Vorgesetzte einer öffentlichen Einrichtung dürfen nachgeordnete Mitarbeiterinnen nicht mit dem Anschein einer dienstlichen Verpflichtung zum gemeinsamen Verbringen von Freizeit und Alkoholkonsum zu zweit drängen (Rn.129) oder in sonstiger Form wie u.a. durch mehrfache unerwünschte nächtliche Nachrichten oder Anrufe für private Interessen in Anspruch nehmen.(Rn.147) Dies gilt insbesondere, soweit von Seiten des Vorgesetzten Fragen der Sexualität ohne jeden Bezug zur Arbeitsleistung thematisiert werden. Erkennbar unerwünschte Umarmungen nachgeordneter Mitarbeiterinnen sind zu unterlassen.(Rn.120) Abhängig von den Umständen des Einzelfalls und soweit eine negative Prognose gestellt werden kann, kann eine Verletzung dieser Pflichten eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen.

Tatbestand
Randnummer1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung.

Randnummer2
Auf Rüge der Beklagten, die sich auf eine Organstellung des Klägers berufen hat, wurde vorab über den Rechtsweg zur Arbeitsgerichtsbarkeit entschieden. Dieser ist gemäß Beschluss des Arbeitsgerichts vom 21. November 2018 und Zurückweisung der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde durch Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 22. Januar 2019 (Az. 9 Ta 2458/18) gegeben.

Randnummer3
Der 1959 geborene Kläger ist seit 15. April 2010 bei der Beklagten als Referent Politische Bildung tätig. Die Beklagte ist eine Stiftung öffentlichen Rechts und beschäftigt über zehn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Gemäß Beschluss des Stiftungsrates vom 16. Dezember 2010 wurde der Kläger zum stellvertretenden Direktor der Beklagten berufen. Als stellvertretender Direktor schloss der Kläger Verträge für die Beklagte (s. i.E. Bl. 47-69 d.A.).

Randnummer4
Am 29. Februar 2016 informierte der damalige Vorsitzende des Stiftungsrates Staatssekretär R. den damaligen Direktor der Beklagten über die Beschwerden von Frauen betreffend den Kläger. Der Direktor der Beklagten führte am 1. März 2016 ein Personalgespräch mit dem Kläger und dokumentierte den Inhalt des Gespräches in folgendem Vermerk, der dem Kläger ausgehändigt wurde:

Randnummer5
„Am 01.03.2016 fand ein Personalgespräch zwischen Herrn Dr. A. [dem Direktor der Beklagten] und Herrn F. [dem Kläger] statt. Herr Dr. A. informierte dabei Herrn F. über ein Gespräch mit Herrn StS R. und Frau R. von der Berliner Kulturverwaltung am 29.02.2016. Diese hätten ihn darüber informiert, dass sich drei frühere Beschäftigte der Stiftung bei der Kulturverwaltung über Herrn F. beschwert hätten. Zwei der Beschäftigten wollten anonym bleiben. Die Beschäftigten hätten angegeben, dass sie sich von Herrn F bedrängt gefühlt hätten. So hätte er sie in den Arm genommen, obwohl sie signalisiert hätten, dass sie das nicht wollten. Zudem hätte er ihnen nachts SMS geschickt, die als privat empfunden worden wären. Schließlich hätten sie zum Ausdruck gebracht, dass dies auch unter Alkoholeinfluss geschehen sei.

Randnummer6
Herr Dr. A. erklärte Herrn F, dass er die Beschwerden sehr ernst nähme. Er wisse die Bemühungen von Herrn F um ein gutes Verhältnis zu seinen Mitarbeitern sehr zu schätzen. Diese dürften sich aber in keiner Weise davon bedrängt fühlen. Dies würde nicht nur das Renommee der Stiftung und von Herrn F beschädigen, sondern könne auch arbeitsrechtlich und strafrechtlich relevant sein.

Randnummer7
Herr F zeigte sich von den Beschwerden sehr betroffen. Er erklärte, dass es durch ihn niemals zu irgendeiner Form der Übergriffigkeit gegenüber seinen Mitarbeitern gekommen sei. Er könne sich die Beschwerden nur dadurch erklären, dass er aufgrund seiner Herkunft aus Rumänien möglicherweise anders und warmherziger reagiere, als das in Deutschland üblich sei. Gerade bei jungen Mitarbeitern bemühe er sich um ein Verhältnis auf Augenhöhe. Dazu nehme er seine Mitarbeiter auch schon mal in den Arm oder kommuniziere mit ihnen privat per SMS oder WhatsApp. Das geschehe aber ausschließlich im Interesse eines freundschaftlich-kollegialen Verhältnisses zu den ihm unterstellten Mitarbeitern, und zwar bei männlichen und weiblichen Mitarbeitern gleichermaßen. Die Mitarbeiter würden das als besonderen Vertrauensbeweis werten. Die meisten hielten deshalb auch noch nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit der Gedenkstätte Kontakt zu ihm, sowohl privat als auch ihren beruflichen Werdegang betreffend.

Randnummer8
Herr F erklärte weiter, dass ihm die Ausbildung und Förderung junger Menschen sehr am Herzen liege. In seiner früheren Beschäftigung als Redakteur beim […] sei er 12 Jahre lang Jugendbeauftragter gewesen. Alle Volontäre und Praktikanten seiner Redaktion – zu 95 Prozent Frauen – seien von ihm betreut worden. Niemals habe es dort eine Beschwerde gegeben, obwohl er sich in ähnlicher Weise um ein freundschaftliches Verhältnis zu den Mitarbeitern bemüht habe. Auch in der Gedenkstätte habe es bisher nie Beschwerden gegeben. Er äußerte deshalb die Vermutung, dass die Vorwürfe möglicherweise mit Konflikten um die Arbeitsleistungen seiner früheren Volontärin, Frau B., zusammenhingen, die auch seine Hilfskräfte betreut habe. Unabhängig davon nehme er es aber sehr ernst, wenn sich irgendein Mitarbeiter durch seine Umgangsformen bedrängt fühle.

Randnummer9
Herr Dr. A. wies Herrn F an, sein Verhalten gegenüber den Beschäftigten zu ändern. Körperliche Berührungen oder private SMS seien zu unterlassen, da dies offenbar missverstanden werden könne. Er empfahl ihm auch, Kontakt zur Frauenbeauftragten der Kulturverwaltung aufzunehmen, um sich zu informieren, welche seiner Umgangsformen konkret als Grenzüberschreitung empfunden worden seien. Rechtlich könne er die Beschwerden nicht bewerten, da ihm diese nicht zugänglich gemacht worden seien. Abschließend machte Herr Dr. A. Herrn F darauf aufmerksam, dass sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz zu einer fristlosen Kündigung führen könnten.

Randnummer10
Herr F erklärte, dass davon keine Rede sein könne. Er werde aktiv auf die Frauenbeauftragte zugehen, um über die Beschwerden zu sprechen. Um jede Art von Missverständnis zu vermeiden, werde er auch seine Körpersprache am Arbeitsplatz ändern und private oder als privat zu verstehende Kontakte zu seinen Mitarbeitern unterlassen.“

Randnummer11
Mit Schreiben vom 1. März 2016 wandte sich der damalige Direktor der Beklagten an den Staatssekretär R. und teilte mit, er habe mit dem Kläger ein Personalgespräch gemäß dem beigefügten Vermerk geführt und bitte um Übersendung der Beschwerden zur Prüfung, falls weitergehende arbeitsrechtliche Maßnahmen als erforderlich angesehen würden. Weiter wurde um Prüfung der Entscheidung gebeten, der Beklagten in diesem Jahr keinen Volontariatsplatz zur Verfügung zu stellen.

Randnummer12
Am 24. April 2016 wandte sich der Kläger an die Frauenvertreterin der Senatskanzlei. Diese erklärte, sie sei als Frauenvertreterin der Senatskanzlei für ihn nicht zuständig.

Randnummer13
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 wandte sich der damalige Direktor der Stiftung an den Kläger und teilte mit, der Stiftungsrat habe am 7. Dezember 2017 dem Vorschlag einer Sonderzahlung an den Kläger zugestimmt und führte weiter aus: „Der Stiftungsrat und ich möchten damit unsere große Wertschätzung für die von Ihnen geleistete Arbeit zum Ausdruck bringen. … Ich nutze die Gelegenheit, mich noch einmal persönlich für Ihre Arbeit und für Ihr Engagement für die Stiftung zu bedanken. Auch dank Ihrer Hilfe ist die Stiftung zu einem Ortgeworden, der in Deutschland seinesgleichen sucht“ (s. i.E. Bl. 576 d.A.). Ein im Wesentlichen gleichlautendes Schreiben gerichtet an den Direktor der Beklagten ebenfalls betreffend eine Sonderzahlung unterzeichnete der Kläger unter dem 22. Dezember 2016 als Stellvertreter (s. Bl. 970 d.A.). Bei den Sonderzahlungen handelte es sich um Beträge von weniger als einem Bruttomonatsentgelt.

Randnummer14
Mit Schreiben vom 8. Juni 2018 wandten sich sechs Frauen unter Angabe ihrer Namen und Tätigkeiten für die Beklagte an die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, den Senator für Kultur und Europa des Landes Berlin und nachrichtlich an die Antidiskriminierungsstelle. Der Senator für Kultur und Europa ist aufgrund der zwischenzeitlichen Änderung der Ressortzuständigkeiten Stiftungsratsvorsitzender der Beklagten. Die Frauen führten mit der Bitte um Vertraulichkeit aus, es gebe bei Vorgesetzten der Beklagten „eine erschreckende Regelhaftigkeit übergriffiger Verhaltensmuster“, dies u.a. durch ein Eindringen in die Privatsphäre mit persönlichen Nachrichten, wiederholte Einladungen zu Bier und Wein und in die private Wohnung und spätere diskreditierende Verwendung von Informationen aus ‚persönlichen Gesprächen‘ im Dienst, enge körperliche Nähe und Umarmungen, während der Arbeit Berichte über Aktivitäten wie Bordellbesuche oder Swinger-Club, Angebote bis Anweisungen zur Begleitung bei Abendveranstaltungen, Vorschützen dienstlicher Anliegen, um die Mitarbeiterin in den Abendstunden außerhalb der Dienststelle zu treffen oder anzurufen (s. i.E. Bl. 379-380 d.A.).

Randnummer15
Die Beschwerdeführerinnen waren in der Zeit ab 2011 für die Beklagte in unterschiedlichen Positionen für die Beklagte tätig:

Randnummer16
Frau A.A. war vom 7. September 2011 bis 31. August 2013 Volontärin der Beklagten und vom 1. September 2013 bis 15. Februar 2014 Projektkoordinatorin. Als Volontärin war Frau A.A. zunächst dem Kläger zugeordnet und wechselte im Dezember 2012 zum damaligen Direktor der Beklagten. Frau B.B. war als Volontärin des Landes Berlin von der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten zur Beklagten abgeordnet und in der Zeit vom 15. April 2013 bis 14. April 2015 für die Beklagte tätig. Frau C.C. war Praktikantin in der Zeit vom 3. August 2015 bis 14.Oktober 2015 und Mitarbeiterin in der Zeit vom 15. Oktober 2015 bis 15. August 2017. Frau D.D. war in der Zeit vom 1. September 2014 bis 31. August 2015 im Freiwilligen Sozialen Jahr für die Beklagte tätig. Frau E.E. war in der Zeit vom 1. März 2017 bis 31. Dezember 2017 für die Beklagte zuletzt als Leiterin des Bereichs Gedenkstättenpädagogik tätig. Frau F.F. war in der Zeit vom 17. Juli 2017 bis 29. Januar 2018 Volontärin der Beklagten.

Randnummer17
Neben diesen Beschäftigten bezieht sich die Beklagte auf Äußerungen von Frau G.G., die von Oktober 2016 bis Oktober 2018 Volontärin der Beklagten war, wobei das Volontariat von März bis Oktober 2017 gemäß Vereinbarung vom 7. Februar 2017 ruhte, Frau H.H., die in der Zeit von 1. Juni 2016 bis 7. August 2016 Praktikantin der Beklagten war, Frau I.I., die in der Zeit von 15. Februar 2017 bis 31. Dezember 2018 Mitarbeiterin der Beklagten war, Herrn J.J. und Frau K.K., wissenschaftliche Mitarbeiterin von 2001 bis 2014.

Randnummer18
Der damalige Direktor der Beklagten bat mit einer Strafanzeige um Prüfung, ob der Straftatbestand der sexuellen Nötigung gegeben sei oder ob es sich um eine falsche Verdächtigung bzw. das Vortäuschen einer Straftat handle. Mit Schreiben vom 6. Juli 2018 teilt die Staatsanwaltschaft der Beklagten mit, es sei beabsichtigt, das Ermittlungsverfahren wegen sexueller Belästigung einzustellen, weil es zu keinen strafrechtlich relevanten körperlichen Übergriffen oder Nötigungshandlungen gekommen sei.

Randnummer19
Mit Schreiben vom 6. August 2018 baten der Stiftungsratsvorsitzende und die stellvertretende Stiftungsratsvorsitzende den Kläger zu einer Anhörung „im Vorfeld einer etwaigen ordentlichen Kündigung und Abberufung wegen des Verdachts sexueller und sonstiger Belästigungen sowie der Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten“.

Randnummer20
Am 9. August 2018 führten der Stiftungsratsvorsitzende und die stellvertretende Stiftungsratsvorsitzende unter weiterer Beteiligung der Prozessbevollmächtigten der Beklagten und des Prozessbevollmächtigten des Klägers sowie einer Protokollführerin ein Gespräch mit dem Kläger. Auf das Protokoll des Gesprächs wird Bezug genommen (s. i.E. Bl. 387-393 d.A.).

Randnummer21
Mit Schreiben vom 7. September 2018 wandte sich die Beklagte unter Wiedergabe des Schreibens vom 8. Juni 2018 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers und hielt dem Kläger folgende ihr mitgeteilte Vorwürfe unter Angabe von Zeiten der Beschäftigung und der Position der Beschäftigten vor:

Randnummer22
Betreffend die in der Zeit von September 2011 bis November 2012 dem Kläger als Volontärin unterstellte Mitarbeiterin: Am 5. März 2012 habe der Kläger diese um 21.00 Uhr unter einem dienstlichen Vorwand angerufen und das insgesamt dreistündige Telefonat auf die Themen Sex und Sinnlichkeit gelenkt und ausgeführt, beides habe große Bedeutung für ihn. Auch in Gesprächen am Arbeitsplatz mit einer anderen Volontärin und der damals 19-jährigen FSJ-lerin habe er wiederholt Themen betreffend Nacktheit und Sex einfließen lassen. Er habe wiederholt berichtet, er habe nackt im Orankesee gebadet und sei von der Polizei aufgegriffen worden sowie, er habe sich nackt aus der Wohnung ausgesperrt. Der FSJ-lerin, die ihn zu einem Empfang im Journalistenclub zum A.-Sp.-Club begleitet habe, habe er berichtet, er gehe mit seinem Freund R.W. gerne in ein Bordell. Der Kläger habe wiederholt nachts SMS und E-Mails an die Privatadresse der Volontärin geschickt, die diese als unangemessen empfunden habe, so u.a. am 14. Februar 2012 um 23:24 Uhr „Erstmal gute Nacht, liebe Frau … Ich antworte ausführlich morgen. Jetzt lass ich mich noch volllaufen. Und danke, dass Sie in meiner Nähe geblieben sind. War mir wichtig. Ganz liebe Grüße, [Vorname]“, am 1. Juni 2012 „Liebe …, es war ein harter Tag für mich … ich hab alles geschafft, wohlwissend, dass ich die Ruhe, auch die innere, die ich hatte, Ihnen verdanke. Sie haben so sensibel, entspannt und auch humorvoll reagiert und, nichtwissend, wovon die Rede ist, dennoch die Tragweite angespannter Situationen erkannt und mir den Rücken freigehalten. Ich danke Ihnen! Und auch wenn Sie mir so wichtig sind, wenn Sie mal etwas anderes machen wollen … sagen Sie es mir. So gut ich kann, werde ich ihre Wünsche erfüllen. Selbst wenn es mich schmerzen wird, wenn Sie nicht in meiner Nähe sind. Ganz liebe Grüße, Ihr ..“; am 31. Mai 2012: „Liebe …, ja es war viel Rotwein heute, Sie haben ja manchmal recht 🙂 Zur Beruhigung: Bin angekommen, Auto geparkt, ich in Wohnung. Dank für alles, mit lieben, ganz lieben (wenn keine Vorwurfsblicke kommen) Grüßen, Ihr …“, am 14. Juni 2012, 18:45 Uhr „Liebe Frau …, ich befürchte, Sie sind jetzt schon weg. Nur zu dringend gerne hätte ich heute Abend mit Ihnen ein Glas Wein getrunken. Sollte es sich noch einrichten lassen, sagen Sie mir, bitte Bescheid. Ich komme da hin, wo Sie es wünschen. Mit nach wie vor lieben Grüßen, …“ (s. im Übrigen Bl. 400-401 d.A.). Am 11. Juli 2012 sei um 1:57 Uhr die Mitteilung des Klägers erfolgt, er habe sich noch nie so in einem Menschen so getäuscht, die Mitarbeiterin sei „aggressiv“ und „bockig“. Eine Einladung per SMS am nächsten Abend, ein Glas Wein zu trinken, habe die Volontärin nicht angenommen. Diese sei auch weiteren Einladungen nicht nachgekommen und habe nur einmal im Vorfeld einer offiziellen Veranstaltung mit dem Kläger ein Glas Wein getrunken. Am 13. Juni 2012 habe der Kläger ihr direkt vor Beginn eines Meetings aufgetragen, als weiteres Thema Führungen für Blinde und Sehbehinderte vorzubereiten und sie dann vor den Kolleginnen und Kollegen mit den Worten begrüßt, „Frau … hat dazu noch was vorbereitet“ obwohl dies nicht möglich gewesen sei, und die Mitarbeiterin so vor den Anderen blamiert. Der Kläger habe die Volontärin gewohnheitsmäßig an der Schulter oder am Arm zu berührt, obwohl sie dabei zusammengezuckt sei, wie der Kläger auch einmal belustigt kommentiert habe. Die Volontärin habe im Dezember 2012 in den Bereich des Direktors wechseln können.

Randnummer23
Betreffend die in der Zeit vom 15. April 2013 bis 14. April 2015 dem Kläger als Volontärin unterstellte Mitarbeiterin: Am ersten Arbeitstag habe der Kläger sie zu einem Feierabendbier in einer Kneipe eingeladen. Dort habe der Kläger über seine langjährige Freundschaft mit dem Direktor der Stiftung berichtet, Bemerkungen über seine Vorliebe für das „Reiten ohne Sattel“ gemacht, von seiner Umtriebigkeit mit Frauen berichtet und ausgeführt, er habe aufgepasst, keine Kinder für den rumänischen Diktator zu zeugen. Zum Abschied sei eine unerwünschte enge Umarmung erfolgt. Im Büro habe es ständig unerwünschte körperliche Berührungen wie Tippen und Tätscheln auf den Oberschenkel, Hand auf dem Arm, Hand auf die Schulter gegeben und darüber hinaus enge Umarmungen zu Anlässen wie der Verabschiedung in freie Tage oder zur Begrüßung nach einem längeren Wochenende oder Urlaub. Anlässlich eines anstehenden Urlaubs des Klägers sei die Volontärin am Schreibtisch sitzen geblieben, um einer Umarmung des Klägers zu entgehen. Der Kläger habe sie im Zuge einer gleichwohl erfolgten Umarmung ihr Gesicht an seinen Bauch gedrückt. Während der Arbeit habe der Kläger berichtet, wie er sich nackt aus der Wohnung ausgesperrt habe. Ab Sommer 2013 habe die Volontärin mehrfach nächtliche SMS des Klägers erhalten, mit denen unerwünscht Vertraulichkeiten herangetragen worden seien, so u.a. am 11. Juni 2013, 2:23 Uhr „Liebe … es tut mir leid dass wir uns heute so gar nicht richtig verabschiedet haben; nur auf der Treppe Tschüß. Ich hätte Sie gern umarmt. Nehmen Sie mir das nicht übel. Aber weil dieser Tag so anstrengend, hektisch und nervend war. Lieben Gruß, [Vorname]“, 23:30 Uhr: Liebe … ich freue mich sehr, auch sehr persönlich, dass Sie wieder da sind. Darf ich Sie morgen oder Mittw. Abend bei mir bekochen? Es wird nicht nur Fleisch geben, versprochen. Oder wir kochen zusammen, Gruß h.“ (s. i.E. Bl. 396-397 d.A.). Die Mitarbeiterin habe auf diese Einladung hin am Folgetag erklärt, sie wolle Privat- und Berufsleben nicht vermischen. Im Mai 2014 habe der Kläger erklärt, er sei über die Beendigung der Beziehung der Mitarbeiterin im Bilde und sich zwei Tage später am 31. Mai 2014, 20:35 Uhr mit einer SMS an diese gewandt: „Liebe Frau … geht´s Ihnen gut? Liebe Grüße vom … -Platz, meinem Lieblingsort. Vielleicht sind Sie ja mal in der Stimmung, mit mir hier einen Sekt zu trinken. Wünsche Ihnen viel Kraft und eine schöne Zeit, …“. Die Mitarbeiterin habe sich zum Zeitpunkt dieser SMS im Urlaub befunden und das Angebot ignoriert. Nachdem sie privaten Gesprächen aus dem Weg gegangen sei, habe der Kläger gereizt, teils in aggressivem Tonfall und teils mit zusätzlichen dienstlichen Anforderungen reagiert. Der Kläger habe die Volontärin wie auch die anderen Frauen ungefragt mit Vornamen und „Sie“, bei Verärgerung mit dem Nachnamen angesprochen. Umgekehrt habe er keine Anrede mit seinem Vornamen angeboten.

Randnummer24
Betreffend die in der Zeit vom 1. August 2015 bis Mitte Mai 2017 dem Kläger direkt unterstellte Mitarbeiterin: Der Kläger habe diese zum Bewerbungsgespräch am Abend in die Goldene Harfe eingeladen und anschließend in eine weitere Kneipe. Als die Mitarbeiterin dort gegen 24:00 Uhr einen zweiten Drink abgelehnt habe, habe der Kläger erklärt, er habe sie „nun zwar ein Stück weit auch privat kennengelernt“, könne aber keine Aussage machen, ob er sie in seinem Team sehe, dies werde er morgen um 9:00 Uhr im Büro mitteilen. Es habe Einladungen gegeben, ihr Berlin zu zeigen, sowie Schilderungen von Details aus seinem Sexualleben bis hin zu der Frage an die Mitarbeiterin „Wann können wir denn mal Sex haben?“ Der Kläger habe die Mitarbeiterin aufgefordert, ihre Arbeitszeit „berlinfreundlich“ zu gestalten und am Abend länger zu bleiben. Bei Veranstaltungen habe der Kläger die Mitarbeiterin alkoholisiert mit dem Vornamen vorgestellt, mit Alkoholkonsum sei die Anzahl der Berührungen gestiegen. Am Abend des 12. November 2015 habe der Kläger diese und zwei weitere junge Mitarbeiterinnen nach einer Veranstaltung in der Estnischen Botschaft in seinem Auto mitgenommen, sei kurz nach seiner Anfahrt wegen seiner Fahrweise von der Polizei angehalten worden und habe den Führerschein abgeben müssen. Am nächsten Morgen habe der Kläger gegenüber dem Direktor der Beklagten erklärt, er sei mit seinem Team „saufen“ gewesen. Auf den Einwand der Mitarbeiterin, dies vermittle einen falschen Eindruck über den Abend, habe der Kläger ihr das bewusste Vergiften der Teamatmosphäre vorgeworfen.

Randnummer25
Betreffend die Mitarbeiterin im Freiwilligen Sozialen Jahr vom 1. September 2014 bis 31. August 2015: Es habe regelmäßige Einladungen an diese und eine weitere FSJ-lerin gegeben, mit dem Kläger nach der Arbeit etwas trinken zu gehen oder in seiner Wohnung zu kochen, später seien diese Einladungen nur an sie gegangen, wenn sie zwischen 18:00 Uhr und 19:00 Uhr noch alleine im Büro gewesen sei. Die Mitarbeiterin habe anfangs mit Ausflüchten, später nur mit einem „Nein“ abgelehnt und dann meistens das Büro verlassen, um Reaktionen zu vermeiden. Die Ablehnung von Einladungen ca. ein- bis zweimal im Monat habe zu Schikanen wie Bloßstellen vor Kollegen und auffallend hoher Arbeitsbelastung geführt. Der Kläger habe spätabendliche SMS an die Mitarbeiterin geschickt wie u.a. am 21. Januar 2015, 01:08 Uhr: „Schlafen Sie gut und haben Sie einen schönen Tag morgen. Ich hoffe, er wird Ihnen gut tun. Sie Geheimnisvolle“ und am 27. Mai 2015 um 22.12 Uhr: „Liebe …, miss you. Geht es Ihnen gut? LG …“ (siehe im Übrigen Bl. 403-404 d.A.).

Randnummer26
Betreffend die Mitarbeiterin, die zunächst als studentische Mitarbeiterin in der pädagogischen Arbeit und in der Zeit vom 17. Juli 2017 bis 29. Januar 2018 als Volontärin dem Kläger unterstellt gewesen sei: Der Kläger habe fortlaufend ihre Kleidung kommentiert, sie „die hübsche junge Frau in der Gedenkstätte“ genannt und über eine andere Volontärin gesagt, sie habe „einen knackigen Arsch“. Von Kolleginnen habe sie über Zudringlichkeiten und nächtliche Nachrichten auf private Handys gehört, was sie für glaubwürdig halte.

Randnummer27
Betreffend die freiberufliche Referentin der Stiftung in der Zeit von Dezember 2015 bis Ende 2016 und Bereichsleiterin von März 2017 bis Dezember 2017: Diese habe in ihrer Zeit als Bereichsleiterin Kenntnis von Belästigungen durch die Volontärinnen erhalten, die sich ihr anvertraut hätten.

Randnummer28
Alle Frauen hätten übereinstimmend von einem Alkoholkonsum, regelmäßige Einladungen zu Bier und Wein auch alleine mit dem Kläger und anzüglichen Bemerkungen und Gesprächen mit sexuellem Bezug berichtet.

Randnummer29
Darüber hinaus habe der studentische Mitarbeiter mit E-Mail vom 5. Juli 2018 mitgeteilt, der Kläger habe Mitarbeiterinnen anders als männliche Mitarbeiter zu sich nach Hause eingeladen, es sei das Gefühl entstanden, dass Frauen mit 18 oder 19 Jahren solche Angebote aus Pflichtgefühl annahmen und dem Kläger als Vorgesetzten ausgeliefert gewesen seien.

Randnummer30
Nach der Anhörung am 9. August 2018 habe sich die Volontärin gemeldet, deren Volontariat in der Zeit von März bis Oktober 2017 geruht habe. Diese habe während dieser Zeit diverse WhatsApp-Nachrichten mit Einladungen erhalten, z.B. „Lust auf ein Glas Bier oder Wein?“, „Was hältst du von einem spontanen Glas Wein?“, „“Liebe …, happy birthday to you. Ich singe mal lieber nicht. Was machst Du denn heute so? Bist Du in Berlin? Wollen wir feiern?“ (s. im Einzelnen Bl. 408 d.A.).

Randnummer31
Ebenfalls nach der Anhörung am 9. August 2018 habe sich die von Juni 2016 bis August 2016 in der Gedenkstätte eingesetzte, zu diesem Zeitpunkt 20-jährige Praktikantin gemeldet. Diese habe berichtet, nach einer Veranstaltung anlässlich von Feierlichkeiten zum Gedenken an den 17. Juni 1953 habe der Kläger den beiden Volontärinnen, den beiden FSJ-lerinnen und der Praktikantin vorgeschlagen, anschließend noch gemeinsam etwas trinken zu gehen. Die Gruppe habe sich gegen 19:00 Uhr getrennt, der Kläger und sie hätten den gleichen Heimweg gehabt und seien gemeinsam mit der U-Bahn gefahren. Der Kläger habe sie gefragt, ob man noch gemeinsam etwas essen gehen wolle und sie in ein Restaurant in der Nähe des Nollendorfplatzes und anschließend in zwei weitere Kneipen zu „Absackern“ eingeladen. Im Folgenden habe der Kläger die Praktikantin in seine Wohnung gebracht, sich neben sie auf die Couch gesetzt und seine Hand auf ihren Oberschenkel gelegt. Dort habe seine Hand längere Zeit mit langsamer Bewegung in Richtung Innenseite des Oberschenkels und Schritt gelegen. Der Kläger habe gefragt, ob sie nicht bei ihm übernachten wolle. Die Praktikantin habe dies abgelehnt und die Wohnung umgehend verlassen wollen, wobei der Kläger sie an der Wohnungstür aufgehalten und mehrfach gefragt habe, ob sie nicht doch bei ihm übernachten wolle. Nach einer längeren Umarmung habe sie die Wohnung verlassen und sei mit der U-Bahn nach Hause gefahren.

Randnummer32
Der Kläger erwiderte auf dieses Schreiben vom 7. September 2018 mit Schreiben vom 12. September 2018, er werde künftig jeden Versuch unterlassen, mit Mitarbeiterinnen oder Kolleginnen privaten Kontakt aufzunehmen und sich mit Ausnahme eines Händeschüttelns jeder Körperlichkeit enthalten. Ungeachtet der erheblichen Irritation, die das Vorgehen der bisher beteiligten Personen auslöse, bedauere er und entschuldige sich, wenn seine Verhaltensweisen in der Vergangenheit offensichtlich als störend, unsachlich oder verfehlt wahrgenommen worden seien. Ersichtlich habe die Beklagte nach dem Hinweis in der Anhörung auf den bereits 2016 erledigten Vorgang im Nachgang nach weiteren angeblichen Vorfällen gesucht. Aus den weiteren Erklärungen ergäben sich keine arbeitsrechtlich relevanten Vorwürfe. Der Austausch mit Frau G.G. sei während des Ruhens des Volontariats erfolgt und enthalte darüber hinaus nichts Anrüchiges. Frau H.H. habe sich in seine Wohnung begeben, dann aber nicht in der Wohnung bleiben wollen und diese ungehindert wieder verlassen. Die Schilderung sei mit unwahren Details ausgeschmückt, um diesen von ganz anderen Themen bestimmten Abend einen sexuellen Charakter zu geben.

Randnummer33
Mit Schreiben vom 24. September 2018 wurde der Kläger freigestellt. In der Sitzung des Stiftungsrates am 25. September 2018 beschloss der Stiftungsrat die ordentliche Kündigung des Anstellungsverhältnisses des Klägers. Mit Schreiben vom 25. September 2018 erklärte die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2018.

Randnummer34
Mit Schreiben vom 21. Februar 2019 erklärte die Beklagte vorsorglich die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Randnummer35
Mit seiner am 5. Oktober 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 11. Oktober 2018 zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung vom 25. September 2018 und mit seiner am 6. März 2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klageerweiterung die Unwirksamkeit der Kündigung vom 21. Februar 2019 geltend gemacht und zur Begründung ausgeführt:

Randnummer36
Auf das Arbeitsverhältnis finde ungeachtet der fehlenden arbeitsvertraglichen Bezugnahme aufgrund der am 21. Juni 2018 in Kraft getretenen Änderung des Gesetzes zur Errichtung der Beklagten als Stiftung der TV-L Anwendung.

Randnummer37
Die Kündigung vom 25. September 2018 sei unwirksam.

Randnummer38
Für eine Verdachtskündigung fehle es an der erforderlichen ordnungsgemäßen Anhörung. Es sei unklar, wer hier in welcher Funktion aufgetreten sei, auch habe die Prozessbevollmächtigte vor Ausspruch der Kündigung nicht klargestellt, wen genau sie vertrete. So könne die erfolgte Anhörung der Beklagten nicht zugerechnet werden. Zudem habe er angesichts eines Vorhaltes von viele Jahre zurückliegenden SMS-Nachrichten in der Anhörung keine Möglichkeit gehabt, diese nachzuvollziehen und sich näher einzulassen. Das ihm erstmals im Verfahren vorgelegte Protokoll sei unvollständig. Offensichtlich sei sämtlichen Anhörenden nicht bekannt gewesen, dass es im März 2016 ein Gespräch mit dem Vorgesetzten gegeben habe, in dem genau diese Vorwürfe zur Sprache gekommen arbeitsrechtlich abgearbeitet worden seien.

Randnummer39
Für eine Tatkündigung fehle es an Taten, die diese rechtfertigen könnten.

Randnummer40
Unabhängig davon, ob der Vorhalt am 1. März 2016 als Abmahnung anzusehen sei oder nicht, könne sich die Beklagte zur Begründung der Kündigung nicht auf bereits 2016 bekannte Vorwürfe beziehen. Aus dem weiteren Schreiben des Direktors vom 1. März 2016 an den Staatssekretär ergebe sich zudem, dass man in den damaligen Vorwürfen keinen Grund für weitere arbeitsrechtliche Maßnahmen gesehen habe. Die Beklagte trage selbst keine Beschwerden über körperliche Berührungen am Arbeitsplatz seit März 2016 vor. Letztlich bleibe nur die Nachricht an Frau G.G., dass er sie für schön halte und die Tatsache, dass er dem Wunsch von Frau H.H. nachgekommen sei, das Gespräch in seiner Wohnung fortzusetzen. Hierin liege jedoch keine Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten.

Randnummer41
Es liege weder eine sexuelle Belästigung noch ein Verstoß gegen eine vermeintliche Unterlassungserklärung vor. In dem Vermerk 2016 liege keine solche, erst recht keine hinreichend konkrete. Unabhängig hiervon wäre ein Verzicht auf jegliche privaten Kontakte nicht mit allgemeinen Persönlichkeitsrechten vereinbar.

Randnummer42
Die Anschuldigungen von Frau F.F. seien frei erfunden. Er sei lediglich wenige Tage ihr Vorgesetzter gewesen, hierzu sei es ohne Einflussnahme von seiner Seite aufgrund eines anderweitigen Personalwechsels gekommen. Zwischen ihm und Frau F.F. habe es während deren Tätigkeit in der Gedenkstätte ein einziges Gespräch auf Wunsch von Frau F.F. in seinem Büro gegeben, weil diese in den Arbeitsbereich Ausstellungen habe wechseln wollen, wo allerdings kein Platz frei gewesen sei. Es sei in diesem Zusammenhang weder zu Komplimenten, nahem Herantreten, intensiven Blicken oder dergleichen gekommen.

Randnummer43
Die Angaben von Frau C.C. seien unverwertbar, diese seien teilweise frei erfunden beziehungsweise in wichtigen Details nachweislich gelogen. Er habe sich nicht nur mit weiblichen Bewerberinnen zumeist in Lokalitäten für Bewerbungsgespräche getroffen, sondern auch mit männlichen, z.B. dem künftigen Verwaltungsleiter. Dies sei weder unzulässig noch unüblich. Aufgrund der Auslastung durch seine Arbeit sei es tagsüber nur schwer möglich gewesen, Bewerbungsgespräche in seine Arbeitsabläufe einzufügen. Er habe sich bei jedem Gespräch, sichtbar für seinen Gesprächspartner, ausführliche Notizen gemacht.

Randnummer44
Zu dem Gespräch mit Frau C.C. am 16. Juni 2015 sei es gekommen, nachdem er einen eigentlich an diesem Tag um 10:00 Uhr vereinbarten Gesprächstermin gemeinsam mit weiteren Mitarbeitern aufgrund eines anderweitigen Termins habe absagen müssen. Dies sei für beide Beteiligte unglücklich gewesen. Er habe bei dem Gespräch dabei sein wollen und Frau C.C. habe gewollt, dass er dabei sei. Sie habe mitgeteilt, sie sei auf Wohnungssuche und habe um 19:00 Uhr eine Besichtigung in Kreuzberg. Er habe Frau C.C., die aus Heidelberg komme, erzählt, dass seine Lebensgefährtin ebenfalls aus Heidelberg komme. Es gebe keine Affäre in Hellersdorf, hier würden aus Versatzstücken unzutreffende Geschichten zusammengesetzt.

Randnummer45
Frau C.C. habe ihrerseits Treffen angeregt, so z.B. „Lieber Herr F. Okay. Ich wäre bereit. Allerdings muss ich auf ein günstiges Bier in einem Park bestehen. Wie wäre der Park bei Ihnen um die Ecke.“ Oder „schaffen wir das mit dem essen wohl nochmal?“, „evtl. ein Glas Wein?“ oder „Bierchen?“. Sie habe ihrerseits die Kommunikation mitten in der Nacht eröffnet, z.B. um 21:56 Uhr „Mir ist langweilig. Es ist dunkel.Das Internet ist kaputt und ixh kann kein Film schauen. Was machst du?“ oder um 02:48 Uhr „Sag mal hattest du Montag ein bes ref Berwerbungs gespräch mit einem hanjost […] Ups du hast geschlafen. Entschuldige bitte“. Auch habe Frau C.C. ihrerseits bereits knapp zwei Wochen nach ihrer Einstellung ihr eigenes sexuelles Verhalten thematisiert und mit Nachricht vom 27. Oktober 2015 um 0:46 Uhr ausgeführt „Hätte mir jemand vor Zehn Jahren gesagt, dass ich wie selbstverständlich drei Kerle habe und nachts unter der Woche mal eben am Bahnhof Zoo unterwegs bin, hätte ich demjenigen den Vogel gezeigt.“ Er habe mit Frau C.C. ein ausführliches Gespräch über Treue und Untreue und deren – relativer – Bedeutung geführt, weil er das Gefühl gehabt habe, diese empfinde diese Vierecksbeziehung als mit ihrem Eigenbild nur bedingt vereinbar. Angesichts von Äußerungen von Frau C.C. ihm gegenüber per WhatsApp wie „verliebt zu sein ist einfach tausend Mal besser als all der andere quatsch. Jetzt merke ich erst was […] für nen quatsch war und der sex ist eh viel besser“, die er ohne weitere Stellungnahme mit „Es gibt immer solche und solche Phasen im Leben“ kommentiert habe, sei nicht nachvollziehbar, dass diese sich angeblich durch eine angebliche Schilderung von Details aus seinem Sexualleben in der Ausübung ihrer Tätigkeit beeinträchtigt gefühlt habe, wie sie dies im Zuge einer medienwirksamen Eigendarstellung behauptet habe. Vielmehr habe der offene Umgang bei Frau C.C. offensichtlich zu der Fehlvorstellung geführt, dies räume ihr Sonderrechte bei der Arbeit ein, so eine fortlaufende Unpünktlichkeit, die auch bei den anderen Mitgliedern des Teams nicht gut angekommen sei. Das Einfordern eines pünktlichen Arbeitsbeginns sei kein Machtspiel. Frau C.C. habe noch am 1. Juli 2017 auf ihre Zusage für ein Referendariat und eine deshalb erforderliche Kündigung verwiesen und ausgeführt „Ohne die chance, bei euch zu arbeiten die du allein mir ermöglicht hast stünde ich nicht da wo ich stehe. … Einen schönen rest Urlaub: h. [Vorname]. Danke dass du an mich geglaubt hast.“

Randnummer46
Frau H.H. sei am Abend des 19. Juni 2016 zu nichts gezwungen worden. Nach dem Abschluss einer Veranstaltung seien Frau H.H., Frau C.C., Frau R. und er am 19. Juni 2016 übereingekommen, den Abschluss der Veranstaltungen zum 17. Juni 1953 angemessen zu feiern. In der offenen, gemütlichen Atmosphäre (s. hierzu das Foto Bl. 467 d.A.) sei es zu emotionalen, alle berührenden Bekenntnissen von Frau H.H. über die eigene Familiensituation gekommen. Frau H.H. und er hätten den gleichen Heimweg gehabt. Wie Frau R. bestätigen könne, habe Frau H.H. Frau R. ihr gegenüber ganz offen, gelöst und entspannt berichtet, man habe sich spontan entschlossen, noch etwas essen zu gehen. Das Gespräch über ihre familiäre Situation sei so gut verlaufen, dass sie dieses noch nicht habe beenden wollen, als man bereits bei seiner Wohnung angekommen sei. Dort habe man weitergesprochen, anschließend sei Frau H.H. nach Hause gegangen. Weder sei die Rede davon gewesen, sie sei betrunken gewesen noch von etwaigen unsittlichen Berührungen. Frau H.H. sei von Frau R. und Frau L. am folgenden Morgen als gelöst, fröhlich und offen wahrgenommen worden. Weder sei er mit Frau H.H. noch in mehreren Kneipen gewesen noch sei diese auch nur ansatzweise betrunken gewesen, bevor sie in seine Wohnung gegangen sei. Weitere Angaben von Frau H.H., wie sie die Beklagte nunmehr mit einer verspätetet eingereichten angeblichen E-Mail vortrage, seien offensichtlich unzutreffend. Angaben zur Dauer des Aufenthalts, Sonnenaufgang beim Nachhauseweg, Fahrt mit der U-Bahn-Linie U4 und Erinnerungslücken passten nicht zusammen.

Randnummer47
Auch betreffend Frau G.G. sei nicht nachvollziehbar, welche arbeitsrechtlich relevanten Vorwürfe die Kommunikation im Sommer 2017 begründen solle. Die Beklagte stelle diese unvollständig dar und lasse die Rückmeldungen von Frau G.G. u.a. betreffend den Abend nach dem zufälligen Treffen im Café („das war ein wirklich sehr lustiger Abend“) und Reaktionen auf Vorschläge („Ich halte dich auf dem Laufenden u.a. wie es nächste Woche bei mir aussieht und dann können wir das bei einem Kaffee besprechen“) aus (s. i.E. Bl. 470-477 d.A.). Er habe Frau G.G. nicht vorgeschlagen, bei ihm zu übernachten. Es habe auch keine unangemessenen Komplimente gegeben. Soweit er unstreitige dienstliche Versäumnisse gerügt habe, werde hieran deutlich, dass niemand einen Sonderstatus genossen habe.

Randnummer48
Aus der Erklärung von Frau L.L. ergebe sich wenig Greifbares. Anlässlich des von der Gruppe unternommenen Ausfluges sei die Frage aufgekommen, ob man baden gehen wolle. Eine der Anwesenden habe geäußert, er habe sicher keine Badehose dabei. Er habe daraufhin ohne jeden sexuellen Bezug erklärt, er habe eine schwarze Unterhose an, das gehe schon. Soweit Frau L.L. behaupte, eine FSJ-lerin habe erzählt, er habe diese nach ihrem Gynäkologen gefragt, treffe dies nicht zu. Die FSJ-lerin Frau O. habe ihm einmal eine Zahnärztin empfohlen. Der Anruf bei den Eltern von Frau L.L. sei erfolgt, um ausrichten zu lassen, dass die Bewerbung ihrer Tochter erfolgreich gewesen sei. Er habe zu diesem Zeitpunkt über keine andere unmittelbare Kontaktmöglichkeit verfügt.

Randnummer49
Der pauschale Vorwurf nächtlicher Arbeitsaufträge sei nicht einlassungsfähig. Darüber hinaus zeigten Erklärungen wie die von Frau G.G. am 1. Juli 2018 um 22:15 Uhr „Lieber Herr [d. Kläger], ich würde Sie eigentlich nie am Wochenende mit der Arbeit behelligen. Dennoch möchte ich Sie auf oben stehende Meldung aufmerksam machen“, dass es nicht unüblich gewesen sei, auch außerhalb der Arbeitszeit zu kommunizieren.

Randnummer50
Er sei weder Alkoholiker noch jemals alkoholisiert am Arbeitsplatz erschienen. Am 25. Februar 2016 sei er von der Polizei angehalten worden, dies aber nicht, weil er in Schlangenlinien gefahren sei. Er habe sich einem Alkoholtest unterziehen müssen, aufgrund eines Verstoßes gegen die 0,5-Promille-Grenze sei ein einmonatiges Fahrverbot erteilt worden. Er habe gelegentlich Beschäftigte im Auto bis zur relativ weit entfernten S-Bahn-Station mitgenommen.

Randnummer51
Betreffend Frau B.B. habe er zu spät begriffen, dass man bei einer Kollegin, die einen ablehne, keine Versuche machen sollte, diese „zurück“ ins Team zu holen, erst recht nicht durch Einladungen zum Essen oder gemeinsamen Kochen. Mit Frau B.B. habe es erhebliche Differenzen zu Themen, Art der Bearbeitung und Auswahl der Gäste bei Veranstaltungen gegeben. Der Vorgang, auf den sich die Beklagte beziehe, habe zu einer völlig verrenkten Halbumarmung geführt, weil Frau B.B. entgegen seiner Erwartung nicht einmal aufgestanden sei, als er mit offenen Armen auf sie zugekommen sei. Von einem „Drücken auf den Bauch“ könne aber keine Rede sein. Es sei auch wenig glaubwürdig, wenn Frau B.B. ihn ausdrücklich kritisiert habe, sich aber eines angeblich übergriffigen Verhaltens nicht habe erwehren können. Der SMS-Verkehr möge sich im Nachhinein als ungeschickt erweisen, habe aber keinen anstößigen Inhalt. Es habe kein sexuelles Interesse an Frau B.B. bestanden. Ein sonstiges unangemessenes Verhalten habe es nicht gegeben. Welche sexuellen Phantasien diese mit „Reiten ohne Sattel“ verbinde, wisse er nicht, er könne jedenfalls nicht ohne Sattel reiten. Er habe mit Frau B.B. eine politische Diskussion bezogen auf Ceausescu geführt, von einer „Umtriebigkeit“ seinerseits sei nicht die Rede gewesen. Nach seiner Erinnerung habe es drei Einladungen zum Glas Wein nach Feierabend gegeben, zwei davon habe sie angenommen. Kritik von seiner Seite an Frau B.B. habe es gegeben, weil diese entgegen ihrer Zusage bei der Bewerbung um die Stelle bei der Beklagten ihre Dissertation noch nicht fertiggestellt hatte und diesem Projekt mehr Aufmerksamkeit gewidmet habe als dienstlichen Aufgaben.

Randnummer52
Für Frau A.A. hätten sich sowohl der Direktor der Beklagten als auch er beruflich massiv eingesetzt. Ihr sei nach Beendigung des Volontariats vom Direktor eine überbrückende Stelle als Projektkoordinatorin angeboten worden, sie beide hätten deren Bewerbung beim Deutschen Historischen Museum ausdrücklich unterstützt. Die Angaben von Frau A.A. seien widersprüchlich. Es sei unglaubwürdig, dass jemand volle drei Stunden lang mit jemanden telefoniere, mit dem einen das Gespräch unangenehm sei. Falls das Telefonat Frau A.A. unangenehm gewesen sein sollte, habe er dies jedenfalls nicht gemerkt. Falls ihm die erforderliche Sensibilität gefehlt habe, tue ihm dies leid. Der vorgelegten Kommunikation lasse sich kein sexueller Bezug entnehmen. Möglicherweise erfüllten nicht alle die Anforderungen an eine distanzierte Kommunikation, soweit eine solche gewünscht werde. Insoweit sei dem Empfänger solcher Nachrichten zumutbar, höfliche Kritik zu üben, wenn die Art der Wortwahl als unangenehm empfunden werde. Am Abend des 14. Februar 2012 habe er sich in einer besonderen Situation befunden, weil einer seiner besten Freunde im Sterben gelegen habe.

Randnummer53
Er habe sich zu keinem Zeitpunkt über ein „Nein“ einer Mitarbeiterin zu irgendeiner Form der Kontaktaufnahme außerhalb der Dienstzeit hinweggesetzt. Dies werde auch von der Beklagten nicht behauptet.

Randnummer54
Ersichtlich gebe es unzutreffende Geschichten über ihn, die bei der Beklagten unter fortlaufender Ausschmückung weitergegeben würden (Nacht/Nacktbaden im Orankesee, Reiten ohne Sattel, Nackt-Aussperr-Fall, Betrunken beim EU-Vertreter, Swinger-Club etc.). Er habe während eines Empfangs im A.-Sp.-Haus anlässlich einer abfälligen Bemerkung der FSJ-lerin V. über Männer, die in Bordelle gehen, erläutert, dass es hierfür zulässige Gründe geben könne. So leide sein Freund R.W. an Parkinson und habe erhebliche Schwierigkeiten, Frauen kennenzulernen.

Randnummer55
Bei den Erklärungen von Frau E.E. handle es sich um unzutreffende und unsubstantiierte Angaben im Wesentlichen vom Hörensagen. Dasselbe gelte betreffend Frau I.I.. Er habe erzählt, er sei in Cap d’Agde gewesen und habe berichtet, es sei ihm merkwürdig vorgekommen, dass Menschen vor lauter FKK-Begeisterung auch nackt einkaufen. Frau I.I. sei ihrerseits auf ihn zugekommen und habe gesagt „Sie sind so ein Mensch, den muss man zur Begrüßung umarmen“ und habe ihn umarmt.

Randnummer56
Betreffend Frau D.D. ergäben sich keine greifbaren Pflichtverletzungen. Die Darstellung entspreche nicht den Tatsachen. Es sei Frau D.D. gewesen, die ihm offenbart habe, sie halte sich für psychisch labil und die in sein Büro gekommen sei und angefangen habe, über private Probleme zu sprechen. Er habe ihr professionelle Hilfe in Form einer Therapie nahegelegt und ihr zugesagt, die Arbeitszeiten anzupassen. Frau D.D. habe ihn am 19. Juni 2015 eingeladen, zusammen mit ihr und ihrem Freund eine Aufführung des Berliner Ensemble zu besuchen.

Randnummer57
Aus den weiteren Aussagen ergebe sich nichts Greifbares. Andere Beschäftigte hätten sich ausdrücklich für die Betreuung bedankt.

Randnummer58
Das Personalgespräch vom 1. März 2016 werde in dem Vermerk zutreffend wiedergegeben. Der Direktor habe zunächst versucht, Näheres zu ermitteln, aber keine konkreten Informationen erhalten. Gegenstand des Gesprächs seien Vorwürfe über körperliches Verhalten am Arbeitsplatz, das Versenden von Nachrichten, die „als privat empfunden werden“ und der Vorwurf der Kommunikation unter Alkoholeinfluss gewesen. Bis zu diesem Zeitpunkt habe sich niemand bei ihm direkt beschwert. Er habe sein Verhalten ab diesem Zeitpunkt angepasst, es gebe keine weiteren Pflichtverletzungen.

Randnummer59
Ein Auflösungsgrund liege nicht vor.

Randnummer60
Die Kündigung vom 21. Februar 2019 sei bereits deshalb unwirksam, weil gar nicht klar sei, welche vermeintlichen Unterlagen er hier noch herausgeben solle.

Randnummer61
Der Kläger hat beantragt,

Randnummer62
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 25.09.2018 der Beklagten, dem Kläger zugegangen am 25.09.2018, nicht aufgelöst worden ist;

Randnummer63
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche und auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Februar 2019 aufgelöst worden ist;

Randnummer64
3. den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Randnummer65
Die Beklagte hat beantragt,

Randnummer66
1. die Klage abzuweisen;

Randnummer67
2. hilfsweise das Arbeitsverhältnis der Parteien durch gerichtliche Entscheidung zum Ablauf des 31. Dezember 2018 aufzulösen, und zwar gegen Zahlung einer Abfindung durch die Beklagte an den Kläger, deren Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird.

Randnummer68
Zur Begründung hat die Beklagte im Wesentlichen geltend gemacht: Entgegen der Auffassung des Klägers finde der TV-L auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung. § 8 des Stiftungsgesetzes vom 21. Juni 2018 erlaube als Kann-Bestimmung die Anwendung des TV-L. Nehme man eine Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes an, liege der erforderliche Kündigungsgrund vor.

Randnummer69
Auf das Schreiben vom 6. August 2018 hin habe der Stiftungsratsvorsitzende am 14. Juni 2018 gemeinsam mit der Referentin Frau A. und der Frauenbeauftragten der Kulturverwaltung ein Gespräch mit den sechs Frauen geführt. Im Nachgang seien zur näheren Aufklärung Einzelgespräche durch Frau A. und die Prozessbevollmächtigte der Beklagten mit diesen und weiteren Beschäftigten der Beklagten geführt worden. Hier seien sexuelle und sonstige verbale und körperliche Belästigungen, ein übermäßiger dienstlicher und außerdienstlicher Alkoholkonsum und eine erhebliche Verletzung von Ausbildungs- und Fürsorgepflichten bestätigt worden. Im Einzelnen habe sich folgendes ergeben:

Randnummer70
Die Beklagte beruft sich auf von Frau A.A. wiedergegebene Vorgänge und Äußerungen, die dem Kläger bereits mit dem Anhörungsschreiben vom 7. September 2018 vorgehalten wurden. Die Situation habe Frau A.A. sehr belastet, die damalige Volontärin des Direktors habe sich eingesetzt, dass Frau A.A. deren Nachfolge antreten und zum Direktor wechseln könne. Ihre Anschlussbeschäftigung beim Deutschen Historischen Museum habe Frau A.A. unabhängig von der erst nach Durchführung des Bewerbungsverfahrens angebotenen Unterstützung des Direktors erhalten. Frau A.A. habe sich am 23. November 2015 an die Frauenbeauftragte der damals zuständigen Senatskanzlei mit der Bitte um Prüfung gewandt, ob der Fachbereich des Klägers im Hinblick auf dessen Belästigungen und Alkoholkonsum weiter für Volontäre und FSJ-ler geeignet sei.

Randnummer71
Ebenso betreffend Frau B.B.. Bezüglich der vom Kläger eingeräumten Umarmung habe diese durch Sitzenbleiben deutlich signalisiert, dass sie keine Berührung wolle. Wenn der Kläger eine solche trotz angeblich bestehender „Fehde“ erzwungen habe, wiege dies umso schwerer. Es habe bereits am ersten Arbeitstag eine unerwünscht enge Umarmung gegeben, die Begrüßungsrituale hätten sich im Folgenden nicht geändert. Frau B.B. habe sich weder außerhalb des Teams befunden noch seien die von Beginn an erfolgten Einladungen zum Kochen in die Wohnung und wiederholt zu Bier / Wein nach Feierabend durch den Kläger eine geeignete Teambildungsmaßnahme. Die Information durch Staatssekretär R. gegenüber dem Direktor der Beklagten über die Beschwerden von drei Frauen am 29. Februar 2016 sei erfolgt, nachdem Frau B.B. nach Ausscheiden und verfestigter anderweitiger Position ihr Einverständnis hierzu erteilt habe. Am 24. April 2016 habe der Kläger die Frauenvertreterin der Senatskanzlei auf die Beschwerde der ehemaligen Volontärin Frau B.B. angesprochen und erklärt, es habe aufgrund dieser Missverständnisse keine Volontärstellen mehr gegeben. Für ihn sei ein aufgelockertes Arbeitsklima wichtig, er habe als Rumäne eine andere Körpersprache, dies habe bisher nie zu Problemen geführt.

Randnummer72
Die Beklagte beruft sich auf von Frau C.C. wiedergegebene Vorgänge und Äußerungen, die dem Kläger mit dem Anhörungsschreiben vom 7. September 2018 vorgehalten wurden. Unerwünschte Einladungen oder unerwünschte SMS werfe sie betreffend Frau C.C. nicht vor. Bei dem Vorstellungsgespräch für ein nicht vergütetes Praktikum auf Einladung des Klägers habe dieser ein Abendessen zu sich genommen und Alkohol getrunken, während Frau C.C. eine Limonade getrunken und ihn über ihre Motivation und Qualifikation informiert habe. Der Kläger habe dann den Wechsel in ein weiteres Lokal vorgeschlagen, wobei für Frau C.C. nicht ersichtlich gewesen sei, ob das Vorstellungsgespräch beendet gewesen sei. Diese habe sich im zweiten Lokal auf ein alkoholisches Getränk einladen lassen. Als sie sowohl das Angebot eines zweiten Drinks als auch das Angebot, sie mit dem Auto nach Hause zu fahren abgelehnt habe, habe der Kläger erklärt, er möchte noch keine Aussage machen, ob er sie in seinem Team sehe, sie solle am nächsten Tag um 9:00 Uhr in der Gedenkstelle vorstellig werden. Der Kläger habe Frau C.C. über eine Beziehung mit einer Studentin in Heidelberg berichtet sowie, eine in Hellersdorf lebende Frau aus einer früheren Beziehung melde sich, wenn sie sexuelle Kontakte wünsche. Er habe Frau C.C. über einen Besuch bei dieser Frau, den von ihr aus der Hose gezogenen Gürtel und die Befürchtung, ohne Hose in der U-Bahn zu stehen per SMS aus der U-Bahn informiert. Er habe gegenüber Frau C.C. erklärt, sexuelle Treue sei für ihn in einer Beziehung keine Kategorie, wie er auch selbst einräume. Bei einem Gespräch über die N.-Straße habe der Kläger ausgeführt, er kenne die Straße aufgrund eines Swingerclubs und kichernd mitgeteilt, den Laden kenne er auch von innen. Der Kläger habe Frau C.C. einen Babysitterjob bei einer Nachbarin in seinem Wohnhaus vermittelt und sie auf dem Weg mitgenommen, vor dem Babysitten etwas zu essen angeboten und sie eingeladen, danach noch auf ein Glas Wein zu ihm zu kommen. Im weiteren Verlauf habe er ihr angeboten, sie könne in seinem Bett schlafen, er würde sie auch nicht anfassen. Frau C.C. habe dies abgelehnt, sich auf sein Sofa gelegt und nachts die Wohnung verlassen. Da die Haustür abgeschlossen gewesen sei, habe sie nochmals zur Wohnung des Klägers gehen müssen, der ihr in Unterhose geöffnet habe.

Randnummer73
Die Beklagte beruft sich auf von Frau D.D. wiedergegebene Vorgänge und Äußerungen, die dem Kläger mit dem Anhörungsschreiben vom 7. September 2018 vorgehalten wurden. Frau D.D. habe den Kläger nicht eingeladen, auch nicht zu der Theatervorstellung im Berliner Ensemble. Vielmehr habe der Kläger im Büro am späten Nachmittag vorgeschlagen, mit ihm nach der Arbeit noch etwas trinken zu gehen. Dies habe sie mit dem Hinweis abgelehnt, sie wolle mit Freunden ins Berliner Ensemble gehen. Der Kläger habe erklärt, er wolle das Theaterstück auch sehen und gefragt, ob er sich mit einer Freundin anschließen könne. Frau D.D. habe ihre Psychotherapie in Bezug auf ihre Arbeitszeiten mitgeteilt, ansonsten aber weder über private Probleme noch Gründe für diese gesprochen. Der Kläger habe sie deshalb in seiner SMS vom 21. Januar 2015 um 01:08 Uhr nachts als „Geheimnisvolle“ bezeichnet.

Randnummer74
Nach den Beschwerden bei der Frauenbeauftragten der Kulturverwaltung des Landes Berlin sei der Beklagten seit Mai 2015 zunächst kein wissenschaftliches Volontariat mehr zugewiesen worden. Nachdem die Beklagte ab März 2017 eine Bereichsleiterin eingestellt habe, sei Frau F.F. dieser zur Ausbildung zugeordnet worden. Nach Kündigung der Bereichsleiterin Ende September 2017 in der Probezeit und Erkrankung derselben ab Oktober 2017 sei der Kläger Ausbilder von Frau F.F. geworden. Dieser seien intensive Blicke und Komplimente, die sich auf das Aussehen einschließlich Kleidung bezogen, breitbeiniges höhergestelltes Sitzen im Büro und nahes Herankommen an den Körper durch seitliches Herantreten sehr unangenehm gewesen.

Randnummer75
Die Beklagte beruft sich auf die Äußerungen von Frau E.E., die dem Kläger bereits mit dem Anhörungsschreiben vom 7. September 2018 vorgehalten wurden. Der Kläger habe nur unterstellte Frauen belästigt.

Randnummer76
Die Beklagte beruft sich auf von Frau G.G. wiedergegebene Vorgänge und Äußerungen, die dem Kläger mit dem Anhörungsschreiben vom 7. September 2018 vorgehalten wurden. Zu Beginn des Volontariats habe der Kläger Frau G.G. und eine FSJ-lerin gebeten, in der Küche der Gedenkstätte zu kochen, und ihnen Geld für den Supermarkt mitgegeben. Frau G.G. und die FSJ-lerin hätten später erklärt, sie seien Vegetarierinnen geworden, um nicht kochen zu müssen. Ende 2016 habe der Kläger Frau G.G. und ihre Kollegin gebeten, ihm bei Ikea ein Waschbecken nebst Unterschrank zu besorgen, was sie abgelehnt hätten. Nachdem der Kläger den Frauen mitgeteilt habe, er sei zu Silvester bei der Familie seiner 26-jährigen Freundin eingeladen, habe er beide nach Silvester gebeten, ihm beim Aufbau seines neuen Bettes zu helfen, was diese abgelehnt hätten. Während des vereinbarten Ruhens des Volontariats hätten Frau G.G. und eine Kollegin den Kläger in einem Café in Begleitung der Tochter des Direktors der Beklagten getroffen und sich auf dessen Einladung dazugesetzt. Frau G.G. habe geäußert, dass sie nicht besonders viel Alkohol vertrage. Nachdem sich die Kollegin verabschiedet und Frau G.G. es abgelehnt habe, weiter um die Häuser zu ziehen, habe der Kläger vorgeschlagen in seine Wohnung zu gehen. Frau G.G. sei mitgekommen, weil die Tochter des Direktors ebenfalls dabei gewesen sei. Dort habe der Kläger sie durch alle Räume geführt und Wein und Käse angeboten, weiter habe der Kläger Frau G.G. angeboten, bei ihm zu übernachten. Frau G.G. habe die Wohnung irritiert schnellstmöglich verlassen und auf folgende WhatsApp-Nachrichten zunächst freundlich geantwortet, weil ihr der Verlauf des Abends peinlich gewesen sei. Auch nachdem Frau G.G. am 3. April 2017 erklärt habe, sie werde sich wieder melden, habe der Kläger sie mit einer Vielzahl von Nachrichten weiter auf ein Treffen gedrängt. Auch nach dem vom Kläger vorgelegten WhatsApp-Verlauf habe Frau G.G. überwiegend nicht geantwortet, während der Kläger laufend weitere Treffen vorgeschlagen habe. Nach Ablauf des Ruhenszeitraums habe Frau G.G. versucht, nur auf Arbeitsebene zu kommunizieren, was sich als schwierig erwiesen habe, in Folge ihres distanzierten Verhaltens sei sie nur noch kritisiert worden. Als Frau G.G. auf dem Weg ins Fitnessstudio gewesen sei, habe der Kläger erklärt, er gehe gerne in die Sauna und ob es dort eine Sauna gebe, er sei auf der Suche nach einer solchen. Sie habe geäußert, es handle sich um ein Frauenfitnessstudio.

Randnummer77
Die Beklagte beruft sich auf von Frau H.H. wiedergegebene Vorgänge und Äußerungen, die dem Kläger bereits mit dem Anhörungsschreiben vom 7. September 2018 vorgehalten wurden. Mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2019 trägt die Beklagte unter Vorlage einer Schilderung des Ablaufes des Abends von Frau H.H. vom 24. Oktober 2019 (s. Bl. 744 d.A.) hierzu vor, der Kläger habe sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht als „Beichtvater“ dargestellt. Aufgabe des Klägers als Ausbilder und Vorgesetzter wäre es gewesen, die 20-jährige Praktikantin nach dem gemeinsamen Biergartenbesuch, jedenfalls nach dem Besuch des Restaurants zur Heimfahrt zu veranlassen und nicht in seine Wohnung mitzunehmen.

Randnummer78
Die Beklagte beruft sich auf von Herrn J.J. wiedergegebene Vorgänge und Äußerungen, die dem Kläger bereits mit dem Anhörungsschreiben vom 7. September 2018 vorgehalten wurden. Herr J.J. habe sich am 8. Februar 2018 und damit bereits vor Bekanntwerden der Vorwürfe an die Frauenbeauftragte gewandt.

Randnummer79
Frau I.I. habe am 24. September 2018 mitgeteilt, der Kläger habe beim Mittagessen in großer Runde mit ca. fünf bis sechs Beschäftigten von seinem Urlaub in einem Nudistendorf in Frankreich, Cap d’Agde berichtet, und zwar insbesondere von einer dort häufig von ihm aufgesuchten Swingerbucht.

Randnummer80
Frau K.K. habe berichtet, der Kläger habe im September 2014 eine Eröffnungsrede im Forum Zeitgeschehen halten sollen, sei jedoch zu spät und stark alkoholisiert erschienen und habe einen Fahrradunfall behauptet.

Randnummer81
Frau L.L. habe nach Zugang der Kündigung erklärt, sie habe die Vermischung von Beruflichem und Privaten oft als unangenehm empfunden. Nach dem ersten Bewerbungsgespräch habe der Kläger bei ihren Eltern in Westdeutschland angerufen und diesen ausgerichtet, er wolle sie unbedingt haben. Vor ihrer Einstellung habe der Kläger mit ihr ein zweites Bewerbungsgespräch in einem Café „in lockerer Atmosphäre“ führen wollen, was sie abgelehnt und erklärt habe, sie werde in die Gedenkstätte kommen. Der Kläger habe sie gleich zu Beginn ihrer Tätigkeit mehrfach gefragt, ob sie nach der Arbeit mit ihm etwas trinken gehe, und dabei stets nur sie alleine eingeladen, es seien trotz konsequenter Ablehnung stets neue Einladungen erfolgt. Auch habe der Kläger rund um die Uhr per WhatsApp Arbeitsaufträge erteilt. Auf belustigte Bemerkungen von Frau L.L. habe der Kläger geäußert „Ach sind Sie süß!“ Anlässlich einer Weiterbildungsfahrt in Neustrelitz sei der Kläger zu dem Tisch von Frau L.L. und weiteren Beschäftigten gekommen und habe geäußert, er habe seine Badehose nicht dabei, würde aber immer einen schwarzen Slip tragen. Die FSJ-lerin, mit der Frau G.G. das Bett des Klägers hätte aufbauen sollen, habe ihr berichtet, der Kläger habe sie im Frühjahr / Sommer 2017 gefragt, zu welchem Gynäkologen sie gehe und ob sie mit ihm zufrieden sei. Der Direktor der Beklagten habe sie mehrfach gefragt, ob der Kläger sie auch gut behandle.

Randnummer82
In den unerwünschten Körperkontakten und Bemerkungen sexuellen Inhalts liege eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 12 Abs. 2 Landesgleichstellungsgesetz Berlin (LGG) und § 3 Abs. 4 AGG. Erforderlich hierfür sei nicht notwendig eine sexuelle Motivation, vielmehr sei eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz häufig Ausdruck von Hierarchien und Machtausübung. Das Merkmal der Unerwünschtheit erfordere nicht, dass die Betroffenen ihre ablehnende Einstellung aktiv verdeutlicht haben, maßgeblich sei vielmehr, ob die Unerwünschtheit objektiv erkennbar gewesen sei. Auch ohne sexuellen Bezug verbiete § 3 Abs. 3 AGG im Zusammenhang mit einem Grund im Sinne des § 1 AGG, hier des Geschlechtes, ein von Entwürdigungen gekennzeichnetes Umfeld. Vorgesetzte müssten damit rechnen, dass von ihnen ein förmlicheres Auftreten erwartet werde, als es unter gleichgeordneten Personen üblich wäre. Die fortgesetzten Zudringlichkeiten des Klägers durch nächtliche Anrufe und SMS nebst anzüglicher Einladungen, insbesondere in seine Wohnung seien hiermit nicht vereinbar und stellten Belästigungen dar. Darüber hinaus liege ein schwerer Verstoß gegen bestehende Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 BGB vor. Ein unerwünschtes Eindringen in die Privatsphäre beispielsweise durch Übersendung zahlreicher SMS könne zu einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten führen. Selbst wenn einzelne Handlungen hinzunehmen seien, könne sich aus der Gesamtschau eine Vertragspflichtverletzung ergeben. Mit seinem weiteren Verhalten habe der Kläger zudem gegen seine Zusicherung einer künftigen Unterlassung verstoßen. Junge Mitarbeiterinnen im Praktikum, Freiwilligen Sozialen Jahr oder wissenschaftlichen Volontariat bei einer öffentlichen Einrichtung dürften erwarten, dass ein grenzüberschreitendes Verhalten unterlassen werde. Zudem habe der Kläger durch sein Verhalten das Ansehen der Beklagten geschädigt.

Randnummer83
Darüber hinaus obliege dem Kläger als Ausbilder und Vorgesetztem eine besondere Fürsorgepflicht gegenüber ihm direkt unterstellten und zur Ausbildung anvertrauten jungen Frauen. Hiermit sei es nicht vereinbar, mit drei jungen Frauen auf der Rückfahrt von einer dienstlichen Veranstaltung erheblich alkoholisiert Auto zu fahren. Allein dies sei ein Kündigungsgrund. Der Kläger lege hierzu nur das erteilte Fahrverbot vor, ein solches werde bei einem Promillewert zwischen 0,5 und 1,09 verhängt. Auch darüber hinaus stelle der übermäßige Alkoholkonsum eine Pflichtverletzung dar. Der vormalige Direktor habe den Kläger in einer Runde aufgefordert „bisschen weniger trinken“.

Randnummer84
Der Kläger sei zu diesen Vorwürfen ordnungsgemäß angehört worden. In der mündlichen Anhörung habe der Kläger zu vielen Vorhalten keine Stellung genommen und darauf hingewiesen, es sei alles bereits 2016 geklärt worden.

Randnummer85
Die Vorwürfe seien durch den Vermerk über das Gespräch am 1. März 2016 nicht verbraucht. Vielmehr lasse der Vermerk erkennen, dass sich der Direktor eine endgültige Bewertung bei näherer Kenntnis der Beschwerden vorbehalte.

Randnummer86
Es liege im Hinblick auf das Verhalten des Klägers nach dem 1. März 2016 eine negative Prognose vor. Eine solche bestehe auch unabhängig hiervon. So habe der Kläger auch nach der Erklärung von Frau B.B., sie wolle Privat- und Berufsleben nicht vermischen, erneut unerwünschte Einladungen ausgesprochen. Letztlich werde diese bestätigt, wenn der Kläger im Verfahren geltend mache, es sei Sache der nachgeordneten Beschäftigten, klarzustellen, wenn nächtliche Nachrichten wie die hier vorliegenden unerwünscht seien. Eine anderweitige Beschäftigung des Klägers, die eine Wiederholungsgefahr ausschließe, gebe es nicht.

Randnummer87
Die vorsorglich ausgesprochene Kündigung vom 21. Februar 2019 sei berechtigt, weil der Kläger entgegen der vorherigen Aufforderung dienstliche Unterlagen nicht herausgegeben habe.

Randnummer88
Im Falle einer Unwirksamkeit der Kündigung sei das Arbeitsverhältnis jedenfalls aufzulösen, da auch im Hinblick auf die weiteren Äußerungen im Prozess die Voraussetzungen einer weiteren Zusammenarbeit nicht gegeben seien.

Randnummer89
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage durch Urteil vom 13. November 2019 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Kündigung vom 25. September 2018 sei wirksam, der erforderliche Kündigungsgrund gemäß § 1 Abs. 2 KSchG liege vor. Dies ergebe sich aus dem unstreitigen Sachverhalt. Der Kläger unterliege gemäß dem Arbeitsvertrag Pflichten als Vorgesetzter. Er habe als solcher nicht wissen können, ob das Verhalten seines Gegenübers seiner hierarchischen Stellung geschuldet sei. Entsprechend habe der Kläger es nicht zulassen dürfen, dass eine 20-jährige Praktikantin, die sich ihm gegenüber zuvor in familiären Fragen vertrauensvoll geäußert und alkoholische Getränke konsumiert habe, ihn in seine Privatwohnung begleite. Die Praktikantin habe in seiner Wohnung und auf seinem Sofa nichts zu suchen. Es obliege dem Kläger, sich gemäß den Hierarchiegrenzen zu verhalten, dies auch im Hinblick auf den erheblichen Unterschied an Lebenserfahrung. Die für eine Kündigung erforderliche negative Prognose sei gegeben. Da die Beklagte den Kläger in dem Personalgespräch am 1. März 2016 ausdrücklich darauf hingewiesen habe, ein distanzloses Verhalten gegenüber Mitarbeiterinnen zu unterlassen, der Kläger sich hieran aber nicht gehalten habe, sei auch künftig ein pflichtwidriges Verhalten zu erwarten.

Randnummer90
Gegen dieses ihm am 25. Februar 2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. März 2020 Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist am 25. Mai 2020 im Wesentlichen wie folgt begründet:

Randnummer91
Das Arbeitsgericht habe die Berechtigung der Kündigung auf andere Gründe als die Beklagte gestützt, was nicht zulässig sei. Auch die angeblich erfolgten Beschwerden bezögen sich nach Vortrag der Beklagten ausschließlich auf (sexuelle) Belästigungen, der dem Urteil zugrunde gelegte Sachverhalt habe hiermit nichts zu tun.

Randnummer92
Soweit das Arbeitsgericht im Rahmen der mündlichen Urteilsbegründung auf das in einem Restaurant geführte Bewerbungsgespräch mit Frau C.C. abgestellt habe, handle es sich mangels Personalhoheit nicht um ein Bewerbungsgespräch im technischen Sinne, zum anderen sei es durchaus üblich, Bewerbungsgespräche in einem Restaurant zu führen. Es handle sich um ein sozialadäquates Verhalten.

Randnummer93
In der Einladung von Frau H.H. in ein Restaurant und in die eigene Wohnung liege keine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten. Ein gemeinsames Essen in oder außerhalb der Arbeitszeit auch mit Vorgesetzten sei durchaus üblich. Das Arbeitsgericht unterstelle, dass Frau H.H. ihr Verhalten später bereuen könne und er dies hätte erkennen müsse, was mit dem Altersunterschied begründet werde. Weder habe Frau H.H. ihr Verhalten bereut noch liege hierin ein arbeitsrechtlich vorwerfbares Verhalten. Dass er bereit gewesen sei, Frau H.H., die äußerst „aufgekratzt“ gewesen sei und von ihrer Kindheit erzählt habe, ausführlich zuzuhören, sei kein sozial inadäquates Verhalten. Nichts Anderes gelte, wenn er diese Erzählungen nicht unterbreche, sondern Frau H.H. in seine Wohnung einlade. Letztlich unterstelle das Arbeitsgericht ohne Beweisaufnahme unzutreffend eine sexuelle Motivation und gehe davon aus, eine 20-jährige Frau sei unmündig, handlungsunfähig und wehrlos. Weiter nehme das Arbeitsgericht unzutreffend an, er sei in seiner Freizeit Vorgesetzter und könne nicht Privatperson sein. Ein Arbeitgeber könne jedoch nicht über seine Freizeit verfügen. Frau H.H. habe das Gespräch im Beisein ihrer Kolleginnen begonnen, insoweit sei dieses offenbar nicht von der Einordnung in eine Hierarchie geprägt gewesen. Selbst wenn man mit dem Arbeitsgericht unterstelle, Frau H.H. habe sozusagen in der guten Atmosphäre in der Gruppe übersehen, dass da ihr Vorgesetzter sitze, hätte sie das Thema Kindheit spätestens beim gemeinsamen Heimweg fallen lassen können. Sie habe dies nicht getan, da sie zu Recht zu keinem Zeitpunkt berufliche Konsequenzen befürchtet habe.

Randnummer94
Soweit ein Verhalten arbeitgeberseitig als unerwünscht angesehen werde, bedürfe es zudem einer vorherigen Abmahnung. Das Personalgespräch vom 1. März 2016 enthalte keine solche und könne deshalb nicht für eine negative Prognose herangezogen werden. Wie sich aus dem Schreiben des Direktors an die Senatsverwaltung ergebe, kannte dieser zu diesem Zeitpunkt keinen konkreten Sachverhalt, den er mit ihm hätte besprechen können. Ein zu unterlassendes Verhalten werde nicht ansatzweise hinreichend konkret gefasst. Ein ausdauerndes Zuhören und Nachfragen sei kein Kontakt in diesem Sinne. Er habe zwischen dem Gespräch, dem gemeinsamen Essen und der Einladung in seine Wohnung auf der einen Seite und der Tätigkeit von Frau H.H. auf der anderen Seite keine bewusste oder unbewusste, keine ausdrückliche oder unterschwellige Verbindung zum Arbeitsverhältnis hergestellt. Es sei schlicht die freie Entscheidung von Frau H.H. gewesen, diesen Abend mit ihm zu verbringen. Bereits der vorherige gemeinsame Besuch des Biergartens am 19. Juni 2016 sei keine dienstliche Veranstaltung gewesen.

Randnummer95
Eine Weisung, keine privaten Kontakte mit Kolleginnen und Kollegen zu unterhalten, wäre zudem rechtswidrig, weshalb selbst bei einer angenommenen Weisung ein Verstoß keine Kündigung rechtfertigen könne. Unabhängig hiervon sei es jedenfalls von Juni 2016 bis zum Ausspruch der Kündigung zu keinen weiteren Verstößen gekommen. Die Beschäftigung mit schweren Erlebnissen einer Mitarbeiterin durch ausdauerndes Zuhören und Nachfragen sei kein Kontakt in diesem Sinne. Das Gespräch sei kein Small Talk gewesen, vielmehr habe sich Frau H.H. an diesem Abend entschlossen, alles zu offenbaren, was sie offensichtlich jahrelang in sich verborgen gehabt habe. Dies habe zu einer erheblichen, von Kolleginnen wahrgenommenen Erleichterung geführt.

Randnummer96
Der Kläger beantragt,

Randnummer97
das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13.11.2019 – 60 Ca 13111/18 abzuändern und

Randnummer98
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 25.09.2018 der Beklagten, dem Kläger zugegangen am 25.09.2018, nicht aufgelöst worden ist;

Randnummer99
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche und auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 21. Februar 2019 aufgelöst worden ist;

Randnummer100
3. den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

Randnummer101
Die Beklagte beantragt,

Randnummer102
die Berufung zurückzuweisen,

Randnummer103
hilfsweise das Arbeitsverhältnis der Parteien durch gerichtliche Entscheidung zum Ablauf des 31. Dezember 2018 aufzulösen, und zwar gegen Zahlung einer Abfindung durch die Beklagte an den Kläger, deren Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird.

Randnummer104
Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Bezugnahme ihres erstinstanzlichen Vortrages. Die Ausführungen des Klägers in der Berufung führten zu keiner anderen Beurteilung, sondern seien vielmehr geeignet, die negative Prognose zu bestätigen. Entgegen der Darstellung des Klägers habe sie geltend gemacht, dass das Verhalten des Klägers auch ohne sexuelle Motivation die Kündigung rechtfertige. Maßstab für das Verhalten des Klägers sei seine Stellung als Vizedirektor und ständiger Vertreter des Vorstandes einer Stiftung öffentlichen Rechts. Als solcher habe der Kläger über Arbeitsverträge, auch beispielsweise über das Ruhen des Volontariats entschieden. Der Kläger selbst habe sein übergriffiges Verhalten gegenüber ihm unterstellten Mitarbeiterinnen mit einem Bemühen um ein Verhältnis auf Augenhöhe und Vertrauensbeweisen und damit dem bestehenden hierarchischen Verhältnis begründet. Nach dem ausdrücklichen Hinweis, dies zu unterlassen, habe er wiederum eine ihm zur Ausbildung zugewiesene Praktikantin nach übermäßigem Alkoholgenuss in seine Wohnung mitgenommen. Hier sei es nicht um ein von Gegenseitigkeit geprägtes privates Treffen gegangen, wie sich im Übrigen auch aus den Ausführungen in der Berufungsbegründung ergebe, er habe Aufmerksamkeit in eine zugeordnete Mitarbeiterin investiert. Zu dem Restaurantbesuch nebst folgenden Besuch in weiteren Lokalitäten und zuletzt der Wohnung des Klägers sei es nicht infolge einer von der Arbeit unabhängigen Einladung, sondern in Folge einer dienstlichen Veranstaltung gekommen. Der Kläger selbst habe in Gesprächen mit unterstellten Frauen mehrfach betont, er trenne Berufliches und Privates nicht.

Randnummer105
Betreffend das Vorstellungsgespräch um 19:00 Uhr in der „Goldene Harfe“ sei es durchaus möglich gewesen, das Gespräch am nächsten Tag in der Gedenkstätte zu führen. Dem Kläger sei es nur darum gegangen, seinen Kneipenbesuch mit der Vorstellung der Bewerberin zu verbinden.

Randnummer106
Auch ansonsten wechsle der Kläger nach Belieben seine Rolle als Dienstvorgesetzter und als an privaten Kontakten Interessierter, wie sich insbesondere aus den vorgelegten Nachrichten ergebe, letztlich behandle der Kläger ihm unterstellte junge weibliche Beschäftigte als Option für „private“ Kontakte. Auf eine sexuelle Motivation komme es letztlich nicht an, eine solche sei auch nicht Voraussetzung für das Vorliegen einer sexuellen Belästigung.

Randnummer107
Zu Recht stelle das Arbeitsgericht fest, dass die Stellung als „Beichtvater“ für Frau H.H. angesichts seiner Vorgesetztenstellung unangemessen gewesen sei. Seine Selbsteinschätzung, er habe aus Empathie gehandelt, bestätige das Fehlen jegliches Verständnisses für die Situation der Praktikantin.

Randnummer108
In der erwarteten und vom Kläger am 1. März 2016 zugesagten Rücksichtnahme liege kein unzulässiger Grundrechtseingriff.

Randnummer109
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Rechtsvortrages wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
Randnummer110
A. Die Berufung ist zulässig.

Randnummer111
Die gem. §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b), c) ArbGG statthafte Berufung ist frist- und formgerecht gem. § 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § § 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.

Randnummer112
B. Die Berufung ist nicht begründet.

Randnummer113
Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde durch die Kündigung mit Schreiben vom 25. September 2018 aufgelöst.

Randnummer114
I. Bei dem zwischen den Parteien vereinbarten Rechtsverhältnis handelt es sich um ein Arbeitsverhältnis. Der zugrundeliegende Vertrag ist als Arbeitsvertrag bezeichnet und ausgestaltet. Auf dieses Arbeitsverhältnis findet kein Tarifvertrag Anwendung. Weder besteht eine beiderseitige Tarifbindung noch wurde die Geltung eines Tarifvertrages im Arbeitsvertrag vereinbart. Zwar sieht § 8 des Gesetzes zur Errichtung der Beklagten als Stiftung in der Fassung des ersten Änderungsgesetzes vom 21. Juni 2018 vor, die Stiftung könne für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer das jeweils geltende Tarifrecht des Landes Berlin anwenden. Allein aus dieser Möglichkeit ergibt sich aber weder eine solche Vereinbarung noch eine Geltung unabhängig von einer solchen.

Randnummer115
II. Auf dieses Arbeitsverhältnis findet das Kündigungsschutzgesetz gem. § 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG Anwendung. Die Anwendbarkeit ist nicht nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ausgeschlossen, da der Kläger kein Organ der Beklagten ist. Auf den Beschluss vom 22. Januar 2019 (9 Ta 2458/18) betreffend den Rechtsweg wird Bezug genommen. Das hiernach erforderliche Vorliegen eines Kündigungsgrundes im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung ist aufgrund der Klageerhebung innerhalb der Frist gem. § 4 KSchG zu prüfen.

Randnummer116
III. Es liegt ein Kündigungsgrund vor, der die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, wie das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt hat.

Randnummer117
Eine Kündigung ist iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers bedingt und damit nicht sozial ungerechtfertigt, wenn dieser seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und in der Regel schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers über die Kündigungsfrist hinaus in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar ist (BAG, Urteil vom 07. Mai 2020 – 2 AZR 619/19 –, Rn. 15, juris m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

Randnummer118
Allerdings liegt keine sexuelle Nötigung vor, wie dies mit der Strafanzeige der Beklagten als Möglichkeit aufgezeigt wurde. Eine solche wird von der Beklagten im Verfahren nicht behauptet. Auch nach den Darstellungen der beschwerdeführenden Frauen gibt es keinerlei Anhaltspunkte für eine solche. Ob eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG als möglicher Grund für eine Kündigung vorliegt, kann dahingestellt bleiben. Die Kündigung ist unabhängig hiervon wirksam.

Randnummer119
Der Kläger hat seine Verhaltenspflichten als stellvertretender Direktor einer Stiftung öffentlichen Rechts gegenüber ihm nachgeordneten weiblichen Beschäftigten erheblich verletzt und dies auch nach ausdrücklicher Aufforderung zur Verhaltensänderung. Im Hinblick hierauf ist der Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus nicht zuzumuten.

Randnummer120
1. Der Kläger ist als stellvertretender Direktor verpflichtet, unerwünschte Umarmungen nachgeordneter Mitarbeiterinnen zu unterlassen.

Randnummer121
a) Die Beklagte als Arbeitgeberin ist verpflichtet, Persönlichkeitsrechte ihrer Arbeitnehmer zu schützen (BAG, Urteil vom 15. September 2016 – 8 AZR 351/15 –, Rn. 31, juris). Der Kläger als maßgeblich zur Umsetzung der Pflichten der Beklagten berufener stellvertretender Direktor hat dies umzusetzen und nicht seinerseits Persönlichkeitsrechte zu verletzen. Die Mitarbeiterinnen haben als Ausfluss ihrer Persönlichkeitsrechte Anspruch auf Unterlassung unerwünschter Umarmungen. Soweit Begrüßungen oder Verabschiedungen durch Umarmungen in gleichaltrigen oder hierarchisch gleichgestellten Gruppen üblich und insoweit ein regelmäßig anzunehmendes allseitiges Einverständnis angenommen werden könnte, gilt dies nicht bei einem erheblichen Alters- und Hierarchieunterschied und erst recht nicht, wenn Umarmungen als sexuell konnotiert angesehen werden könnten (vgl. Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen), Urteil vom 15. Dezember 2011 – 15 Sa 1236/11 –, Rn. 109, juris; BAG, Urteil vom 02. März 2017 – 2 AZR 698/15 –, Rn. 37, juris), wobei es nicht auf tatsächlich vorliegende sexuelle Absichten ankommt (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 –, BAGE 159, 267-277, Rn. 19). Eine unerwünschte Umarmung einer nachgeordneten Mitarbeiterin durch den Vorgesetzte kann bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird. Relevant ist entweder das Ergebnis oder die Absicht. Für das „Bewirken“ genügt der bloße Eintritt der Belästigung. Gegenteilige Absichten oder Vorstellungen der für dieses Ergebnis aufgrund ihres Verhaltens objektiv verantwortlichen Person spielen keine Rolle. Ebenso kommt es auf vorsätzliches Verhalten nicht an (BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 302/16 –, BAGE 159, 267-277, Rn. 20).

Randnummer122
b) Diese Pflicht hat der Kläger mit der Umarmung der auf ihrem Schreibtischstuhl sitzenden Frau B.B. verletzt. Bei einer Mitarbeiterin, die sitzen bleibt, wenn der Vorgesetzte mit offenen Armen auf sie zukommt, kann in der Regel nicht angenommen werden, sie sei mit einer Umarmung einverstanden, vielmehr wird im Gegenteil zum Ausdruck gebracht, es sei kein Körperkontakt erwünscht. Dass es gleichwohl Gründe gegeben haben könnte, von einem solchen Einverständnis auszugehen, ergibt sich auch aus dem Vortrag des Klägers nicht. Insbesondere eine Konfliktlage und eine aus Sicht des Klägers fehlende Wertschätzung lassen keinen Schluss auf eine erwünschte Umarmung zu. Soweit der Kläger der Mitarbeiterin eine gewisse Unhöflichkeit durch Sitzenbleiben vorhält, trifft es zu, dass die Höflichkeit ein Aufstehen gebietet. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn jemand am Arbeitsplatz zwecks Umarmung auf eine Mitarbeiterin zukommt und die Mitarbeiterin keine solche wünscht. In diesem Fall könnte ein Aufstehen womöglich als Einverständnis mit einer Umarmung gewertet werden. Eine solche aufgezwungene Umarmung ist geeignet, die Würde der betroffenen Mitarbeiterin zu verletzen.

Randnummer123
Für eine fehlende Rücksichtnahme auf möglicherweise nicht erwünschte Umarmungen spricht auch die nächtliche Mitteilung des Klägers gegenüber dieser Mitarbeiterin am 11. Juni 2013, 2:23 Uhr „Liebe … es tut mir leid dass wir uns heute so gar nicht richtig verabschiedet haben; nur auf der Treppe Tschüß. Ich hätte Sie gern umarmt. Nehmen Sie mir das nicht übel. Aber weil dieser Tag so anstrengend, hektisch und nervend war. Lieben Gruß, [Vorname]“. Es gibt keinen Grund für die Annahme, die seit zwei Monaten bei der Beklagten tätige Volontärin wünsche Umarmungen oder erwarte solche als angemessene Verabschiedung. Ein privates Verhältnis, das dies nahelegen könnte, behauptet auch der Kläger nicht. Eine nächtliche Erklärung, der Vorgesetzte hätte sie „gern umarmt“ erscheint befremdlich und kann auf Seiten der Volontärin die Sorge unerwünschter Umarmungen begründen.

Randnummer124
Es kann dahingestellt bleiben, ob Frau I.I. ihrerseits auf den Kläger zugekommen ist und gesagt hat „Sie sind so ein Mensch, den muss man zur Begrüßung umarmen“ und ihn umarmt habe. Aus einer solchen Äußerung wie auch einer Initiative zur Umarmung könnte sich ein Einverständnis von Frau I.I. mit Umarmungen auch über diesen einzelnen Fall hinaus ergeben. Für Umarmungen anderer Mitarbeiterinnen auf Initiative des Klägers ergibt sich hieraus nichts. Angesichts der Position von Frau I.I. ergäbe sich hieraus auch nicht, dass hier betriebliche Standards auch für andere gesetzt werden.

Randnummer125
2. Der Kläger darf als stellvertretender Direktor nachgeordnete Mitarbeiterinnen im Zusammenhang mit einer dienstlichen Veranstaltung nicht im Auto mitnehmen, wenn er aufgrund vorherigen Alkoholkonsums nicht fahren darf.

Randnummer126
a) Die Beklagte als Arbeitgeberin ist verpflichtet, die Gesundheit der bei ihr eingesetzten Praktikantinnen, Volontärinnen und Arbeitnehmerinnen zu schützen und nicht vorsätzlich zu gefährden. Der Kläger als maßgeblich zur Umsetzung der Pflichten der Beklagten berufener stellvertretender Direktor hat dies in seinem Verhalten als Vorgesetzter gegenüber diesen Beschäftigten umzusetzen und zu beachten. Hieraus folgt, dass der Kläger als solcher keine nachgeordneten Beschäftigten zum Mitfahren auffordern darf, wenn er aufgrund vorherigen Alkoholkonsums nicht fahren darf. Grund des Verbotes, bei einem Alkoholgehalt im Blut von über 0,5 Promille ein Fahrzeug zu fahren ist die eingeschränkte Fahrtauglichkeit und damit erhöhte Unfallgefahr.

Randnummer127
b) Gegen diese Verpflichtungen hat der Kläger am 25. Februar 2016 verstoßen. Der Kläger hat an diesem Tag drei nachgeordnete Mitarbeiterinnen im Anschluss an eine dienstliche Veranstaltung im Auto mitgenommen. Ob der Kläger von der Polizei auf dieser Fahrt aufgrund eines versehentlich nicht eingeschalteten Lichts angehalten wurde, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärte, oder aufgrund des Fahrstils, wie die Beklagte geltend macht, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls führten die von der Polizei vorgenommenen Feststellungen zu einem einmonatigen Fahrverbot, d.h. der Kläger durfte zu diesem Zeitpunkt aufgrund seines Blutalkoholgehaltes im Sinne des § 24a StVG kein Fahrzeug führen. Es geht um eine Heimfahrt von einer dienstlichen Veranstaltung, die der Kläger im Anschluss an die gemeinsame Teilnahme an dieser Veranstaltung aufgrund dieser Arbeitsbeziehung angeboten hat und kein erkennbar rein privates Angebot zur Mitnahme außerhalb dienstlicher Zusammenhänge.

Randnummer128
c) Umstände, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass die Mitarbeiterinnen ihrerseits den Kläger in Kenntnis der Alkoholisierung zur Mitnahme gedrängt hätten.

Randnummer129
3. Es steht Beschäftigten auch alters-, hierarchie- und geschlechtsübergreifend frei, ihre Freizeit gemeinsam nach ihrem Belieben zu verbringen. Der Kläger als stellvertretender Direktor einer Stiftung öffentlichen Rechts darf aber nachgeordnete zur Ausbildung zugewiesene Praktikantinnen, Volontärinnen oder sonstige Mitarbeiterinnen nicht mit dienstlicher Erwartungshaltung zum gemeinsamen Verbringen von Freizeit und Alkoholkonsum zu zweit anhalten oder drängen. In dem Gebot, die dienstliche Stellung als Vorgesetzter nicht für ein Einfordern von privater Zuwendung zu nutzen liegt kein unzulässiger Eingriff in Grundrechte des Klägers.

Randnummer130
a) Eine dienstliche Erwartung gemeinsamer Freizeit mag im Sinne von Teambildungsmaßnahmen und betreffend gemeinsame Veranstaltungen der Belegschaft gerechtfertigt sein. Um solche geht es aber nicht, wenn sich nicht ein Team, sondern nur der Vorgesetzte und die nachgeordnete Mitarbeiterin in ihrer Freizeit treffen sollen. Es gehört nicht zu den Pflichten jüngerer weiblicher Beschäftigter der Beklagten, lebensälteren Vorgesetzten in ihrer Freizeit Gesellschaft zu leisten. Entsprechend darf dies auch nicht eingefordert werden. Darüber hinaus ist ein Einfordern solcher Gesellschaft gegenüber jeweils einzelnen nachgeordneten Mitarbeiterinnen geeignet, den Ruf der Beklagten zu schädigen. Von einer öffentlichen Einrichtung wird erwartet, Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass weibliche Beschäftigte weder alleine mit einem Vorgesetzten Freizeit verbringen und Alkohol konsumieren noch begründen oder rechtfertigen müssen, wenn sie dies nicht wollen. Der Kläger ist als stellvertretender Direktor eine für den Ruf der Einrichtung besonders wichtige Person und im Hinblick hierauf in besonderem Maße gehalten, diese Pflichten nicht zu verletzen.

Randnummer131
b) Der Kläger hat gegenüber nachgeordneten Mitarbeiterinnen gemeinsame Freizeit nebst gemeinsamen Alkoholkonsum eingefordert bzw. hierzu so nachhaltig aufgefordert, dass dies als pflichtwidriges Drängen zu bewerten ist.

Randnummer132
(1) Dies durch Ansetzen eines Vorstellungsgesprächs betreffend die künftige Tätigkeit am Abend in einem Lokal nebst anschließender Einladung in ein weiteres Lokal zwecks gemeinsamen Alkoholkonsums.

Randnummer133
Wenn ein Vorstellungs- oder Kennenlerngespräch mit einer künftigen Praktikantin nicht in der Einrichtung geführt wird, sondern parallel zum Abendessen des Vorgesetzten und mit anschließendem Angebot, in einem weiteren Lokal gemeinsam ein alkoholisches Getränk zu sich zu nehmen, liegt hierin regelmäßig eine Aufforderung zu gemeinsamer Freizeit auf der Grundlage der Stellung als Vorgesetzter. In dem Angebot eines Treffens in einem Lokal und der Aussage, man halte es für sinnvoll, sich zwecks Kennenlernens zu treffen, liegt faktisch eine Aufforderung, dem Folge zu leisten. Wer ein Praktikum absolvieren will, sollte sich für eine Vorstellung nach den angebotenen Zeiten richten.

Randnummer134
Ein Treffen hat der Kläger Frau C.C. in der Goldenen Harfe angeboten. Auch wenn es, wie der Kläger vorträgt, nicht nur ihm, sondern gleichermaßen Frau C.C. sinnvoll erschien, sich kennenzulernen und der Kläger einen geplanten Termin in der Einrichtung aufgrund anderweitiger Termine nicht wahrnehmen konnte, ändert dies nichts daran, dass der Kläger diesen Termin angeboten hat.

Randnummer135
Dieses Gespräch diente auch nach Vortrag des Klägers dem Kennenlernen und der Klärung der Frage, ob Frau C.C. für das von ihr angestrebte Praktikum geeignet ist und es eine Grundlage für die Zusammenarbeit gibt. Wenn in einem solchen Treffen vom möglichen künftigen Vorgesetzten der Besuch eines weiteren Lokals vorgeschlagen wird, bleibt offen, ob das erforderliche Kennenlernen als Grundlage der möglichen weiteren Zusammenarbeit bereits abgeschlossen ist oder nicht. Ohne erkennbaren Abschluss durch den Vorgesetzten dauert die Vorstellungssituation an. Im Rahmen der Vorstellung besteht die Anforderung, sich möglichst erwartungsgemäß zu verhalten. Entsprechend legt ein solches Angebot es nahe, einer Einladung Folge zu leisten. Anders als möglicherweise für andere Tätigkeiten gibt es für die Tätigkeit als Praktikantin einer Stiftung öffentlichen Rechts keinen denkbaren Grund, Umgangsformen oder ähnliches durch das Auftreten in einer Bar oder Kneipe unter Beweis zu stellen. Ohne solche Grundlage bleibt es letztlich bei einer durch die Vorstellungssituation eingeforderten gemeinsamen Freizeit bei einem Drink.

Randnummer136
Hierin liegt eine Pflichtverletzung und zwar unabhängig davon, ob Frau C.C. mit diesem Vorgehen einverstanden war oder nicht, mehr oder weniger gerne noch gemeinsam mit dem Kläger in einem weiteren Lokal ein alkoholisches Getränk zu sich genommen hat oder diese Situation rückblickend anders bewertet als zum damaligen Zeitpunkt. Der Kläger vertritt eine öffentliche Institution und darf als Vertreter derselben Mitarbeiterinnen oder Bewerberinnen nicht dienstlich zu gemeinsamen abendlichen Kneipen- oder Barbesuchen auffordern. Eine private Beziehung unabhängig von der Position des Klägers als Grundlage für dieses Treffen kann bereits deshalb nicht bestanden haben, weil es um ein erstmaliges Kennenlernen ging. Es kann auch nicht festgestellt werden, dass jedenfalls der Besuch des zweiten Lokals zu einem Drink einvernehmlich aufgrund einer privaten Beziehung erfolgt wäre. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, wann die dienstliche Situation abgeschlossen war und man nunmehr ohne Zusammenhang mit der Entscheidung über das Praktikum privat unterwegs war. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, er habe sich bei jedem Gespräch, sichtbar für seinen Gesprächspartner, ausführliche Notizen gemacht, galt dies für dieses Gespräch unstreitig nicht. Entsprechend gab es keine weiteren Anhaltspunkte zu Beginn und Ende der Vorstellungssituation.

Randnummer137
Unabhängig hiervon stellt der Kläger in einem Vorstellungs- und Kennenlerngespräch auch die Beklagte als Institution vor. Mit dem Auftreten des stellvertretenden Direktors wird auch der Rahmen des erwarteten Umgangs und der Umgangsformen vorgestellt und mitgeprägt. Insofern mag eine lockere Vorstellung bei einem Drink in anderen Zusammenhängen adäquat sein, für eine öffentliche Institution wie die Beklagte ist sie es nicht. Das Angebot, mit dem möglichen künftigen Vorgesetzten bereits beim ersten Kennenlernen abends nach dem Besuch eines Restaurants in einem weiteren Lokal alkoholische Getränke zu konsumieren, ist geeignet, einen falschen Eindruck von den angemessenen Arbeitsbeziehungen in einer solchen Institution zu wecken.

Randnummer138
(2) Darüber hinaus hat der Kläger nachgeordnete Mitarbeiterinnen pflichtwidrig zum gemeinsamen Verbringen von Freizeit nebst Alkoholkonsum zu zweit bedrängt.

Randnummer139
Ein pflichtwidriges Ausnutzen der Stellung als Vorgesetzter zwecks Einfordern gemeinsamer Freizeit liegt alters- und geschlechtsunabhängig nicht vor, soweit Menschen privat befreundet sind und klargestellt ist, dass es um gemeinsame Freizeit aufgrund dieser privaten Beziehung geht und eine Ablehnung keine Nachteile bei der Arbeit hat. Ein pflichtwidriges Bedrängen liegt insbesondere vor, wenn eine Ablehnung nicht akzeptiert, sondern eine Rechtfertigung eingefordert wird oder ausdrücklich oder konkludent Nachteile bei der Arbeit im Falle der Nichtannahme in Aussicht gestellt werden. Besondere Zurückhaltung ist geboten bei Aufforderungen an jeweils einzelne, erheblich jüngere Mitarbeiterinnen, die im Hinblick auf ihre weitere berufliche Entwicklung in besonderem Maße abhängig sind. Diese können sich bereits aufgrund dieses Abhängigkeitsverhältnisses durch die Aufforderung bedrängt fühlen und Nachteile befürchten, wenn Wünsche des Vorgesetzten nicht erfüllt werden. Zurückhaltung ist hier auch deshalb geboten, weil aufgrund dieser Verhältnisse nicht ohne weiteres mit einem deutlichen Widerspruch gerechnet werden kann und sich entsprechend die Pflicht zur Zurückhaltung nicht erst aus einer ausdrücklichen Ablehnung von Einladungen ergibt. Es obliegt dem Vorgesetzten, diese Zurückhaltung walten zu lassen, dies insbesondere bei einer Einrichtung öffentlichen Rechts und damit außerhalb einer etwa gewünschten Kultur solcher Zusammenkünfte.

Randnummer140
Der Kläger hat mit der Einladung an Frau A.A. am 14. Juni 2012, 18:45 Uhr „Liebe Frau …, ich befürchte, Sie sind jetzt schon weg. Nur zu dringend gerne hätte ich heute Abend mit Ihnen ein Glas Wein getrunken. Sollte es sich noch einrichten lassen, sagen Sie mir, bitte Bescheid. Ich komme da hin, wo Sie es wünschen. Mit nach wie vor lieben Grüßen, …“ zu gemeinsamer Freizeit bedrängt. Ersichtlich hatte Frau A.A. die Einrichtung bereits verlassen. Der Kläger erklärt, er würde „zu dringend gerne“ den Abend mit der Volontärin verbringen und legt mit den Worten „Sollte es sich noch einrichten lassen, sagen Sie mir, bitte Bescheid“ eine Rückmeldung zwecks möglichen Treffens nahe. Eine private Beziehung zwischen dem Kläger und Frau A.A. als Grundlage eines solchen vertraulichen Austauschs und dringender Bitte, noch gemeinsam ein Glas Wein zu trinken wird von keiner Seite behauptet. Anhaltspunkte für einen dienstlichen Zusammenhang bestehen nicht.

Randnummer141
Dasselbe gilt unter Berücksichtigung der weiteren Umstände auch für Einladungen an Frau B.B. wie die um 23:30 Uhr: „Liebe … ich freue mich sehr, auch sehr persönlich, dass Sie wieder da sind. Darf ich Sie morgen oder Mittw. Abend bei mir bekochen? Es wird nicht nur Fleisch geben, versprochen. Oder wir kochen zusammen“. Wenn der Kläger hier ausführt, er habe zu spät begriffen, dass man bei einer Kollegin, die einen ablehne, keine Versuche machen sollte, diese „zurück“ ins Team zu holen, erst recht nicht durch Einladungen zum Essen oder gemeinsamen Kochen, so wird hier das gemeinsame Verbringen von Freizeit zu zweit als Maßnahme beschrieben, eine Mitarbeiterin zurück „ins Team“ zu holen. Dies legt eine Erwartung „teamtauglichen“ Verhaltens durch Annahme solcher Vorschläge nahe.

Randnummer142
Auch im Rahmen der WhatsApp-Korrespondenz mit Frau G.G. fordert der Kläger auch ohne Reaktion in so erheblichen Umfang private Treffen, dass sich hier in der Gesamtschau ein bedrängendes Verhalten ergibt. So mit E-Mail vom 3. April 2017 „Lust auf ein Bier oder ein Glas Wein?“, vom 13. April 2017 „… bist du noch in Berlin? Morgen ist mein Abend noch frei“, am 17. April 2017 „… bist Du zufällig heute Abend schon in Berlin?“, am 31. Juli 2017 „Was hältst du von einem spontanen Glas Wein?“, am 15. August 2017 „Liebe …, happy birthday to you. Ich singe mal lieber nicht. Was machst Du denn heute so? Bist Du in Berlin? Wollen wir feiern?“ und am 26. September 2017 „solltest du noch in Berlin sein, wäre es schön, wenn wir uns vor Deinem Urlaub nochmal treffen könnten“ ohne dass Frau G.G. ein Angebot angenommen oder ihrerseits anderes als einen Besuch in der Gedenkstätte und einen Kaffee ohne näher bestimmtes Datum angeboten hätte. Auch wenn in dieser Zeit das Volontariat ruhte, war die Tätigkeit für die Beklagte und die anstehende Wiederaufnahme der Tätigkeit, die ebenfalls thematisiert wurde, weiterhin Grundlage der Beziehung.

Randnummer143
4. Der Kläger als stellvertretender Direktor einer Stiftung öffentlichen Rechts darf nachgeordnete Mitarbeiterinnen auch ansonsten nicht in ihrer Freizeit in seinem privaten Interesse in Anspruch nehmen.

Randnummer144
Eine solche pflichtwidrige Inanspruchnahme in der Freizeit liegt in einem abendlichen Anruf und langem Telefongespräch zu privaten Fragen ohne von beiden Seiten getragenen Wunsch nach einem solchen Gespräch. Dies gilt erst recht, wenn sexuelle Fragen angesprochen werden und entsprechend unabhängig von der direkten Reaktion im Gespräch damit zu rechnen ist, dass solche Erörterungen nachträglich als peinlich empfunden werden. Aber auch ohne eine solche Thematik geht es um ein gemeinsames Verbringen von Freizeit und eine Beschäftigung mit privaten Fragen, das nicht eingefordert werden darf. Allein aus einem fehlenden Abbruch oder ausdrücklichen Hinweis kann nicht auf ein Einverständnis geschlossen werden.

Randnummer145
Diese Pflicht hat der Kläger verletzt. Nach Vortrag der Beklagten hat der Kläger am 5. März 2012 um 21:00 Uhr Frau A.A. unter einem dienstlichen Vorwand angerufen, das insgesamt dreistündige Telefonat auf die Themen Sex und Sinnlichkeit gelenkt und erklärt, beides habe große Bedeutung für ihn. Der Kläger trägt hierzu vor, die Angaben von Frau A.A. seien widersprüchlich, es sei unglaubwürdig, dass jemand volle drei Stunden lang mit jemanden telefoniert, mit dem einen selbst das Gespräch unangenehm sei. Falls das Telefonat Frau A.A. unangenehm gewesen sein sollte, habe er dies jedenfalls nicht gemerkt, falls ihm die erforderliche Sensibilität gefehlt habe, tue ihm dies leid. Der vorgelegten Kommunikation lasse sich kein sexueller Bezug entnehmen. Hieraus ergibt sich kein substantiiertes Bestreiten des Gesprächs an sich, wobei es letztlich nicht darauf ankommt, ob dieses genau drei Stunden gedauert hat. Selbst ein nur halb so langes Gespräch wäre ein erheblicher Eingriff in die Freizeit. Soweit der Kläger geltend macht, es sei aufgrund der Dauer unglaubwürdig, dass dieses Frau A.A. unangenehm gewesen sein sollte, wird sich schon angesichts des Zeitablaufs schwer feststellen lassen, ob dieses Gespräch bereits in diesem Moment oder erst in der nachträglichen Betrachtung als unangenehm bewertet wurde. Letztlich kommt es hierauf auch nicht an. Frau A.A. behauptet nicht, die Fortführung des Gesprächs unterbunden zu haben oder erklärt zu haben, dieses sei ihr unangenehm. Allein aus dem unterbleibenden Hinweis an einen Vorgesetzten, man wolle sich jetzt nicht weiter unterhalten, ergibt sich aber weder Wunsch noch Einverständnis mit einem langen privaten Gespräch. Ein Anruf des stellvertretenden Direktors um 21:00 Uhr bei einer Volontärin entspricht ohne dringenden dienstlichen Anlass von vornherein nicht den Anforderungen des Umgangs mit Arbeitszeit und Freizeit einer Stiftung öffentlichen Rechts. Jedenfalls obliegt es dem Vorgesetzten bei der Entscheidung, das Gespräch ohne dienstliche Gründe lange fortzuführen, die gebotene Zurückhaltung walten zu lassen, was angesichts der Dauer von deutlich über einer Stunde bei einem Telefonat am Abend nicht angenommen werden kann. Dass Frau A.A. den Kläger ihrerseits zu einem solchen Gespräch bzw. dessen Fortführung angehalten hätte, macht auch der Kläger nicht geltend.

Randnummer146
Soweit die Beklagte dem Kläger weiter vorhält, er habe das Gespräch auf „Sex und Sinnlichkeit“ gelenkt, wäre dies eine erhebliche zusätzliche Pflichtverletzung. Es kann weder angenommen werden, dass nachgeordnete jüngere Mitarbeiterinnen hierüber mit älteren Vorgesetzten in ihrer Freizeit am Telefon sprechen wollen noch wären solche Erörterungen mit den Erwartungen an einen in der Ausbildung von Mitarbeiterinnen tätigen stellvertretenden Direktor vereinbar. Insoweit ist dem Kläger aber zuzugeben, dass das Schlagwort „Sex und Sinnlichkeit“ wenig konkret bleibt und für den Kläger ohne näheren Vortrag nicht einlassungsfähig ist, zumal nach einem so langen Zeitraum.

Randnummer147
5. Eine pflichtwidrige Inanspruchnahme nachgeordneter Mitarbeiterinnen für private Bedürfnisse liegt auch in nächtlichen Nachrichten eines Vorgesetzten gegenüber nachgeordneten Mitarbeiterinnen mit privaten Mitteilungen ohne Bezug zur Arbeit und ohne kollegiale oder private Beziehung als Grundlage für einen solchen Austausch.

Randnummer148
Dies gilt für die Nachricht an Frau A.A. am 14. Februar 2012 um 23:24 Uhr „Erstmal gute Nacht, liebe Frau … Ich antworte ausführlich morgen. Jetzt lass ich mich noch volllaufen. Und danke, dass Sie in meiner Nähe geblieben sind. War mir wichtig. Ganz liebe Grüße, [Vorname]“. Für eine nächtliche Erklärung eines Vorgesetzten gegenüber nachgeordneten jüngeren Mitarbeiterinnen über eine etwaige Absicht, viel Alkohol zu konsumieren oder sonstige Vorhaben besteht ohne eine private Beziehung keine Veranlassung. Ohne private Beziehung wirkt eine solche Mitteilung eines Vorgesetzten erkennbar verstörend und ist geeignet, die künftige Arbeitsbeziehung zu belasten. Auch durch spätabendliche bzw. nächtliche Nachrichten mit Formulierungen, wie sie bei einer engeren privaten Beziehung angemessen wären, wird Nachtruhe und Privatleben gestört, so mit der Nachricht an Frau D.D. am 21. Januar 2015, 01:08 Uhr: „Schlafen Sie gut und haben Sie einen schönen Tag morgen. Ich hoffe, er wird Ihnen gut tun. Sie Geheimnisvolle“ und am 27. Mai 2015 um 22.12 Uhr: „Liebe …, miss you. Geht es Ihnen gut? LG …“.

Randnummer149
6. Erörterungen zu Fragen der Sexualität ohne jeden Bezug zur Arbeitsleistung sind auch dann, wenn die Grenze zu einer sexuellen Belästigung nicht überschritten wird, kein angemessener Gesprächsgegenstand eines stellvertretenden Direktors einer Stiftung öffentlichen Rechts im Verhältnis zu nachgeordneten jungen Mitarbeiterinnen. Die Fürsorgepflicht gebietet es, solche Themen, die als peinlich empfunden werden können, seitens des Vorgesetzten nicht aufzugreifen. Dies insbesondere gegenüber einzelnen Mitarbeiterinnen und unabhängig davon, ob sich Mitarbeiterinnen hier ausdrücklich gegen solche Themen wenden. Abgesehen von einer Belastung der Arbeitsatmosphäre durch solche Äußerungen können solche Gesprächsthemen dazu führen, dass Einladungen insbesondere gegenüber einzelnen Mitarbeiterinnen als unangenehm empfunden werden. Dies unabhängig von der Frage sexueller Interessen bereits deshalb, weil bei einem solchen Umgangston dann ebenfalls mit einem Aufgreifen solchen Themen zu rechnen ist.

Randnummer150
Mit diesen Fürsorgepflichten ist die vom Kläger eingeräumte Erläuterung gegenüber einer FSJ-lerin, es könne zulässige Gründe für Männer geben, ein Bordell aufzusuchen anlässlich einer gemeinsam mit dieser FSJ-lerin besuchten Veranstaltung im A.-Sp.-Haus nicht zu vereinbaren. Dies auch dann, wenn diese Mitarbeiterin zuvor geäußert haben sollte, sie könne den Besuch von Bordellen nicht nachvollziehen. Aus einer solchen Äußerung könnte nicht geschlossen werden, dass die Mitarbeiterin nähere Äußerungen ihres Vorgesetzten oder dessen Erläuterungen zu dieser Frage nicht als peinlich empfindet. Auch Berichte des Vorgesetzen vom einem Besuch des Nudistenareals Cap d‘Adge durch den Vorgesetzten und ein dort übliches Einkaufen ohne Bekleidung können als peinlich empfunden werden. Darüber hinaus wird durch solche Äußerungen aufgrund der Vorbildwirkung stets auch der Rahmen gesetzt, worüber und wie in einer Einrichtung und mit Vorgesetzten gesprochen wird und wozu im Gespräch Stellung genommen werden soll. Auch im Hinblick hierauf sind solche Äußerungen unangemessen.

Randnummer151
Ob darüber hinaus die weiteren von der Beklagten behaupteten weiteren, ggf. ebenfalls pflichtwidrigen Äußerungen u.a. zum Besuch eines Swingerclubs oder Erklärungen zum Sexualverhalten bereits beim ersten Kennenlernen erfolgt sind oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Die Voraussetzungen der vorliegenden Kündigung liegen auch unabhängig hiervon vor.

Randnummer152
IV. Die Kündigung genügt den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Dies sowohl im Hinblick auf die erforderliche negative Prognose als auch in der Gesamtschau der Pflichtverletzungen.

Randnummer153
1. Mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist davon auszugehen, dass eine Kündigung ausscheidet, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers – wie etwa eine Abmahnung – geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Einer Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach Ausspruch einer Abmahnung nicht zu erwarten oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend ist, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 05. Dezember 2019 – 2 AZR 240/19 –, Rn. 75, juris mwN.). Die anzustellende Prognose fällt negativ aus, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden muss, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag in Zukunft erneut und in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen. Ist der Arbeitnehmer wegen gleichartiger Pflichtverletzungen schon einmal abgemahnt worden und verletzt er seine vertraglichen Pflichten gleichwohl erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch weiterhin zu Vertragsstörungen kommen (BAG, Urteil vom 09. Juni 2011 – 2 AZR 323/10 –, Rn. 31, juris).

Randnummer154
Diese negative Prognose ist hier zu stellen. Es kam auch nach einer ausdrücklichen Aufforderung zur Verhaltensänderung unter Hinweis auf mögliche arbeitsrechtliche Folgen zu gleichartigen Pflichtverletzungen.

Randnummer155
a) Mit dem Vermerk vom 1. März 2016 wurde dem Kläger vorgehalten, „Die Beschäftigten hätten angegeben, dass sie sich von Herrn F bedrängt gefühlt hätten. So hätte er sie in den Arm genommen, obwohl sie signalisiert hätten, dass sie das nicht wollten. Zudem hätte er ihnen nachts SMS geschickt, die als privat empfunden worden wären. Schließlich hätten sie zum Ausdruck gebracht, dass dies auch unter Alkoholeinfluss geschehen sei. Herr Dr. A. erklärte Herrn F, dass er die Beschwerden sehr ernst nähme. Er wisse die Bemühungen von Herrn F um ein gutes Verhältnis zu seinen Mitarbeitern sehr zu schätzen. Diese dürften sich aber in keiner Weise davon bedrängt fühlen. Dies würde nicht nur das Renommee der Stiftung und von Herrn F beschädigen, sondern könne auch arbeitsrechtlich und strafrechtlich relevant sein.“ Mit diesem Hinweis wurde dem Kläger vorgehalten, er habe sich so zu verhalten, dass sich nachgeordnete Mitarbeiterinnen nicht bedrängt fühlen, auch soweit der Kläger ein gutes Verhältnis zu diesen anstrebe. Sei dies der Fall, könne dies arbeitsrechtliche Folgen haben und das Renommee der Stiftung beschädigen. Es handelt sich nicht lediglich um einen pauschalen Vorhalt, dem nicht entnommen werden kann, was erwartet wird. Es werden konkrete Beispiele genannt, welches Verhalten dazu führen könne, dass sich Mitarbeiterinnen bedrängt fühlen (unerwünschtes in den Arm nehmen, als privat empfundene nächtliche SMS). Mit der Formulierung, Mitarbeiterinnen dürften „in keiner Weise … bedrängt fühlen“ wird deutlich gemacht, dass ein Handeln zu vermeiden ist, das als bedrängend empfunden werden kann. Danach geht es nicht nur um ein Verhalten, das sich über eine erklärte Ablehnung hinwegsetzt, vermieden werden soll vielmehr darüber hinausgehend ein Verhalten, das als Eindringen in die Privatsphäre gewertet werden kann. Mit dem Hinweis auf das Renommee der Stiftung wird deutlich gemacht, dass ein Verhalten erwartet wird, das den Ruf der Stiftung nicht schädigt. Mit dem Hinweis, Verstöße könnten auch arbeitsrechtlich relevant sein, wird jedenfalls für einen stellvertretenden Direktor hinreichend deutlich gemacht, dass bei einem Verstoß eine Kündigung erfolgen kann.

Randnummer156
Unabhängig hiervon musste dem Kläger das Gewicht des Vorhaltes auch bewusst sein, weil der Stiftung zunächst keine Volontäre mehr zugewiesen wurden. Dies war dem Kläger ausweislich des von ihm vorgelegten weiteren Schreibens des Direktors vom 1. März 2016 bekannt. Führt die Einschätzung des Verhaltens eines stellvertretenden Direktors einer Stiftung als übergriffig dazu, dass dieser keine Volontäre mehr zugewiesen werden, stellt dies erkennbar ein erhebliches Problem für die Stiftung dar. Auch aufgrund dieser Lage und seiner Position musste dem Kläger klar sein, dass er keinen weiteren Anlass für Kritik aufgrund seines Verhaltens gegenüber nachgeordneten Mitarbeiterinnen bieten darf.

Randnummer157
b) Gleichwohl kam zu erneuten Pflichtverletzungen des Klägers in Form eines mit seiner Position unvereinbaren Bedrängens nachgeordneter Mitarbeiterinnen im Sinne dieses Vorhaltes.

Randnummer158
Dies betrifft zum einen das Verhalten gegenüber Frau G.G.. Hier wurden in erheblichem Umfang Treffen vorgeschlagen, ohne dass diese hierauf eingegangen wäre. Fortlaufende Anfragen ohne Zustimmung oder Gegenangebote sind in der Summe ein Bedrängen, das mit der Stellung des Klägers und der deshalb erforderlichen Zurückhaltung nicht vereinbar ist (s.o.). Grundlage der Kommunikation war keine während des Ruhens des Volontariats beiderseits gepflegte private Beziehung, sondern das fortzusetzende Volontariat.

Randnummer159
Dies betrifft auch das Verhalten gegenüber Frau H.H.. Es kann dahingestellt bleiben, ob hier sexuelle Interessen im Spiel waren, wie dies Frau H.H. als Wahrnehmung schildert, oder ob es unabhängig hiervon um eine belastende Familiengeschichte ging, die Frau H.H. dem Kläger in Fortsetzung ihrer Erzählungen in der Gruppe anvertraute. Mit dem Vermerk vom 1. März 2016 wurde dem Kläger vorgehalten, dass sich Mitarbeiterinnen nicht bedrängt fühlen dürfen und das Renommee der Stiftung zu beachten ist. Mit seinem Verhalten gegenüber Frau H.H. hat der Kläger eben diese Pflichten verletzt, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat. Ein Aufenthalt einer Praktikantin in der Wohnung des Vorgesetzten kann erkennbar dazu führen, dass diese sich bedrängt fühlt. Auch kann ein solcher privater Vertrauensbeweis bei der folgenden Arbeit bzw. Ausbildung im Rahmen des Praktikums nachträglich als unangemessen bewertet werden. Das Renommee einer Stiftung öffentlichen Rechts kann durch abendliche bis nächtliche Aufenthalte junger Praktikantinnen in der privaten Wohnung des stellvertretenden Direktors kurz nach Aufnahme des Praktikums beschädigt werden. Solche Einladungen entsprechen unabhängig von der Frage sexueller Interessen nicht der erwarteten professionellen Distanz gegenüber einer Praktikantin bei einem Praktikum bei einer solchen Einrichtung. Dies gilt erst recht, wenn zuvor Alkohol konsumiert wurde, wie dies hier jedenfalls ausweislich des vom Kläger eingereichten Fotos der Fall war.

Randnummer160
c) Unabhängig hiervon liegen weitere Pflichtverletzungen vor, deren Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen ist. Dies betrifft den Transport von nachgeordneten Mitarbeiterinnen mit dem Auto, obwohl aufgrund Alkoholkonsums kein Fahrzeug gefahren werden durfte. Dass dies nicht zulässig ist, musste dem Kläger bekannt sein. Ebenso ist ersichtlich, dass ein solches Verhalten des stellvertretenden Direktors von der Stiftung nicht hingenommen werden kann.

Randnummer161
2. Unabhängig davon, dass es zu weiteren Pflichtverletzungen nach dem Vermerk vom 1. März 2016 kam, hat die Beklagte auch nicht auf den Ausspruch einer Kündigung aufgrund von Vorfällen vor diesem Zeitpunkt verzichtet.

Randnummer162
Der Arbeitgeber kann auf das Recht zum Ausspruch einer – außerordentlichen oder ordentlichen – Kündigung jedenfalls nach dessen Entstehen durch eine entsprechende Willenserklärung einseitig verzichten. Ein solcher Verzicht ist ausdrücklich oder konkludent möglich. So liegt im Ausspruch einer Abmahnung regelmäßig der konkludente Verzicht auf das Recht zur Kündigung aus den in ihr gerügten Gründen. Der Arbeitgeber gibt mit einer Abmahnung zu erkennen, dass er das Arbeitsverhältnis noch nicht als so gestört ansieht, als dass er es nicht mehr fortsetzen könnte. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn gem. §§ 133, 157 BGB der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen ist, dass der Arbeitgeber die Angelegenheit mit der Abmahnung nicht als „erledigt“ ansieht (BAG 13. Mai 2015 – 2 AZR 531/14 – aaO; 13. Dezember 2007 – 6 AZR 145/07 – Rn. 24, BAGE 125, 208); BAG, Urteil vom 19. November 2015 – 2 AZR 217/15 –, Rn. 28, juris). Hier ergibt sich aus der Formulierung des Schreibens, dass kein Verzicht auf eine Kündigung aus möglichen zu diesem Zeitpunkt bereits vorliegenden, aber der Beklagten nicht bekannten Gründen erfolgen soll. Wenn der Direktor der Beklagten hier ausführt, rechtlich könne er die Beschwerden nicht bewerten, da ihm diese nicht zugänglich gemacht worden seien, schließt dies nicht aus, dass im Falle des Bekanntwerdens des näheren Inhalts dieser Beschwerden und erst Recht im Falle des Bekanntwerdens weiterer Beschwerden oder Vorfälle eine neue rechtliche Bewertung erfolgt. Insofern sieht die Kammer auch unabhängig von der Frage eines erneuten Fehlverhaltens entgegen dem Vermerk vom 1. März 2016 in der Gesamtschau der oben genannten Pflichtverletzungen unter Berücksichtigung der Stellung des Klägers ein Verhalten, dessen Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und offensichtlich (auch für den Arbeitnehmer erkennbar) ausgeschlossen ist.

Randnummer163
3. Anhaltspunkte für eine verfügbare Stelle bei der Beklagten, auf der der Kläger eingesetzt werden könnte, ohne dass es zu vergleichbaren Pflichtverletzungen kommen kann, liegen nicht vor.

Randnummer164
V. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers über die Kündigungsfrist hinaus ist der Beklagten in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht zumutbar.

Randnummer165
Zugunsten des Klägers war eine Betriebszugehörigkeit von acht Jahren und damit ein Bestand von nicht unerheblicher Dauer zu berücksichtigen. Weiter war insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger auch ausweislich der Erklärung des Direktors der Beklagten vom 18. Dezember 2017 einen erheblichen Beitrag beim Aufbau der Beklagten geleistet hat. Demgegenüber war abzuwägen, dass eine Vielzahl von Pflichtverletzungen vorliegt, die auf einer fehlenden Beachtung der Fürsorgepflichten gegenüber nachgeordneten Beschäftigten beruhen und der Kläger aufgrund seiner Position derjenige ist, der für die Einhaltung dieser Pflichten Sorge zu tragen hat. Dies sowohl im Interesse der betroffenen Mitarbeiterinnen als auch im Interesse des Rufes der Beklagten. Insbesondere aufgrund der hervorgehobenen Stellung des Klägers wiegen die Pflichtverstöße für die Kammer schwer. Auch handelt es sich bei einem Arbeitsverhältnis von acht Jahren zwar um ein solches von nicht unerheblicher Dauer, aber um kein außerordentlich lang bestehendes Arbeitsverhältnis. Zudem war dieses ausweislich des Vermerkes vom 1. März 2016 nicht unbelastet.

Randnummer166
In der Gesamtabwägung dieser Umstände überwiegt das Interesse der Beklagten an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Auch wenn es sich teilweise um zeitlich weit zurückliegende Pflichtverletzungen handelt, kam es fortlaufend zu weiteren Pflichtverletzungen. Insofern liegt nicht lediglich ein einmaliger vorwerfbarer Sachverhalt vor langer Zeit vor, bei dem angesichts der erheblichen Verdienste eine Weiterbeschäftigung als zumutbar anzusehen wäre.

Randnummer167
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Randnummer168
D. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor.