahme ein Richterwechsel stattgefunden. Dies sei unzulässig. Im Urteilsrubrum sei ein falscher Richter aufgeführt, der beim Urteil nicht beteiligt gewesen sei.
Der Kläger rügt, er sei nach der Beweisaufnahme nicht angehört worden und habe keine Möglichkeit gehabt zu ihr Stellung zu nehmen; sein rechtliches Gehör sei verletzt worden.
Das Protokoll sei dem Kläger nicht unverzüglich, sondern erst im Mai 2019 zugegangen. Der Kläger bestreitet, dass die Tonaufnahme mit dem schriftlichen Protokoll identisch sei. Er behauptet, es sei unmöglich, sich noch so spät an den Wortlaut der mündlichen Verhandlung im Dezember 2018 zu erinnern.
10 Er meint, Grundsatz des fairen Verfahrens sei verletzt, weil der Beweisbeschluss die Behauptung der Beklagten wörtlich wiedergebe. Das Verkündungsprotokoll sei inhaltlich fehlerhaft, denn der Kläger sei bei der Urteilsverkündung anwesend gewesen.
11 Er rügt, dass die Anwesenheit von vier Polizisten als Ordner bei der mündlichen Verhandlung den Kläger unzulässig stigmatisiere und vorverurteile.
12 Er meint, das Arbeitsgericht habe die von ihm benannten Zeugen zum Vorfall im Umkleidebereich anhören müssen.
13 Der Kläger bestreitet, dass die Betriebsratsanhörung fehlerfrei durchgeführt worden sei. Es handle sich insoweit nicht um ein Bestreiten ins Blaue hinein. Vielmehr habe der Betriebsratsvorsitzende S. mit seiner Unterschrift nicht die Vollständigkeit der Anlagen bestätigt. Der Kläger habe seine eigene „Vorgeschichte“ mit Herrn S., welcher den Kläger als lästiges Betriebsratsmitglied loswerden wolle. Der Kläger bezieht sich insoweit insbesondere auch auf eine körperliche Auseinandersetzung zwischen ihm und Herrn S. am 27.11.2017 und die Reaktion der Personalleiterin Frau K.-K. hierauf.
14 Der Kläger meint, es sei maßgeblich, dass er sich im Jahr 2015 auf einer Intranetplattform einen verbalen Schlagabtausch mit seinem Vorgesetzten, Herrn G. geliefert habe; dieser habe die Kündigung mitunterzeichnet. Außerdem habe er in der Community „Z.“ geschrieben. Er „schwimme gegen den Strom“, möglicherweise habe die Beklagte etwas dagegen.
15 Der Kläger behauptet, die protokollierten Aussagen der Mitarbeiterinnen M. und H. (Anlagen 3a und 3b) könnten bei den dem Betriebsrat übergebenen Unterlagen schon deshalb nicht dabei gewesen sein, weil sie erst um 15.00 Uhr fertig gestellt worden seien. Frau M. sei mit dem Inhalt ihrer protokollierten Aussage nicht einverstanden gewesen und habe diese nicht unterschrieben. Zu diesem Zeitpunkt habe die Betriebsratssitzung jedoch bereits begonnen. Der Kläger meint, die Betriebsratsanhörung sei schon deshalb unwirksam, weil der Betriebsrat nicht über alles Maßgebliche informiert worden sei. Die Zeugenaussagen H. und M. entlasteten ihn und wiedersprächen der Aussage des Herrn O. zum Vorfall vor der Umkleide. Sie überführten diesen möglicherweise der Erstellung unwahrer Dokumente. Wenn der Betriebsrat dies bemerkt hätte, wäre er dem nachgegangen. Entsprechend müsse auch das Gericht dieser Behauptung nachgehen. Die dem Betriebsrat übergegebenen Unterlagen seien also nicht vollständig gewesen, weil die Aussagen H. und M. fehlten. Dennoch beharre die Beklagte darauf, dass der Betriebsrat auch diese Anlagen erhalten habe.
16 Der Kläger behauptet, der Zeuge W. habe die Auseinandersetzung zwischen ihm und Herrn O. vor der Damenumkleide nicht gehört. Die von Herrn O. erstellten Unterlagen A1 und A2 erweckten den Anschein, am 01.02.2018 erstellt worden zu sein, was er bestreite. Der Kläger macht Ausführungen dazu, wie sich der Vorfall vor der Damenumkleide angeblich abgespielt haben soll und bezichtigt Herrn O., dieser, nicht der Kläger, habe in die Damenumkleide hineingeschaut.
17 Der Kläger rügt, dass Herr W. das von Herrn O. erstellte Dokument als „inhaltlich korrekt“ unterschrieben habe, obwohl er bei dem Vorfall gar nicht dabei gewesen sei. Die Beklagte habe dem Betriebsrat damit eine offensichtlich falsche Aussage vorgelegt, eine Aufklärung zu Gunsten des Klägers sei unterlassen worden. Die Falschangaben des Herrn O. zum Vorfall vor der Umkleide zeigten, dass dieser lüge. Ihm sei daher auch insoweit nicht zu glauben, als er behaupte, der Kläger habe zu ihm gesagt „Sie kriege ich auch noch“. Darüber hinaus lüge der Zeuge O., wenn er behaupte, nachts nicht mehr schlafen zu können, weil ihn der Sachverhalt so sehr belaste.
18 Der Betriebsrat sei auch nicht korrekt über die Einladung zum Personalgespräch informiert worden, insbesondere nicht darüber, dass ihm nicht mitgeteilt worden sei, um welchen Vorwurf es gehe. Schließlich sei der Betriebsrat nicht konkret darüber informiert worden, wodurch sich die Mitarbeiterinnen in der Umkleide bedrängt gefühlt hätten.
19 Die Beklagte habe auch versäumt, von seiner Anhörung ein Protokoll zu fertigen, weil sie nämlich kein Interesse an seiner Verteidigung gehabt habe. So sei sie auch der Aufforderung nicht nachgekommen, auch zu Gunsten des Klägers zu ermitteln und Zeugen zu hören. Der Kläger meint, die Beklagte müsse sicherstellen, dass alle Betriebsratsmitglieder alle Infos hätten, weil es Spannungen zwischen ihm und dem Betriebsratsvorsitzenden gebe. Er meint, der Betriebsrat hätte auch darüber informiert werden müssen, wie genau Frau K.-K. von dem Vorfall am 01.02.2018 informiert worden sei (nämlich durch Herr O.).
20 Der Kläger rügt die vorgenommene Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht und meint, Herr O. habe widersprüchlichen Vortrag zum „Lippenlesen“ der Äußerungen des Klägers gemacht. Er meint, die angebliche Äußerung sei objektiv keine Drohung; sie könne auch bedeuten „Sie kriege ich dazu die Wahrheit zu sagen“ oder Ähnliches.
21 Auch die Zeugin K.-K. könne in der Erinnerung möglicherweise in einer stressigen Situation den dem Kläger vorgeworfenen Satz selbst hineininterpretiert haben, was sich dann als wahr verfestigt habe. Ihr Verhalten sei objektiv nicht korrekt gewesen, insbesondere die Einladung zum Personalgespräch ohne Mitteilung der dem Kläger gemachten Vorwürfe und das Bestehen auf eine Durchführung des Personalgesprächs ohne ein Betriebsratsmitglied des Vertrauens. Das „Fertigmachen“ durch den Kläger hätte die Folge dessen sein können, dass der Kläger mit seinen Maßnahmen (der Eskalation nach oben) Erfolg hätte. Hinsichtlich Frau K.-K. sei auch maßgeblich, dass sie am Abend des Vorfalls noch mit Herrn H. telefoniert habe, was zeige, dass es ihr an diesem Tag gar nicht so schlecht gegangen sein könne. Erst als beschlossen worden sei, dem Kläger fristlos zu kündigen, seien die geschilderten körperlichen Folgen aufgetreten. Frau K.-K. lüge auch, wenn sie am 09.02.2018 behauptet habe, sie werde „seit einiger Zeit“ vom Kläger bedroht, was unrichtig sei. Schließlich lägen auch hinsichtlich der Lautstärke der Äußerungen des Klägers unglaubwürdige Äußerungen vor. Die anderen Zeugen hätten nämlich nicht bestätigt, dass er geschrien habe. Im Übrigen spreche er generell eher laut.
22 Der Kläger behauptet, der Zeuge K. habe ihn aus seiner Position im Zimmer nur schemenhaft sehen können. Er habe das Büro gar nicht betreten, sondern sei am Türrahmen stehen geblieben.
23 Soweit die Zeugin K.-K. schließlich ausgesagt habe, das Mail vom 08.02.2018 habe einen sehr großen Verteiler gehabt, sei dies wiederum unwahr und übertrieben, da die Mail nur an zwei Personen gerichtet gewesen sei.
24 Der Kläger meint, die Äußerungen gegenüber der Zeugin K.-K. und Herrn O. seien nicht „auf einem Nenner“ gelegen. Schließlich dürfe man sagen, dass man sich etwas nicht gefallen lasse. Er meint, beide ihm vorgeworfenen Äußerungen rechtfertigten allenfalls eine Abmahnung, nicht jedoch die fristlose Kündigung. Die ihm vorgeworfene Aussage an die Zeugin K.-K. sei nicht als persönliche oder körperliche Drohung gemeint gewesen. Der Kläger habe lediglich ausdrücken wollen, dass er sich nicht gefallen lassen müsse, ungerecht behandelt zu werden, und sich wie auch in der Vergangenheit dagegen wehren werde. Er habe sich im Recht gesehen, da er die Frauen nicht belästigt habe und es keine erste formgerechte Einladung zum Personalgespräch gegeben habe. Ohne Not habe Frau K.-K. den Wunsch des Klägers nicht respektiert, das Betriebsratsmitglied Frau V. zum Gespräch mitzubringen. Da er in der Vergangenheit bereits einmal „ein Hühnchen mit Frau K.-K. gerupft“ habe, habe er den Eindruck gehabt, diese wolle erneut in unkorrekter Form mit ihm umgehen. Hier habe er aufbegehrt. Seine Worte seien vor diesem Hintergrund zu sehen, auch wenn sie mit großer Wut gesprochen worden seien, liege keine Drohung vor. Der Kläger habe nur ausgedrückt, dass er korrekt behandelt werden wolle und ansonsten „in den Konflikt gehen“ und die Sache nach oben eskalieren werde. Seine Wortwahl dürfe nicht auf die Goldwaage gelegt werden. Es liege gegebenenfalls ein Augenblicksversagen vor.
25 Der Kläger weist daraufhin, dass es keine Spannungen mit anderen Mitarbeitern gebe, sondern lediglich mit dem Betriebsratsvorsitzenden und einem anderen Betriebsratsmitglied. Er wirft der Beklagten vor, dass diese, nur andere Mitarbeiter vor Angriffen schützen wolle, nicht aber den Kläger, der vom Betriebsratsvorsitzenden körperlich angegriffen worden sei.
26 Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger selbst auch Ängste gehabt habe, er sei unter Druck gestanden, auf sich allein gestellt. Die Ereignisse hätten eine Eigendynamik entwickelt und seine Beschwerden seien ungehört geblieben. Er habe gespürt, dass ihm die Situation entgleite. Der ihm gemachte Vorwurf des unsittlichen Verhaltens habe schwer gewogen, hierüber sei er in Panik geraten.
27 Der Kläger beantragt,
28 1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 14.12.2018, Az. 14 Ca 1054/18 wird abgeändert und es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 13.02.2018 nicht aufgelöst worden ist.
29 2. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht.
30 und, für den Fall des Obsiegens mit Antrag zu 1:
31 3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Entwicklungsingenieur mit Entgeltgruppe E 15 im Betrieb der Beklagten in F. weiterzubeschäftigen.
32 Die Beklagte beantragt,
33 die Berufung zurückzuweisen.
34 Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts und meint, die vom Kläger dargestellten formellen Mängel des Urteils wie auch des Beweisbeschlusses seien teilweise nicht gegeben, jedenfalls aber unerheblich. Soweit im Urteil ein falscher Richtername aufgeführt sei, sei dieser offensichtliche Fehler zwischenzeitlich korrigiert.
35 Es sei unzutreffend, dass der Kläger keine Möglichkeit gehabt habe, selbst zur Beweisaufnahme Stellung zu nehmen, wie sich bereits aus dem Sitzungsprotokoll ergebe. Das Protokoll gebe im Übrigen die Beweisaufnahme zutreffend wieder. Auch der Einsatz von Polizeikräften als Ordner während des Gerichtstermins sei wegen des großen Publikumsinteresses rechtmäßig gewesen.
36 Die Beklagte behauptet, die Betriebsratsanhörung sei fehlerfrei erfolgt. So sei dem Betriebsrat um 14.00 Uhr, nach der Anhörung des Klägers, das Anlagenkonvolut B5 übergeben worden. Die Protokolle der Mitarbeiterinnen M. und H. (Anlagen 3A und 3B) seien dem Betriebsrat ebenfalls übergeben worden, ohne dass diese unterschrieben gewesen seien. Mit dem Betriebsrat sei die Vorgehensweise auch besprochen worden. Die Protokolle seien dann später, gegen 15.00 Uhr unterschrieben worden. Frau M. habe ihre Angabe hinsichtlich der Anwesenheit des Herrn W. entgegen ihrer ursprünglichen Aussage vor Frau G. geändert. Nach der Sitzung sei dem Betriebsrat das leicht geänderte Protokoll übergeben worden. Für den Betriebsrat sei dieser Punkt nicht relevant gewesen.
37 Der Betriebsrat sei inhaltlich umfassend und richtig informiert worden, insbesondere darüber, dass sich die Mitarbeiterinnen in der Umkleide bedrängt und unwohl fühlten, als sich der Kläger direkt im Eingangsbereich der Umkleide aufgehalten habe und jedenfalls die Möglichkeit gehabt habe, in die Umkleide hinein zu sehen. Die Entscheidung des Betriebsrats sei im Übrigen nach einer längeren Diskussion gefallen, bei der auch erwähnt worden sei, dass der Kläger nach Kenntnis des Betriebsrats geschieden sei und vier unterhaltspflichtige Kinder habe. Die übergebenen Unterlagen seien für alle Betriebsratsmitglieder einsehbar gewesen.
38 Tatsächlich sei Herr W. bei der Auseinandersetzung vor der Damenumkleide teilweise anwesend gewesen. Er sei dem Kläger gefolgt und habe den Kläger in diesem Bereich auch stehen sehen. Möglicherweise habe der Kläger ihn jedoch nicht gesehen, weil er schräg hinter Herrn O. gestanden habe. Es später sei Herr W. wieder nach oben gegangen, Herr O. habe das Gespräch mit dem Kläger noch fortgesetzt. Die Beklagte nimmt im Einzelnen Stellung zu dem Vorfall vor der Damenumkleide und bestreitet, dass Herr O. insoweit falsche Angaben gemacht habe.
39 Der Kläger sei nicht als „Querdenker“ gekündigt worden. Tatsächlich begrüße die Beklagte, wenn Mitarbeiter Zustände kritisch hinterfragten. Bestimmte Grenzen bei Meinungsverschiedenheiten dürften jedoch nicht überschritten werden. Der Klägerin habe dies Anfang Februar mehrfach getan. Er versuche bei der Beklagten Motive zu konstruieren, die den Blick auf seine eigenen Pflichtverletzungen verstellten.
40 Hinsichtlich des Vorfalls im Büro der Personalleiterin weist die Beklagte daraufhin, dass das Auftreten des Klägers auf alle Anwesenden höchst bedrohlich gewirkt habe und zur Verunsicherung und Ängsten geführt habe. Die Zeugin S. habe Angst gehabt, dass der Kläger Frau K.-K. körperlich angreife, Herr K. habe sich um seine Mutter gesorgt und Frau K.-K selbst habe gezittert, habe nach dem Vorfall kaum schlafen können und habe sich um ihren Sohn gesorgt. Sie habe am folgenden Tag Angst gehabt, in ihr Büro zu gehen, für den Fall, dass der Kläger ihr auflauere. Sie habe sogar ihr Büro gewechselt und sich schließlich arbeitsunfähig gemeldet. Die Beklagte geht von einer schwersten Pflichtverletzung seitens des Klägers aus, der durch Nötigung und Beleidigungen Frau K.-K. dazu habe bringen wollen, das Personalgespräch für den 09.02.2018 abzusagen. Er habe seine Forderung mit Gewalt durchsetzen wollen, indem er sich in der Tür aufgebaut habe, demonstrativ gegen den Türrahmen geschlagen habe, den Ausgang dadurch versperrt habe und die im Büro anwesenden daran gehindert habe, sich dem äußerst aggressiv auftretenden Kläger zu entziehen. Darüber hinaus habe er Frau K.-K. als ahnungslos, unfähig, unprofessionell bezeichnet und damit bewusst die berufliche Ehre der Personalleiterin herabgewürdigt, dies in Gegenwart ihres Sohnes und ihrer Assistentin. Schließlich habe es die explizite Drohung gegeben, Frau K.-K. „fertig zu machen“. Ein Rechtfertigungsgrund für dieses Auftreten sei nicht gegeben. Insbesondere sei der Kläger korrekt zu einem Personalgespräch eingeladen worden. Bewusst sei der Vorfall in der auch für Dritte lesbaren Mail im Hinblick auf den Datenschutz nicht konkretisiert worden.
41 Der Kläger habe sich auch im Nachhinein nicht entschuldigt.
42 Die Beklagte weist daraufhin, dass der Kläger – dem die Anwesenheit eines bestimmten Betriebsratsmitglieds beim Personalgespräch angeblich so wichtig gewesen sei – später Frau K.-K. allein in deren Büro aufsuchte, dies aus eigenem Antrieb.
43 Die Beklagte rügt den Versuch des Klägers, die benannten und vernommenen Zeugen pauschal als unglaubwürdig hinzustellen. Tatsächlich habe der Kläger sogar versucht, Personen aus dem privaten Umfeld der Zeugen telefonisch zu kontaktieren um Nachweise für deren Unglaubwürdigkeit zu sammeln.
44 Der Vorfall im Büro der Personalleiterin sei von allen Zeugen glaubhaft geschildert worden. Soweit sich die Aussagen in ihrem Wortlaut marginal unterschieden hätten, zeige das, dass die Aussagen nicht abgesprochen gewesen seien und erkläre sich aus der zeitlichen Distanz.
45 Der Zeugin K.-K. könne auch nicht vorgeworfen werden, dass sie von einem „großen Verteiler“ bei der E-Mail des Klägers vom 08.02.2018 gesprochen habe. Sie habe insoweit ihr subjektives Empfinden mitgeteilt, im Übrigen sei die Versendung an drei weitere Empfänger ein „großer“ Verteiler, zumal Herr K. mit der Angelegenheit nichts zu tun gehabt habe.
46 Soweit der Kläger nun behaupte, selbst Ängste gehabt zu haben, sei dies neuer Vortrag und als Schutzbehauptung zu würdigen. Der Kläger versuche nun sich selbst als Opfer zu inszenieren und – erstmals in der Berufung – den Vorfall als Augenblicksversagen abzutun.
47 Neben den vom Arbeitsgericht geprüften Vorfällen betrachtet die Beklagte als Kündigungsgrund auch den eigentlichen Vorfall vor der Damenumkleide, die ungerechtfertigte Beschuldigung des Herrn O. und das Bedrängen der Kolleginnen am 09.02.2018, ihm Unterschriften auf einem vorbereiteten Schreiben zu leisten.
48 Ein milderes Mittel als die fristlose Kündigung sei nicht gegeben. Der Kläger habe gezeigt, dass ihm auch deutliche Hinweise auf sein Fehlverhalten gleichgültig seien und er seine Interessen rücksichtslos und in strafrechtlich relevanter Art und Weise durchsetze. Auch ein Abwarten der ordentlichen Kündigungsfrist sei vorliegend unzumutbar. Die Beklagte müsse zum Schutz anderer Mitarbeiter tätig werden und den Kläger sofort aus dem Unternehmen entfernen, zumal sie von einer Wiederholungsgefahr ausgehe.
49 Die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis am 18.01.2019 erneut fristlos gekündigt. Dagegen habe der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben, das Verfahren sei derzeit ausgesetzt.
50 Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 I.
51 Die nach § 64 Abs. 2c ArbGG statthafte und auch in gehöriger Form und Frist eingelegte und ausgeführte Berufung des Klägers hat auch in der Sache überwiegend Erfolg. Das dem Kläger vorgeworfene Fehlverhalten erreicht nicht die Schwelle eines wichtigen Grundes, weshalb die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 13.02.2018 rechtsunwirksam ist. Ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung besteht (derzeit) allerdings nicht. Der allgemeine Feststellungsantrag ist unzulässig.
52 1. Kündigungsschutzklage
53 Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 KSchG ist die Kündigung eines Mitglieds des Betriebsrats möglich, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Damit wird klargestellt, dass nur der gesetzliche Tatbestand des wichtigen Grundes, der in § 626 BGB enthalten ist die Kündigungsmöglichkeit eröffnet. Ein wichtiger Grund, der den Arbeitgeber berechtigt, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen, ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zum vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann (§ 626 Abs. 1 BGB). Dafür gelten grundsätzlich dieselben Regeln wie für die außerordentliche Kündigung gegenüber jedem anderen Arbeitnehmer da Amts und Mandatsträger durch ihre besondere Stellung weder bevorzugt noch benachteiligt werden dürfen. Bei der Zumutbarkeitsprüfung ist fiktiv die Kündigungsfrist zugrunde zu legen, die gelten würde, wenn dem Funktionsträger ordentlich gekündigt werden könnte. Hierdurch wird eine Benachteiligung des geschützten Personenkreises ausgeschlossen. Ist eine Beschäftigung bis dahin zumutbar, ist die Kündigung insgesamt unwirksam (BAG 17. Januar 2008 – 2 AZR 821/06, NZA 2008, 777). Eine außerordentliche Kündigung hat vor allem bei schweren arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen Bedeutung. Dabei ist zu unterscheiden ob die Verfehlung aus dem Arbeitsverhältnis oder aus dem Betriebsratsamt stammt oder ob sie dem Arbeitsverhältnis und dem Betriebsratsamt zuzurechnen sind. Verletzt der sonst geschützte Funktionsträger ausschließlich arbeitsvertragliche Pflichten, steht er jedem anderen Arbeitnehmer gleich, so dass die Wirksamkeit der Kündigung allein davon abhängt ob die Voraussetzungen nach § 626 BGB vorliegen. Lediglich im Rahmen der Interessenabwägung erlangt das Betriebsratsamt als kollektives Interesse der Belegschaft am Erhalt ihrer gewählten Vertretung Bedeutung. Verletzt das Betriebsratsmitglied allein kollektiv-rechtliche Pflichten aus dem Betriebsratsamt, kann dem nicht mit dem Mittel der Kündigung begegnet werden, der Arbeitgeber ist vielmehr auf das Amtsenthebungsverfahren nach § 23 Abs. 1 BetrVG zu verweisen. Ist in dem Verhalten dagegen zugleich eine Vertragspflichtverletzung zu sehen, kommt sowohl die Abberufung nach § 23 Abs. 1 BetrVG als auch eine außerordentliche Kündigung in Betracht, wenn die Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflicht die Voraussetzungen nach § 15 Abs. 1, 626 BGB erfüllt. Hier ist im Rahmen der Interessenabwägung zu werten ob der Funktionsträger gerade in Ausübung seines Amtes in Konflikt mit den arbeitsvertraglichen Pflichten geraten ist. Allein die Beachtung dieses Gesichtspunktes hat das Bundesarbeitsgericht mit der Anforderung vor Augen, an den wichtigen Grund einen „strengeren“ Maßstab anzulegen als bei einem Arbeitnehmer, der dem Betriebsrat nicht angehört (BAG 19. Juli 2012 – 2 AZR 989/11; NZA 2013, 143). Bei den sogenannten Mischsachverhalten hat die Rechtsprechung insbesondere bei beleidigenden Äußerungen eines Betriebsratsmitglieds gegenüber dem Werksleiter in einer Sitzung, bewusst wahrheitswidrigen öffentlichen Äußerungen die den Betriebsfrieden stören konnten, schwerwiegenden Ehrverletzungen anderer Arbeitnehmer im Betriebsratswahlkampf und vorsätzliche Falschaussagen als Vertragspflichtverletzung die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung in Betracht gezogen.
54 Diesem Maßstab hält die außerordentliche Kündigung der Beklagten nicht Stand.
55 Das dem Kläger vorgeworfene Fehlverhalten ist ganz überwiegend dem Arbeitsverhältnis, nicht dem Betriebsratsamt zuzuordnen; allenfalls der Vorfall vor der Damenumkleide hat einen gewissen Bezug zur Betriebsratstätigkeit, da der Kläger jedenfalls meint und behauptet, seine Anwesenheit vor der Damenumkleide habe etwas mit seinen Aktivitäten als Betriebsrat zu tun.
56 Dabei ist das Gericht davon ausgegangen, dass wie vom Arbeitsgericht angenommen, der Kläger anlässlich seines unangemeldeten Erscheinens im Büro der Personalleiterin K.-K. sich in den Türrahmen ihres Büros stellte, mehrfach mit der Hand gegen den Türrahmen schlug und zu Frau K.-K. unter anderem sagte: „Sie sind sehr mutig, wenn Sie sich mit mir anlegen. Ich mache Sie fertig, Sie werden schon noch sehen.“ Dieser Auftritt diente (unstreitig) dazu, die Zeugin K.-K. zu bewegen, das angesetzte Personalgespräch auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, was der Kläger zuvor erfolglos per Mail gefordert hatte. Weiter ist davon auszugehen, dass das Auftreten des Klägers auf die Anwesenden, die Zeuginnen K.-K., S. und den Zeugen K. aggressiv und sogar bedrohlich wirkte. Außerdem hatte die Position des Klägers im Türrahmen stehend zur Folge, dass die Zeugin K.-K. und ihr Sohn den Raum nicht verlassen konnten, bis der Kläger Platz machte. Auch kam der Kläger der Aufforderung der Zeugin K.-K. nicht nach, wieder zu gehen (ihr Büro zu verlassen) und am nächsten Tag darüber zu sprechen. Schließlich ist auch davon auszugehen, dass der Kläger tatsächlich nicht in Zimmerlautstärke sondern in zu lautem Ton auf die Zeugin K.-K. einredete. Die Zeugin K.-K. fühlte sich dadurch bedroht und eingeschüchtert. Es ist nicht nachvollziehbar, dass dies dem Kläger entgangen sein könnte. Vielmehr setzte er offensichtlich seine körperliche Präsenz und den lauten Ton gerade dazu ein, seiner Forderung Nachdruck zu verleihen und brachte nicht etwa neue oder stichhaltigere Argumente dafür vor, weshalb der Termin verschoben werden sollte. Wenn er sich also von seinem persönlichen Erscheinen im Büro der Personalleiterin versprach, dass diese umschwenkte, so musste ihm klar sein, dass diese Reaktion gerade auf seinen dominanten und aggressiven Auftritt zurückgeführt werden könnte.
57 Die Einwendungen des Klägers gegen die Beweiswürdigung sind nicht stichhaltig. Soweit der Kläger die Möglichkeit erwähnt, Frau K.-K. hätte sich in der stressigen Situation den Satz „selbst hinein interpretieren“ können, ändert dies an ihrer vom Arbeitsgericht als glaubwürdig angesehenen Aussage nichts. Die rein theoretische Möglichkeit, dass ein Zeuge sich falsch erinnert, ist allerdings jeder Beweisführung durch Zeugenvernehmung immanent. Anhaltspunkte dafür, gerade die Zeugin K.-K. hätte die Äußerungen des Klägers falsch erinnert, gibt es nicht. Soweit der Kläger anführt, der Zeugin K.-K. hätte es zunächst „gar nicht so schlecht“ gegangen, erst nach einem Telefonat mit Herrn H. hätte sie körperliche Folgen bis hin zur Arbeitsunfähigkeit entwickelt, schränkt dies die Glaubwürdigkeit der Zeugin nicht ein. Es ist ohne weiteres möglich und schon gar nicht unwahrscheinlich, dass die Zeugin nach dem Vorfall, als der Kläger endlich ihr Büro verließ, erleichtert war, nach Hause gehen konnte und auch ein Telefonat führen konnte und erst am Folgetag, als die Gefahr bestand, dem Kläger erneut zu begegnen, die geschilderten Ängste entwickelte. Unstreitig begab sich die Zeugin K.-K. am nächsten Tag zum Werksarzt, welcher sie zu einer psychiatrischen Beratung schickte und sie wurde für mehrere Tage arbeitsunfähig geschrieben. Anhaltspunkte dafür, dass dieses ärztliche Attest inhaltlich unrichtig ist, gibt es nicht. Insbesondere ihre Mitwirkung an den Protokollen vom 09.02.2018 sind ohne Aussagekraft dafür, ob die Zeugin K.-K. vom 14. Februar 2018 bis 2. März 2018 arbeitsunfähig krank war. Auch die Aussage der Zeugin K.-K., das Mail des Klägers vom 08.02.2018 hätte einen sehr großen Verteiler gehabt, überführt sie nicht der Lüge. Der Kläger trägt falsch vor, wenn er behauptet, diese Mails seien nur an zwei Personen gegangen. Tatsächlich sind in der Mail vier Personen als Adressaten aufgeführt. Wenn die Zeugin K.-K. dies als „sehr großen Verteiler“ bezeichnete, so ist dies eine Wertung, die nachvollziehbar ist. Schließlich folgt die Kammer der Vorstellung des Klägers nicht, die Zeugin K.-K. sei deshalb unglaubwürdig, weil sie auf die Nachfrage eines Richters eine konkrete Antwort gab anstelle zu sagen, sie wisse es nicht genau. Es erscheint keineswegs ausgeschlossen, dass die Zeugin K.-K. subjektiv die Wahrheit sagen wollte, als sie die richterliche Frage beantwortete. Auch die Glaubwürdigkeit des Zeugen K. wird vom Kläger nicht mit Erfolg angezweifelt. Selbst wenn der Zeuge K. von seinem Platz aus den Kläger nicht vollständig sehen konnte, waren die sehr laut gesprochenen oder sogar geschrienen Äußerungen des Klägers zu vernehmen und erscheinen die vom Zeugen geschilderten Emotionen nachvollziehbar und keineswegs übertrieben.
58 Die Kammer ist weiter davon ausgegangen, dass der Kläger außerdem anlässlich seiner Begegnung mit dem Zeugen O. zu diesem geäußert hat „Sie kriege ich auch noch“. Auch insoweit hat die Kammer keine stichhaltigen Argumente gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen O. gefunden. Soweit der Kläger hier andere Verständnismöglichkeiten seiner Äußerung (vielleicht: und die kriege ich auch noch) vorbringt, steht dies im Widerspruch zum eigenen Vortrag des Klägers, der angeblich lediglich ein schönes Wochenende gewünscht hat. Soweit der Kläger sich darauf beruft, Herr O. habe am 08.02.2018 ausgeführt, dass er nachts nicht mehr schlafen und nicht mehr essen könne, weil ihn der Sachverhalt so belaste, seine Beschwerde-Mail aber erst am 08.02.2018 verschickt worden sei, spricht dies nicht gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen O. Die Beklagte hat im Einzelnen ausgeführt, dass andere Mitarbeiter den Vorfall weitererzählt hätten, was Herrn O. zu Ohren gekommen sei. Dadurch habe er sich tief getroffen gefühlt und eine Rufschädigung befürchtet. Seine Äußerung zu seinem psychischen Zustand habe sich daher nicht gerade auf die Beschwerde-Mail des Klägers vom 08.02.2018 bezogen.
59 Der Kläger hat behauptet, Zeuge O. habe falsche Angaben zum Hergang der Auseinandersetzung mit ihm vor der Damenumkleide gemacht und meint, dies indiziere dass er auch lüge, wenn er dem Kläger vorwerfe, „Sie kriege ich auch noch“ gesagt zu haben. Nachdem durchaus ein gewisser Zusammenhang zwischen diesen beiden Vorfällen besteht, wäre gegebenenfalls eine Beweisaufnahme zum Hergang der Auseinandersetzung vor den Umkleidekabinen notwendig gewesen; im folgenden wird zu Gunsten der Beklagten unterstellt, dass an der Glaubwürdigkeit des Zeugen O. – wie vom Arbeitsgericht angenommen – keine Zweifel bestehen.
60 Eine Beweisaufnahme zu den Vorgängen vor der Umkleidekabine war auch nicht deshalb notwendig, weil die Beklagte als weiteren Kündigungsgrund das dortige Verhalten des Klägers und dessen falsche Beschuldigung des Herrn O. gewertet haben will. Die Beklagte behauptet im vorliegenden Verfahren nicht, dass der Kläger tatsächlich in die Umkleidekabine hineingesehen hat. Dass seine Position vor der Umkleide so war, dass er – bei geöffneter Tür – hätte hineinsehen können, ist nicht streitig. Dem Kläger geht es bei seiner Darstellung des genauen Hergangs der Auseinandersetzung mit Herrn O. offensichtlich darum, nicht als „Spanner“ angesehen zu werden und erst in zweiter Linie darum, ob er als Betriebsrat berechtigt war, sich in diesem Bereich des Gebäudes aufzuhalten.
61 Die von Herrn O. erstellten Unterlagen (A 1 und 2) implizierten ein unsittliches Verhalten des Klägers. Die Kammer geht deshalb davon aus, dass sich der Kläger bei seiner Verteidigungslinie, gerade auch was die Person des Herrn O. angeht, noch im Bereich des berechtigten Eigeninteresses befand.
62 Soweit die Beklagte sich auf die Aktionen des Klägers im Zusammenhang mit der Unterschrift von Kantinenmitarbeiterinnen unter eine von ihm gefertigte Erklärung bezieht, hat die Kammer hierin kein kündigungsrelevantes Fehlverhalten erkannt. Die Beklagte behauptet zwar, der Kläger habe die Unterschriften „verlangt“, was die Mitarbeiterinnen verunsichert habe. Inwiefern der Kläger jedoch auf diese Mitarbeiterinnen eingewirkt hat und weshalb sich diese überhaupt theoretisch unter Druck setzen lassen könnten, erschließt sich nicht. Allein die Tatsache, dass der Kläger „Entlastungszeuginnen“ für seine Darstellung der Geschehnisse suchte, ist ihm nicht zum Vorwurf zu machen.
63 Zugunsten der Beklagten ist weiter davon ausgegangen worden, dass sich der Kläger am 01.02.2018 unberechtigt im Bereich der Damenumkleide der Werkverpflegung aufhielt und deshalb von Herrn O. zu Recht angewiesen wurde, diesen Bereich zu verlassen. Es erschließt sich nicht, was das Betriebsratsamt des Klägers mit einem Aufenthalt vor der Damenumkleide zu tun hatte. Unerheblich ist insoweit zunächst, dass der Kläger in der Vergangenheit „speziell für die Werksverpflegung“ zuständig war. Denn unstreitig habe er diese Zuständigkeit entweder selbst niedergelegt (so der Beklagtenvortrag) oder sie war ihm vom Betriebsratsgremium entzogen worden. Dem Kläger ist noch zuzugestehen, dass er die Mitarbeiterinnen M., K. und H. von ihrem Standort außerhalb des Gebäudes zur Damenumkleide begleitet hat, nachdem er hierum gebeten worden war. Es gibt jedoch keine Erklärung dafür, dass und weshalb er sich über eine längere Zeit hinweg vor der Damenumkleide aufhielt. Insbesondere seine – erstmals in der Berufung – vorgebrachte „Erklärung, er habe mit Frau M. ein Thema zur Notdienstregelung nachgehen wollen“, er habe das Recht, Arbeitnehmer über ihre Rechte und Pflichten während eines Streits zu informieren, erklärt seinen Verbleib vor der Damenumkleide nicht. Dort befanden sich keine Mitarbeiter, die er hätte „aufklären“ können. Seine Ausführungen dahingehend, es sei um die konkrete Arbeitszeitregelung „Notdienst während des Streiks“ gegangen, finden in den tatsächlichen Geschehensabläufen keinen Widerhall, denn der Kläger hat mit niemandem über Arbeitszeitregelungen, Notdienst o. ä. gesprochen, bereits nach seiner eigenen Darstellung nicht. Allein vor der Tür der Umkleide stehend ging der Kläger offensichtlich keiner Betriebsratstätigkeit nach. Er ist daher von Herrn O. zu Recht aufgefordert worden, diesen Bereich sofort zu verlassen.
64 Die damit nachgewiesenen bzw. als wahr unterstellten Pflichtenverstöße des Klägers genügen auch in der Summe nicht als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung. Dabei ist der Auftritt des Klägers im Büro der Personalleiterin als sehr schwere Pflichtverletzung anzusehen. Dies gilt zum Einen für die rein körperliche Einschüchterung der Zeugin K.-K. durch das dominante Auftreten des Klägers, dessen sehr lautes Reden bzw. Schreien, das Schlagen gegen den Türrahmen und das Verbleiben des Klägers stehend im Türrahmen, so dass die im Büro anwesende Personalleiterin und ihr Sohn den Raum nicht verlassen konnten, bis der Kläger Platz machte. Als besonders schwerwiegend ist die Äußerung des Klägers zur bewerten „Ich mach Sie fertig“. Der Wertung des Klägers, dies sei nicht als persönliche oder körperliche Drohung gemeint gewesen, folgt die Kammer nicht. Die Äußerung hat auch nicht etwa, wie vom Kläger ausgeführt, die Bedeutung, dass sich der Kläger eine ungerechte Behandlung nicht gefallen lassen wollte und sich dagegen wehre. Die Worte „Ich mach Sie fertig“ richteten sich vielmehr dezidiert gegen die Person der Zeugin K.-K. und können von dem durchaus wortmächtigen Kläger nicht anders gemeint gewesen sein. Bei der Bewertung dieser Äußerung als Drohung geht es auch nicht mehr darum, Worte „auf die Goldwaage zu legen“, sondern um ein Verständnis dieser Äußerung nach ihrem buchstäblichen Sinn. Schließlich ist der Kläger auch nicht dadurch entschuldigt, dass es keine formgerechte Einladung zum Personalgespräch gegeben hätte. Dem Kläger war das Thema, über das geredet werden sollte, hinreichend deutlich mitgeteilt worden, indem von einem „Vorfall vor der Damenumkleide“ die Rede war. Der Kläger wusste, was damit gemeint war. Das Personalgespräch konnte ersichtlich gerade dazu dienen, seine Sicht der Dinge anzuhören. Einer näheren Erläuterung dessen, was Andere über den Vorfall berichtet hatten, bedurfte es nicht.
65 Als weniger schwerwiegend hat die Kammer die Äußerung des Klägers gegenüber Herrn O. „Und dich krieg ich auch noch“ gewertet. Zum einen erfolgte dies von Mann zu Mann, im Vorübergehen und damit unter völlig anderen Umständen als die Bedrohung der Personalleiterin. Zum anderen ist die Äußerung in der Tat nicht recht verständlich oder auch nur eindeutig. Es ist nicht ersichtlich, wen der Kläger – außer dem Zeugen O. – „sonst noch“ gekriegt hätte. Der Kläger war bzw. ist nicht in einer Position, in der er den Zeugen O. gefährlich werden könnte. Die Kammer hat diese Äußerung als – unangemessene – Drohgebärde im Rahmen des zwischen dem Zeugen O. und dem Kläger schwelenden Konflikt angesehen.
66 Als ebenfalls weniger schwerwiegend ist die Weigerung des Klägers zu sehen, auf Anweisung des Herrn O. den Bereich vor der Damenumkleide zu verlassen. Auch wenn der Kläger dort nichts zu suchen hatte und insbesondere keine Betriebsratstätigkeit ausübte, ist das stattgefundene Streitgespräch und die Weigerung des Klägers, Anweisungen des Herrn O. zu befolgen, bereits als einfacher Kündigungsgrund ohne vorherige Abmahnung ungeeignet.
67 Der Kläger hat in seiner Funktion als freigestelltes Betriebsratsmitglied zwangsläufig immer wieder mit der Personalleiterin direkt zu tun. Die allein von ihm zu verantwortende Störung des persönlichen Verhältnisses zu Frau K.-K. ist ein schwerer Pflichtenverstoß, der als Folge neben der (vorübergehenden) Arbeitsunfähigkeit der Zeugin K.-K. zu einer offensichtlichen Erschwernis im künftigen Umgang der Personalabteilung mit dem Kläger führt.
68 Andererseits hat der Kläger nicht mit einer bestimmten Handlung oder Vorgehensweise gedroht, sondern eine „Klärung“ außerhalb des Betriebes angekündigt. Der Kläger weist zu Recht darauf hin, dass er selbst im Rahmen einer körperlichen Auseinandersetzung mit dem Betriebsratsvorsitzenden im Jahr 2017 sich nicht seinerseits körperlich zur Wehr setzte, sondern sie zum Anlass für eine Beschwerde nahm. Die Zeugin K.-K. wusste dies, da sie gerade mit dieser Beschwerde befasst war. Nüchtern betrachtet und unter Berücksichtigung der bisherigen Streitkultur des Klägers war für die Zeugin K.-K. nicht zu befürchten, dass sie körperlich angegangen würde, sondern dass der Kläger wieder mit Beschwerden und dem Versuch, übergeordnete Stellen auf seine Seite zu ziehen, reagieren würde. Soweit der Kläger die Zeugin K.-K. als unfähig und unprofessionell beschimpfte, fällt dies ohnehin auf ihn selbst zurück. Nach Auffassung der Kammer ist die Position eines Personalleiters auch notwendig mit einer gewissen Leidensfähigkeit verbunden. Konflikte sind vorprogrammiert und es liegt auf der Hand, dass von Personalmaßnahmen betroffene Arbeitnehmer gelegentlich auch mit unangemessenen Äußerungen reagieren werden, was ein Personalleiter dann aushalten muss.
69 Gemessen an diesen Umständen hält die Kammer es für überlegenswert, ob das Fehlverhalten des Klägers nicht zunächst abzumahnen wäre. Denn das Arbeitsverhältnis der Parteien ist über viele Jahre hinweg unbelastet verlaufen. Der Kläger genießt als freigestelltes Betriebsratsmitglied eine besondere Vertrauensposition in der Belegschaft. Bei dem oben dargestellten Ausfälligwerden kann es sich tatsächlich, wie vom Kläger in der Berufung für sich reklamiert, um ein „Ausrasten“ in einer besonderen Drucksituation gehandelt haben. Ein solches wäre mit einer Abmahnung, welche den Kläger wieder zum zivilisierten Miteinander bringen kann, ausreichend sanktioniert.
70 Selbst wenn jedoch wegen der Schwere der Pflichtverletzung davon auszugehen wäre, dass der Kläger von vornherein nicht damit rechnen konnte, dass die Beklagte dies hinnehmen würde, eine Abmahnung also entbehrlich wäre, reicht der obige Sachverhalt jedenfalls nicht für eine außerordentliche Kündigung aus. Ausgehend von einer fiktiven Kündigungsfrist von sieben Monaten zum Monatsende und der Art der Tätigkeit des Klägers im Betrieb der Beklagten erscheint eine befristete Weiterbeschäftigung zumutbar. Soweit sich die Beklagte auf eine Wiederholungsgefahr bezieht, findet dies im bisherigen, störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses keinen Anknüpfungspunkt. Tatsächlich hat der Kläger bislang seine Auseinandersetzungen, an denen es auch in der Vergangenheit nicht gemangelt haben dürfte – bezeichnet sich der Kläger doch selbst als „Querdenker“ – stets verbal und ohne persönliche Beleidigungen oder Bedrohungen geführt. Ausschließlich im Zusammenhang mit der „Streikunterstützung“ durch den Kläger und deren Folgen kam es zu dem inakzeptablem Fehlverhalten des Klägers. An dieser Einschätzung ändert die Wertung der Beklagten nichts, die Bedrohung der Zeugin K.-K. und des Zeugen O. lägen „auf einem Nenner“. Gerade an ihnen zeigt sich, dass derselbe Grundkonflikt, nämlich die Streikunterstützung und der Vorwurf der Belästigung von Mitarbeiterinnen Anlass für die Pflichtverletzungen des Klägers war. Dass sich ein solches innerhalb der Kündigungsfrist wiederholen könnte, ist so wenig wahrscheinlich, dass der Ausspruch einer fristlosen Kündigung unverhältnismäßig erscheint.
71 2. Weiterbeschäftigungsanspruch
72 Ein Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung ist nicht gegeben. Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis erneut fristlos gekündigt; über die Wirksamkeit dieser Kündigung ist noch nicht entschieden. Vortrag dazu, dass diese Kündigung offensichtlich unwirksam wäre, ist nicht erfolgt. Aus diesem Grund ist derzeit kein Anspruch des Klägers gegeben, während der Dauer des Rechtsstreits als Entwicklungsingenieur weiterbeschäftigt zu werden.
73 3. Allgemeiner Feststellungsantrag
74 Der allgemeine Feststellungsantrag ist mangels jeglicher Begründung unzulässig.II.
75 Die Kostenentscheidung entspricht dem Verhältnis des Obsiegens der Parteien.
76 Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben.