T a t b e s t a n d2

              Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 07.03.2018 im Kleinbetrieb, die als hilfsweise ordentliche Kündigung unstreitig das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2018 aufgelöst hat.3

              Bei der Beklagten handelt es sich um ein Unternehmen, das IT-Dienstleistungen im Bereich Web-Design, Social Media und Online-Marketing anbietet. Der Sitz der Gesellschaft ist B . Sie betriebt die Webseite Der Kläger war der einzige Mitarbeiter der Beklagten. Der Geschäftsführer der Beklagten, R K , hat einen Bruder (Dr. C K ), der mit dem Kläger und dessen Bruder seit Jahren gemeinsam eine „kleine Firma“ (P ) führt.4

              Der Kläger, geb. am 1984, ist verheiratet und zwei Kindern im Kindergartenalter unterhaltsverpflichtet. Der Kläger ist wohnhaft in B . Er war bei der Beklagten ab dem 01.11.2017 als Softwareprogrammierer mit einem Bruttomonatsgehalt iHv. 5.000,- Euro beschäftigt. Nach § 3.1 des Arbeitsvertrages beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 40 Stunden wöchentlich, dh. acht Stunden pro Wochentrag (Montag-Freitag). Nach § 3.2 des Arbeitsvertrages richten sich Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen nach der Übung des Betriebes. In § 16.2 des Arbeitsvertrages ist eine Mindestkündigungsfrist von vier Wochen zum Monatsende vereinbart. Eine Probezeit wurde zwischen den Parteien nicht vereinbart, da der Kläger aus einem bestehenden Arbeitsverhältnis (zur Firma S , Inh. S R , aus R ) abgeworben wurde. Bezüglich des weiteren Inhalts des Arbeitsvertrages vom 01.11.2017 wird auf Bl. 10-14 d.A. Bezug genommen.5

              Am 23.11.2017 schlossen die Parteien eine „Anlage zum Arbeitsvertrag“ (nachfolgend: „Vereinbarung“), wonach dem Kläger ein Apple MacBook Pro (nachfolgend: Laptop) als Arbeitsmittel überlassen wurde. Ferner vereinbarten die Parteien im Hinblick auf die Nutzung der dienstlich zur Verfügung gestellten Betriebsmittel das Folgende:6

„… § 2 Umfang und Beschränkung der Nutzung7

….8

(3) Die vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel dürfen nicht für private Zwecke genutzt werden. Insbesondere ist eine private Nutzung von Fernkommunikationsmitteln wie Mobiltelefone, Laptop oder PC nicht gestattet. Dem Arbeitnehmer ist auch nicht gestattet, auf den Arbeitsmitteln private Daten abzulegen oder zu speichern. Der Besuch von Internetseiten zu privaten Zwecken, insbesondere solcher pornographischer Natur, ist untersagt.9

… Der Arbeitnehmer erklärt auch sein Einverständnis damit, dass der Arbeitgeber die auf den Arbeitsmitteln befindlichen Daten aus Zwecke der Zuordnung zu geschäftlichen oder privaten Vorgängen überprüft und auswertet. …“10

              Bzgl. des Wortlauts dieser „Anlage zum Arbeitsvertrag“ wird auf Bl. 43-45 d.A. Bezug genommen.11

              Im Büro der Beklagten waren die Schreibtische des Klägers und des Geschäftsführers gegenüber angeordnet, so dass der Geschäftsführer zwar den Kläger, nicht aber dessen Monitorinhalt sehen konnte. Hinter dem Tisch des Klägers stand jedoch eine Vitrine mit Glasfront.12

              Auf dem dienstlichen Laptop des Klägers waren drei verschiedene Internet-Browser installiert (Mozilla Firefox, Google Chrome und Apple Safari). Alle drei Browser erstellen Log-Files der besuchten Internetseiten (Datum, Uhrzeit und URL), die auch rückwirkend eine Auswertung ermöglichen. Es ist unstreitig, dass der Kläger teilweise auch den sog. Inkognito-Modus (auch „Privatmodus“ genannt) bei den Internet-Browsern verwendet hat, so dass diese dann keine Log-Files der besuchten Internetseiten bzw. keine entsprechenden Einträge erstellen. Der Kläger nutzte hauptsächlich Mozilla Firefox.13

              Zwischen den Parteien ist ua. streitig, welche Webseiten im Internet der Kläger am 28.11.2017, 29.11.2017 sowie am 01.03.2018 zu privaten Zwecken während der Arbeitszeit aufgerufen hat. Auch eine weitere private Nutzung in den Monaten November 2017 bis einschließlich Februar 2018 steht im Streit.14

              Eine Genehmigung des Geschäftsführers der Beklagten, dass der Kläger während der Arbeitszeit privat im Internet wegen eines Autokaufs recherchiert, gab es nicht.15

              Am 29.11.2017 zwischen 9:46 Uhr und 16:04 Uhr schrieb der Kläger über das dienstliche E-Mail-Konto insgesamt 13 E-Mails mit seinem Vater, die den geplanten Kauf eines neuen Kfz durch den Kläger zum Gegenstand haben. Die E-Mail-Korrespondenz lautet auszugsweise (siehe Bl. 407-409 d.A.):16

— 9:47 Uhr E-Mail vom Kläger –17

(…) bei mir reift langsam aber stetig der Gedanke mein Auto zu wechseln. Nicht kurzfristig aber in den nächsten Monaten. (…)18

(…) Meine Gedanken gehen Richtung BMW, Audi – ein Kombi. Sowas wie ihr habt in die Richtung. Aber auch ein SUV wäre eine Alternative. Da gibt es viele Modelle die gefallen. (…)19

(…)Hast du vielleicht noch einen Tipp?! (…)20

— 10:30 Uhr Antwort vom Vater des Klägers –21

Du musst dir erst mal überlegen, was deine Anforderungen sind, ein paar hast du ja schon erwähnt. (…)22

(…) In Frage kämen:23

Golf variant, zB.24

https://(…)25

Peugeot: z.B.26

https:// (…)27

Renault, z. B.28

https:// (…)29

(…)30

(…) Sollten wir noch mal intensiver bereden (…)31

— 10:38 Uhr E-Mail vom Kläger –32

(…) ich hatte auch an einen 4-5 Jahre alten BMW oder Audi gedacht. Anhängerkupplung und die Möglichkeit den Anhänger zu ziehen muss bleiben. Auf die verschiedenen Features wie Klimaautomatik, Sitzheizung usw. möchte ich nicht verzichten. (…)33

(…) Audi und BMW sind da schon machbar.34

— 10:48 Uhr Antwort vom Vater des Klägers –35

(…) da bin ich nicht so sicher, wenn du bei Autoscout 24 nach BMW oder Audi mit deinen Anforderungen suchst bekommst du z. B.36

https:// (…)37

oder:38

https:// (…)39

aber die Autos sind dann älter als 5 Jahre (…)40

— 10:50 Uhr E-Mail vom Kläger –41

Beide Autos sind aber passend zu meinen Anforderungen. Ich vermute das Alter ist den Fahrzeugen auch durchaus ok. Beide würden mir gefallen. (…)42

–– 10:52 Uhr Antwort vom Vater des Klägers –(…) Vielleicht findet sich ja noch was Besseres. (…)43

— 13:17 Uhr E-Mail vom Kläger –44

(…) Was hältst du denn von dem Wagen:45

https:// (…)46

Mir gefällt es gut das die Tür nach hinten öffnet, da wir vor der Tür nicht so viel Platz haben… (…)47

— 13:19 Uhr Antwort vom Vater des Klägers –48

Ist aber kein Audi/BMW; und hat einen reparierten Unfallschaden. Da würde ich die Finger von lassen. (…)49

— 13:20 Uhr E-Mail vom Kläger–50

(…) Ja, hab ich auch gesehen, denke es wäre tatsächlich wenn sinnvoller auf Audi oder BMW zu gehen. Da ich sonst auch meinen behalten könnte. Die Fords sind da nicht besser… (…)51

— 15:39 Uhr Antwort vom Vater des Klägers –52

(…) was hältst du denn davon? Ich bekomme über das DLR ziemlich hohe Rabatte. Konfiguration müsste in der Datei angezeigt sein, Endpreis auf der letzten Seite53

— 15:57 Uhr E-Mail vom Kläger–54

(…) Der Rabatt ist natürlich schon richtig klasse. Allerdings verstehe ich die Zusammensetzungen (Vermutlich wählbar) noch nicht so richtig. (…)55

— 16:04 Uhr Antwort vom Vater des Klägers –56

(…) Ja, der Rabatt wird leider noch etwas schlechter (…) Hast Recht, aus dem Ausdruck kann man nicht viel entnehmen. (…)57

              Am 28./29.11.2017 führte der Kläger auch eine E-Mail-Konversation mit seinem Vater über die dienstliche E-Mail-Adresse bezüglich einer (günstigen) Lizenz für Windows 10.58

              Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 07.03.2018, das vom Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet ist (Bl. 20 d.A.), dem Kläger am selben Tag per Boten zugegangen, das Arbeitsverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich zum 30.04.2018.59

              Die Beklagte ließ durch einen IT-Sachverständigen das Laptop und die Log-Files der Internet-Browser untersuchen. Bezüglich des von dem Sachverständigen Zufall erstellten, jedoch nicht unterschriebenen Gutachtens vom 01.07.2018 wird Bezug genommen auf Bl. 50-75 d.A. Bezug genommen.60

              Mit seiner beim Arbeitsgericht am 15.03.2018 eingereichten und der Beklagten am 22.03.2018 zugestellten Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die fristlose Kündigung vom 07.03.2018 aufgelöst wurde, sondern bis zum 30.04.2018 fortbestanden hat.61

              Der Kläger hat die Ansicht geäußert, dass die fristlose Kündigung unwirksam sei. Er habe keine vertragswidrigen Verhaltensweisen an den Tag gelegt, insbesondere habe er keinen Arbeitszeitbetrug begangen.62

              Er hat behauptet, dass der Geschäftsführer der Beklagten über die hinter seinen Schreibtisch stehende Vitrine freie Sicht auf seinen Monitor gehabt habe und dies auch gerne genutzt habe. Zudem habe er oft Raucherpausen gemacht, bei denen er ständig Sicht auf den Monitor des Klägers gehabt habe. Da die Beklagte ihn abgeworben habe, sei davon auszugehen, dass sie mit seiner Arbeitsweise komplett einverstanden gewesen sei. Auch habe der Geschäftsführer sich niemals negativ diesbezüglich geäußert. Unstimmigkeiten habe es nur gegeben, da der Geschäftsführer der Beklagten Quereinsteiger in die IT sei. Ferner würden die Webseiten von Autohäusern, die wiederum Portale von mobile.de nutzten, Recherchegrundlage für die Programmierung von Web-Applikationen bieten. Hier habe der Kläger geeignete Softwaremodule für die Programmierung der Webseite der Beklagten erhalten. Die Suche nach einem privaten Auto habe er nur während der Mittagspause gemacht, damit er sich auf die bevorstehende Wintersaison vorbereiten konnte. Er sei darauf angewiesen, mit dem Auto zur Beklagten zu kommen, was mit seinem alten Auto nicht mehr möglich gewesen sei. Dass er ein neues Auto benötigte, sie auch dem Geschäftsführer der Beklagten bekannt gewesen. Die Pausenzeiten hätten auch sehr flexibel gelegen, die einstündige Mittagspause irgendwo zwischen 12:00 und 16:00 Uhr. Im Übrigen behauptet der Kläger, dass er während seiner effektiven Arbeitszeit viel mehr geleistet habe, als andere vergleichbare Arbeitnehmer und dass er sehr viele Teilaufgaben sehr erfolgreich abgeschlossen hätte, wofür ihn der Geschäftsführer der Beklagten gelobt habe. Insofern wird Bezug genommen auf Bl. 149-156, 161-170, 296-299, 487-498 d.A., wobei der Kläger allerdings nur behaupteten Zeitaufwand, nicht aber die einzelnen Arbeitstage darlegt. Aus den GPS-Daten (= Standortaufzeichnungen) seines Mobiltelefons ergäbe sich zudem, dass der Kläger viel mehr Arbeitszeit für die Beklagte investiert habe, als nötig gewesen wäre. So habe er bspw. am 28.11.2017 20 Minuten, am 29.11.2017 nochmals 26 Minuten und am 30.11.2017 weitere 28 Minuten mehr als nötig gearbeitet (vgl. Bl. 480, 506 d.A.). Insgesamt habe er eine Mehrarbeit von fünf Arbeitstagen erzielt.63

              Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,64

                            festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die schriftliche, außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 07.03.2018, zugegangen am 07.03.2018, nicht aufgelöst worden ist, sondern bis zum 30.04.2018 fortbestand.65

              Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,66

                            die Klage abzuweisen.67

              Die Beklagte hat behauptet, dass die fristlose Kündigung darauf beruhen würde, dass der Kläger unerlaubte Konkurrenztätigkeit (ua. für seinen vormaligen Arbeitgeber) gemacht habe und dass der Kläger fehlerhaft Software programmiert habe, indem er Open Source Software verwendet habe, was aber nur zulässig sei, wenn das Endprodukt (die Skylife App) dann ebenfalls frei verfügbar sei. Letzteres stünde aber einer kommerziellen Verwertung der Software durch die Beklagte entgegen, so dass er die Beklagte geschädigt habe, wobei die Schadensersatzansprüche noch ermittelt würden. Schließlich sei die Kündigung deswegen erklärt worden, weil der Kläger massiv zu privaten Zwecken im Internet „gesurft“ habe und damit die IT-Infrastruktur der Beklagten genutzt habe, so dass der Kläger einen Arbeitszeitbetrug begangen habe. Insofern hat die Beklagte auf ein Gutachten des IT-Sachverständigen Zufall vom 01.07.2018 (Bl. 50-75 d.A.) Bezug genommen. Von den Kündigungsgründen habe sie erstmals am 07.03.2018 erfahren. Die einstündige Mittagspause bei der Beklagten habe zwischen 12:00 und 13:00 Uhr gelegen.68

              Bezüglich der privaten Nutzung von Internet und E-Mail durch den Kläger behauptet die Beklagte das Folgende:69

              Am 28.11.2017 habe der Kläger ab 08:40 Uhr bis 17:17 Uhr insgesamt über den Browser Firefox 616 Webseiten zu privaten Zwecken aufgerufen, zB. Facebook, Spiegel-Online, Whatsapp, Booking.com, Landal Ferienparks, Kinderhotels, Familien Parks, Bild.de, 1&1-Email (für Frau V W = Mutter des Klägers) und softeware–billiger.de (Suche für den Vater des Klägers, insgesamt 15 URLs im Zusammenhang mit einer Lizenz für Windows 10). Im Zeitraum von 11:47 Uhr bis ca. 15:42 Uhr entfallen nahezu sämtliche Web-Aufrufe auf die Homepages von Autoscout24, Autohaus Sch , Autohaus H , Peugeot, Autohaus K , R Autohaus, Autocenter D und  automobile.de. Insgesamt wurden in dem zuletzt genannten Zeitraum über 290 URLs in Bezug auf Autorecherchen aufgerufen. Mit allen drei Browsern habe der Kläger an dem Tag über 860 URLs aufgerufen, dh. im Schnitt alle 33,49 Sekunden. Bzgl. der URL-Aufrufe wird auf den Internet-Browser-Verlauf auf Bl. 97-107 d.A. (= Anlage B 7 zum Schriftsatz der Beklagten vom 03.07.2018, die dem Kläger unstreitig vorliegt) Bezug genommen. Am 28.11.2017 habe der Geschäftsführer zudem einen auswärtigen Gesprächstermin gehabt, wo allein die Anreisezeit mit dem Auto zwei Stunden betragen würde, dh. der Kläger habe die Beklagte bewusst hintergehen wollen.70

              Am 29.11.2017 habe der Kläger zwischen 8:28 Uhr und 14:55 Uhr insgesamt 174 URLs im Zusammenhang mit Autorecherchen aufgerufen. Zwischenzeitlich erfolgte zudem die unstreitige E-Mail-Korrespondenz mit dem seinem Vater, wobei der Kläger die in den E-Mails genannten URLs aufgerufen habe.71

              Am 01.03.2018 habe der Kläger zwischen 10:24 Uhr und 17:40 Uhr 205 Webseiten zu privaten Zwecken aufgerufen, ua. Facebook, Spiegel-Online, Kunde Sehen Design, Videos auf Youtube, Bild.de, Express.de. Insofern wird auf die Daten aus dem Log-File des Internet-Browsers auf Bl. 122-125 d.A. (= Anlage B 8 zum Schriftsatz der Beklagten vom 03.07.2018, die dem Kläger unstreitig vorliegt) Bezug genommen.72

              Ferner habe der Kläger in der Zeit vom 21.11.2017 bis zum 27.02.2018 über den Internet-Browser insgesamt 500 Aufrufe der Outlook Web App bzgl. einer E-Mail-Adresse aufgerufen, die bei seinem vormaligen Arbeitgeber (Firma S ) gehostet wird. Bzgl. der Daten (Tag, Uhrzeit) der einzelnen Aufrufe wird auf Bl.  258-264 d.A. Bezug genommen.73

              Des Weiteren habe der Kläger im Zeitraum vom 06.11.2017 bis zum 28.02.2018 an 32 unterschiedlichen Tagen während der Arbeitszeit über 80 Änderungen an der Webseite der Mutter vorgenommen und dafür insgesamt rund 9 Stunden aufgewandt. Hinzu kämen noch rund 35 E-Mails an die Mutter bzgl. der Änderungen. Bzgl. der einzelnen Zeiträume der Änderungen wird auf Bl. 412-418 d.A. Bezug genommen.74

              Zwischen dem 02.11.2017 und dem 01.03.2018 habe der Kläger zudem 559 Mal sein E-Mail-Konto ( ) seiner privaten Firma (P ) von seinem Laptop aus aufgerufen, wobei der Kläger insofern 90 E-Mails bearbeitet habe. Diese Aufrufe fanden zu allen Uhrzeiten des Arbeitstages statt.75

              Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 18.04.2019 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es die zulässige Klage für unbegründet erachtet. Das Arbeitsgericht hat einen wichtigen Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB angenommen. Der dem Kläger vorgeworfene Arbeitszeitbetrug vom 29.11.2017 stellt nach Auffassung des Gerichts einen an sich geeigneten Kündigungsgrund dar. Aufgrund des Sachvortrages der Beklagten und des nicht hinreichend substantiierten Bestreitens des Klägers sowie der unstrittigen E-Mail-Korrespondenz zwischen dem Kläger und seinem Vater habe der Kläger zu Lasten der Beklagten am 29.11.2017 einen Arbeitszeitbetrug begangen, der nahezu den gesamten Arbeitstag ausmachen würde. Dies ergäbe sich daraus, dass der Kläger zwischen 8:28 Uhr und 14:55 Uhr insgesamt 174 URLs im Zusammenhang mit seiner Autorecherche aufrief und mit seinem Vater regen E-Mail-Verkehr betreffend die Autorecherche führte. Insoweit genüge das pauschale Bestreiten des Klägers zu den konkreten Vorhaltungen der Beklagten nicht, sondern hat gemäß § 138 Abs. 3 ZPO die Geständnisfiktion zur Folge. Die Einlassung des Klägers, wonach der Besuch u.a. der Internetseite Mobile.de zu Recherchezwecken für die Beklagte erfolgt sei, hat das Arbeitsgericht als Schutzbehauptung bewertet. Als weitere Schutzbehauptung des Klägers hat das Arbeitsgericht die Einlassung des Klägers gewertet, dass die gesamte Suche nach einem Auto innerhalb seiner Pausenzeit vorgenommen worden sei. Dies würde nämlich bedeuten, dass der Kläger von 08:28 Uhr bis einschließlich 16:04 Uhr Pause gehabt hätte. Das Arbeitsgericht hat insofern die Überzeugung erlangt, dass der Kläger sich nicht nur minutenweise sich mit dem Thema der Autorecherche an diesem Tag auseinandergesetzt hat, sondern vielmehr den gesamten Arbeitstag hierauf verwandt habe. Auch habe es keine Genehmigung der Beklagten zur Autorecherche gegeben. Im Rahmen der Interessenabwägung würde zudem das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Klägers an dessen Fortsetzung mindestens bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist überwiegen. Zugunsten des Klägers sei insoweit zu berücksichtigen, dass er verheiratet und zwei minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist. Demgegenüber war zugunsten der Beklagten überwiegend zu berücksichtigen, dass ihr kein milderes Reaktionsmittel zur Verfügung gestanden hätte. Eine Abmahnung sei aufgrund der Schwere des dem Kläger vorgeworfenen Verstoßes entbehrlich. Der festgestellte Arbeitszeitbetrug würde einen derartigen besonders schweren Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Klägers darstellen, so dass der Kläger von keiner Billigung durch die Beklagte ausgehen konnte. Vielmehr musste der Kläger sich bewusst sein, dass er, wenn er fast den gesamten Arbeitstag damit verbringt, seine private Autorecherche durchzuführen, er seinen Arbeitsplatz riskiert. Zudem sei zu Lasten des Klägers und zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass es sich um einen vorsätzlichen Verstoß des Klägers handele, denn das Verbot der privaten Nutzung war erst wenige Tage zuvor vereinbart worden. Die Verletzung des Vertrauens in die korrekte Arbeitserfüllung durch den Kläger sei so schwerwiegend, dass das arbeitgeberseitige Interesse an der sofortigen Beendigung des Vertragsverhältnisses überwiegt. Die Beklagte habe zudem die Frist des § 626 Abs. 2 BGB eingehalten. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte schon länger als zwei Wochen vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung Kenntnisse vom Verhalten des Klägers am 29.11.2017 hatte, seien weder ersichtlich noch hinreichend substantiiert vorgetragen. Insbesondere die Behauptung des Klägers, wonach der Geschäftsführer der Beklagten über die Spiegelung in der Vitrinentür, welche sich hinter seinem Arbeitsplatz befunden hat, Kenntnis von der Tätigkeit des Klägers erlangt habe, hat das Arbeitsgericht als bloße Schutzbehauptung gewertet. Konkreten Sachvortrag dazu, wie die Beklagte bereits früher von dem Verhalten des Klägers am 29.11.2017 Kenntnis erlangt haben soll, gäbe es keinen. Im Übrigen wird bzgl. des erstinstanzlichen streitigen und unstreitigen Vorbringens auf den Tatbestand und bzgl. der Begründung auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils auf Bl. 697-707 d.A. Bezug genommen. Am Schluss der Sitzung beim Arbeitsgericht am 18.04.2019 hat der dortige Vorsitzende dem Prozessbevollmächtigten des Klägers eine CD-ROM, die als Anlage zu einem Schriftsatz der Beklagten beigefügt gewesen war, übereicht, wobei die sich darauf befindlichen Anlagen, die nicht in ausgedruckter Form zur Akte gelangt sind, nicht zum Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung gemacht wurden.76

              Gegen das ihm am 13.05.2019 zugestellte Urteil (Bl. 709 d.A.) hat der Kläger mit am 13.06.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und hat diese – nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 13.08.2019 aufgrund eines Antrages vom 12.07.2019 – mit am 13.08.2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet.77

              Der Kläger wiederholt und vertieft seinen Sachvortrag. Er gesteht zu, dass er am 28./29.11.2017 insgesamt eine halbe Stunde Arbeitszeit auf private Internetrecherchen wegen des beabsichtigten Autokaufs verwendet habe. Im Übrigen bestreitet er das Privatgutachten des IT-Sachverständigen Zufall, da aus diesem die Arbeitszeit des Klägers nicht nachvollziehbar hervorginge (siehe Bl. 765 d.A.). Eine Stellungnahme zu den Browserverläufen sei angesichts des Zeitablaufs aus seiner Erinnerung nicht mehr möglich (Bl. 771 d.A.). Im Übrigen rügt der Kläger „massive Verstöße gegen den Datenschutz“ durch die Beklagte (Bl. 829 d.A.). Der Kläger bleibt dabei, dass dem Geschäftsführer der Beklagten die private Nutzung angesichts der engen persönlichen Zusammenarbeit und des behaupteten zumindest anfänglichen freundschaftlichen Verhältnisses hätte auffallen müssen. Ferner habe der Kläger über sein privates Amazon Prime Konto während der Arbeitszeit Musik über die Lautsprecherboxen des Monitors abgespielt, die der Geschäftsführer auch gehört habe. Der Kläger meint, dass er wegen des freundschaftlichen Verhältnisses zum Geschäftsführer der Beklagten nicht damit habe rechnen können, dass eine private Nutzung „zu einem Problem hätte führen“ können (vgl. Bl.767 d.A.). Ferner habe die Mittagspause nicht stets zwischen 12:00 und 13:00 Uhr gelegen, wie man den GPS-Daten seines Mobiltelefons entnehmen könnte. Des Weiteren behauptet der Kläger, dass die Browserverläufe durch die Beklagte bewusst manipuliert worden seien. Insofern bezieht sich der Kläger auf die Darlegung, wie eine derartige Manipulation allgemein erfolgen könne. Angesichts seiner Überstunden an den ganzen Tagen könne der Kläger ohnehin nicht nachvollziehen, warum ein Arbeitszeitbetrug vorliegen sollte.78

              Der Kläger beantragt zuletzt,79

                            das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 18.04.2019 (5 Ca 852/18) abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die schriftliche, außerordentliche fristlose Kündigung der Beklagten vom 07.03.2018, zugegangen am 07.03.2018, nicht aufgelöst worden ist, sondern bis zum 30.04.2018 fortbestand.80

              Die Beklagte beantragt,81

                            die Berufung des Klägers zurückzuweisen.82

              Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren Sachvortrag. Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Aus den URL-Aufrufen des Klägers am 28./29.11.2017 und der E-Mail-Korrespondenz mit dem Vater könne bei einer dreiminütigen Dauer für Lesen und Schreiben einer E-Mail ohne Weiteres darauf geschlossen werden, dass der Kläger praktisch die ganzen Tage mit der privaten Autorecherche verbracht habe. Ferner weist die Beklagte sämtliche Manipulationsvorwürfe zurück.83

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, ihre Beweisantritte und die von ihnen eingereichten Unterlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen (§ 64 Abs. 7 ArbGG iVm. § 313 Abs. 2 Satz 2 ZPO).84

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e85

              Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber in der Sache unbegründet, so dass sie zurückzuweisen ist.86

A.              Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1 und Abs. 2 lit. b. ArbGG) und ist frist- sowie formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO).87

B.              Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Die zulässige Klage ist unbegründet, so dass das Arbeitsgericht die Klage zurecht abgewiesen hat.88

I.              Die Klage ist zulässig. Für den punktuellen Feststellungsantrag besteht insbesondere das gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Es besteht darin, dass es dem Kläger unabhängig von den Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 KSchG gemäß §§ 4, 7, 13 KSchG obliegt, die Unwirksamkeit einer außerordentlichen – und hilfsweise ordentlichen – Kündigung binnen der Präklusionsfrist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung gerichtlich geltend zu machen. Der Kläger wendet sich vorliegend unter Berücksichtigung seiner Klagebegründung nur gegen die außerordentliche Kündigung vom 07.03.2018, nicht jedoch gegen die Beendigung durch die hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.04.2018. Daher handelt es sich auch bei dem Halbsatz „sondern bis zum 30.04.2018 fortbestand“ um einen unselbständigen, floskelhaften Annex zum Kündigungsschutzantrag, dem keine eigenständige Bedeutung zukommt (vgl. BAG, Urteil vom 26. September 2013 – 2 AZR 682/12, Rn. 39, BAGE 146, 161 ff.; zur Abgrenzung zu einem allgemeinen Feststellungsantrag: BAG, Urteil vom 15. März 2001 – 2 AZR 141/00, zu B II 2 der Gründe, juris). Weder die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2018 – im Falle der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 07.03.2018 – noch etwaige weitere Beendigungstatbestände stehen vorliegend zwischen den Parteien im Streit.89

II.              Die Klage ist unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 07.03.2018 hat das Arbeitsverhältnis gemäß § 626 BGB mit Zugang beim Kläger am 07.03.2018 aufgelöst.90

1.              Die Kündigung der Beklagten vom 07.03.2018 wahrt zunächst das Schriftformerfordernis des § 623 BGB und ist dem Kläger zugegangen.91

2.              Der Kläger hat des Weiteren innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 Satz 1 KSchG iVm. § 13 Satz 2 KSchG Kündigungsschutzklage erhoben, da er gegen die Kündigung vom 07.03.2018 am 15.03.2018 Klage erhoben hat, die bei Gericht am selben Tag eingegangen ist und demnächst (§ 167 ZPO) zugestellt wurde.92

3.              Die außerordentliche Kündigung ist vorliegend gemäß § 626 BGB wirksam, da die Beklagte zurecht aus wichtigem Grund gekündigt iSv. § 626 Abs. 1 BGB hat und die Kündigung innerhalb der Frist des § 626 Abs. 2 BGB gegenüber dem Kläger erklärt hat.93

a)              Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.94

aa)              Das Vorliegen eines wichtigen Grundes iSv. § 626 Abs. 1 BGB ist in zwei Stufen zu prüfen (vgl. bspw. BAG, Urteil vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 597/16, Rn. 13, NZA 2017, 1179, 1180; BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04, NZA 2006, 98 ff.). Im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB ist zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt ohne die besonderen Umstände des Einzelfalls als wichtiger Kündigungsgrund an sich geeignet ist (1. Stufe). Liegt ein solcher Sachverhalt vor, bedarf es der weiteren Prüfung, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht (2. Stufe) (st. Rspr., siehe bspw. BAG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 2 AZR 85/15, Rn. 21 mwN, juris; BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11, Rn. 20 mwN, NJW 2013, 104 ff.).95

bb)              Sowohl die Nichteinhaltung von vorgegebenen Arbeitszeiten als auch die Verrichtung von Privattätigkeiten während der Arbeitszeit unter Nutzung des dienstlichen PCs als auch ausufernde Privattelefonate während der Arbeitszeit können an sich einen wichtiger Grund im Sinn des § 626 Abs. 1 BGB darstellen (vgl. BAG, Urteil vom 31. Mai 2007 – 2 AZR 200/06, Rn. 19, NZA 2007, 922 ff.; BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04, Rn. 27 mwN, NZA 2006, 98 ff.; Kramer, NZA 2004, 457, 459; Mengel, NZA 2005, 752, 753). Bei einer privaten Internetnutzung ebenso wie Privattelefonaten oder der Verrichtung von Neben- und privaten Tätigkeiten während der Arbeitszeit verletzt der Arbeitnehmer seine arbeitsvertragliche (Hauptleistungs-)Pflicht zur Arbeit, nämlich die Pflicht zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung. Private Telefonate und die private Internetnutzung während der Arbeitszeit dürfen die Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht erheblich beeinträchtigen. Die Pflichtverletzung wiegt dabei umso schwerer, je mehr der Arbeitnehmer bei der privaten Nutzung des Internets seine Arbeitspflicht in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht vernachlässigt (BAG, Urteil vom 31. Mai 2007 – 2 AZR 200/06, Rz. 19, juris; BAG, Urteil vom 27. April 2006 – 2 AZR 386/05, Rz. 25; BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04, Rz. 27, NZA 2006, 98 ff.; Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Februar 2018 – 7 Sa 406/17, Rn. 78, juris; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Januar 2016 – 5 Sa 657/15, Rn. 76, juris). Nutzt der Arbeitnehmer während seiner Arbeitszeit den Dienst-PC in erheblichem zeitlichen Umfang für private Angelegenheiten, kann er grundsätzlich nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde dies tolerieren. Er muss vielmehr damit rechnen, dass der Arbeitgeber nicht damit einverstanden ist, wenn sein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung in dieser Zeit nicht erbringt und gleichwohl eine entsprechende Vergütung dafür beansprucht (vgl. nur BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04, Rz. 27, NZA 2006, 98 ff.; Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 17. Juni 2016 – 16 Sa 1711/15, Rn. 84, juris).96

cc)              Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zuzumuten ist oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind (BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11, Rn. 21 mwN, NJW 2013, 104 ff.).97

dd)              Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Einer entsprechenden Abmahnung bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 in Verbindung mit § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 19. April 2012 – 2 AZR 186/11, Rn. 22 mwN, NJW 2013, 104 ff.).98

b)              Hieran gemessen stellt der dem Kläger durch die Beklagte vorgeworfene Arbeitszeitbetrug durch private Nutzung von Internet und E-Mail vom 28.11.2017, 29.11.2017 und 01.03.2018 sowie in den Monaten November 2017 bis einschließlich Februar 2018 einen an sich geeigneten Kündigungsgrund dar (1. Stufe). Die Täuschung des Arbeitgebers darüber, dass ein Arbeitnehmer gearbeitet habe, während tatsächlich – wegen Privattätigkeiten – keine Arbeitsleistung erbracht wurde, stellt regelmäßig einen Grund dar, der geeignet ist, das Arbeitsverhältnis durch Arbeitgeberkündigung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist zu beenden (vgl. unter anderem Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 29. September 2014 – 2 Sa 181/14, Rn. 27, NZA-RR 2015 128, 129). Der Kläger hat den ihm vorgeworfenen Arbeitszeitbetrug zulasten der Beklagten zur Überzeugung der Berufungskammer begangen.99

aa)              Die Beklagte hat den Arbeitszeitbetrug des Klägers durch private Tätigkeiten während der Arbeitszeit, indem der Kläger entgegen des am 23.11.2017 – nachträglich – vereinbarten ausdrücklichen Verbots der Privatnutzung des dienstlichen Laptops zu privaten Zwecken im Internet „gesurft“ ist und E-Mails zu privaten Zwecke von Dritten gelesen und an diese geschrieben hat, in Ergänzung zu der unstreitigen E-Mail-Korrespondenz mit dem Vater am 29.11.2017, wie folgt begründet und dargelegt:100

              Am 28.11.2017 habe der Kläger ab 08:40 Uhr bis 17:17 Uhr über den Browser Mozilla Firefox insgesamt 616 Webseiten zu privaten Zwecken aufgerufen, zB. Facebook, Spiegel-Online, Whatsapp, Booking.com, Landal Ferienparks, Kinderhotels, Familien Parks, Bild.de, 1&1-Email (für Frau V W = Mutter des Klägers) und softeware–billiger.de (Suche für den Vater des Klägers, insgesamt 15 URLs im Zusammenhang mit einer Lizenz für Windows 10). Im Zeitraum von 11:47 Uhr bis ca. 15:42 Uhr entfallen nahezu sämtliche Web-Aufrufe auf die Homepages von Autoscout24, Autohaus S , Autohaus H , Peugeot, Autohaus K , RKG Autohaus, Autocenter D und automobile.de. Insgesamt wurden in dem zuletzt genannten Zeitraum über 290 URLs in Bezug auf Autorecherchen aufgerufen. Mit allen drei Browsern habe der Kläger an dem Tag über 860 URLs aufgerufen, dh. im Schnitt alle 33,49 Sekunden. Bzgl. der URL-Aufrufe wird auf den Internet-Browser-Verlauf auf Bl. 97-107 d.A. (= Anlage B 7 zum Schriftsatz der Beklagten vom 03.07.20118) Bezug genommen. Am 28.11.2017 habe der Geschäftsführer der Beklagten zudem einen auswärtigen Gesprächstermin gehabt, wo allein die Anreisezeit mit dem Auto zwei Stunden betrage, dh. der Kläger habe die Beklagte bewusst hintergehen wollen.101

              Am 29.11.2017 habe der Kläger zwischen 8:28 Uhr und 14:55 Uhr insgesamt 174 URLs im Zusammenhang mit Autorecherchen aufgerufen. Zwischenzeitlich erfolgte die unstreitige E-Mail-Korrespondenz mit dem seinem Vater, wobei der Kläger die in den E-Mails genannten URLs aufgerufen habe.102

              Am 01.03.2018 habe der Kläger zwischen 10:24 Uhr und 17:40 Uhr 205 Webseiten zu privaten Zwecken aufgerufen, ua. Facebook, Spiegel-Online, Kunde S D , Videos auf Youtube, Bild.de, Express.de. Insofern wird auf die Daten aus dem Log-File des Internet-Browsers auf Bl. 122-125 d.A. (= Anlage B 8 zum Schriftsatz der Beklagten vom 03.07.2018)103

              Ferner habe der Kläger in der Zeit vom 21.11.2017 bis zum 27.02.2018 über den Internet-Browser insgesamt 500 Aufrufe der Outlook Web App bzgl. einer E-Mail-Adresse aufgerufen, die bei seinem vormaligen Arbeitgeber (Firma S D ) gehostet wird. Bzgl. der Daten (Tag, Uhrzeit) der einzelnen Aufrufe wird auf Bl.  258-264 d.A. Bezug genommen.104

              Des Weiteren habe der Kläger im Zeitraum vom 06.11.2017 bis zum 28.02.2018 an 32 unterschiedlichen Tagen während der Arbeitszeit über 80 Änderungen an der Webseite der Mutter (https://www.m .de/) vorgenommen und dafür insgesamt rund 9 Stunden aufgewandt. Hinzu kämen noch rund 35 E-Mails an die Mutter bzgl. der Änderungen. Bzgl. der einzelnen Zeiträume der Änderungen wird auf Bl. 412-418 d.A. Bezug genommen.105

              Zwischen dem 02.11.2017 und dem 01.03.2018 habe der Kläger zudem 559 Mal sein E-Mail-Konto ( w @p .de) seiner privaten Firma (P ) von seinem Laptop aufgerufen, wobei der Kläger insofern 90 E-Mails bearbeitet habe. Diese Aufrufe fanden zu allen Uhrzeiten des Arbeitstages statt.106

bb)              Die diesbezüglichen Einlassungen des Klägers sind nicht erheblich. Der von der Beklagten vorgetragene Sachverhalt zum Umfang der privaten Nutzung von Internet und E-Mail über den dienstlichen Laptop ist daher gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden anzusehen. Einer Beweisaufnahme bedurfte es nicht.107

              Im Hinblick auf die allgemeinen Grundsätze der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Zivilprozess ist zunächst an den Wortlaut des § 138 ZPO zu erinnern, der wie folgt lautet:108

„(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.109

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.110

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.111

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.“112

              Die aus Absatz 1 folgende Wahrheitspflicht obliegt den Parteien und ihren Bevollmächtigten im Interesse einer geordneten Rechtspflege dem Gericht und dem Gegner gegenüber. Sie ist Pflicht zur subjektiven Wahrhaftigkeit im Sinne eines Verbots der wissentlichen Falschaussage und erstreckt sich auf Behauptung und Bestreiten tatsächlicher Umstände. Ein Verstoß gegen die Wahrheitspflicht ist die bewusste Behauptung unwahrer Tatsachen, ebenso das Verschweigen bekannter Tatsachen, deren Vortrag für die begehrte Entscheidung erforderlich ist, sowie das eigener Überzeugung widersprechende Bestreiten. Erkennbar unwahres Vorbringen bleibt im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO unberücksichtigt.113

              Die Pflicht zum vollständigen Vortrag im Sinne des § 138 Abs. 1 ZPO besagt, dass die darlegungspflichtige Partei keine relevanten Tatsachen unterdrücken darf, was im Grunde schon aus der Wahrheitspflicht folgt, sich aber insbesondere auf die Frage auswirkt, wie umfangreich der Gegner nach § 138 Abs. 2 ZPO zu erwidern hat. Diese Erklärungslast des Gegners nach Abs. 2 ist in Bestehen und Umfang im Übrigen davon abhängig, wie die darlegungspflichtige Partei zuvor vorgetragen hat und welche Tatsachen unstreitig sind. Die Erklärungen müssen gleichermaßen den Anforderungen des Abs. 1 folgen, sie müssen also wahr und vollständig sein.114

              Die Verteilung der Darlegungslast zwischen der klagenden und der beklagten Partei folgt im Übrigen grundsätzlich aus der allgemeinen Beweislastregelung, der zufolge jeder, der sich auf eine ihm günstige Norm beruft, deren Voraussetzungen darlegen und beweisen muss. Dieser Grundsatz ist in den letzten Jahren zunehmend durch die Rechtsprechung des BGH zur sogenannten „sekundären Darlegungslast“ geprägt und teilweise aufgehoben worden. Ihr zufolge darf sich der Gegner der primär darlegungspflichtigen Partei nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1982 – VIII ZR 279/81, juris; BGH, Urteil vom 14. Juni 2005 – VI ZR 179/04, juris). In diesen Fällen kann vom Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache unter Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (BGH, Urteil vom 17. Januar 2008 – III ZR 239/06, juris). Genügt er dem nicht, ist der gegnerische Vortrag gemäß Abs. 3 als zugestanden anzusehen (st. Rspr; vgl. nur BGH, Urteil vom 19. Februar 2014 – I ZR 230/12, juris; siehe hierzu und mit weiteren Nachweisen: Greger in Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 138 ZPO, Rn. 7 ff.; Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 31. Oktober 2018 – 6 Sa 652/18, Rn. 147, juris). In diesem Falle bedarf es also keiner Beweisaufnahme zum Beweis der von beweisbelasten Hauptpartei behaupteten Tatsachen.115

cc)              Hieran gemessen steht zur Überzeugung der erkennenden Berufungskammer iSv. § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufgrund des konkreten Sachvortrags der Beklagten und des nicht hinreichend substantiierten Bestreitens des Klägers sowie der unstrittigen E-Mail-Korrespondenz zwischen ihm und seinem Vater fest, folgendes Ausmaß eines Arbeitszeitbetruges fest:116

(1)              Am 28.11.2017 hat der Kläger von 08:40 Uhr bis 17:17 Uhr über den Browser Firefox von seinem Laptop insgesamt 616 Webseiten zu privaten Zwecken – zB. Facebook, Spiegel-Online, Whatsapp, Booking.com, Landal Ferienparks, Kinderhotels, Familien Parks, Bild.de, 1&1-Email (für Frau V W = Mutter des Klägers) – und damit im Schnitt alle 50 Sekunden (= 517 Minuten = 31.020 Sekunden / 616) eine andere URL aufgerufen. Im Zeitraum von 11:47 Uhr bis ca. 15:42 Uhr entfallen 290 URL-Aufrufe auf die Homepages von Autoscout24, Autohaus S , Autohaus H , Peugeot, Autohaus K , RKG Autohaus, Autocenter D und automobile.de, was einen URL-Aufruf alle 49 Sekunden durchschnittlich bedeutet. Und mit allen drei Browsern hat der Kläger an dem Tag über 860 URLs aufgerufen, was im Schnitt alle 36 Sekunden einen URL-Aufruf bedeutet. Die Beklagte hat in der Anlage B 7zum Schriftsatz vom 03.07.2018 (Bl. 97-107 d.A.) die einzelnen URL-Aufrufe und die Uhrzeiten dargelegt. Hierzu gehören auf die 15 URL-Aufrufe im Zusammenhang mit der Lizenz für Windows 10 für den Vater des Klägers (www.software-billiger.de). Dem ist der Kläger nicht erheblich entgegen getreten. Er hat sich zu den einzelnen Seiten-Aufrufen nicht näher eingelassen, weil er es aus seiner Erinnerung heraus nicht mehr könnte. Dies ist mit § 138 ZPO nicht zu vereinbaren, denn die Beklagte kann nicht mehr tun, als die unerlaubten URL-Aufrufe aufzuzeigen. Soweit der Kläger behauptet, er habe URLs zu privaten Zwecken nur während der Pausenzeiten aufgerufen, ist dies offensichtlich unzutreffend, denn der Kläger hat nicht den ganzen Arbeitstag oder zumindest – soweit es die Autoseiten-Aufrufe betrifft – von 11:47 bis 15:42 Uhr Mittagspause gemacht. Der Kläger hat daher mittlerweile eine halbe Stunde insgesamt (dh. am 28./29.11.2017 zusammen) für Privatnutzung des Internets zugestanden, ohne allerdings klar darzulegen, wann diese im Einzelnen gewesen sein soll. Auch hat er nicht dargelegt, ob und wann er dann an dem Tag seine Mittagspause genommen soll. Insgesamt steht damit zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger den gesamten 28.11.2017 nicht gearbeitet hat, denn bei der durchschnittlichen Zeitspanne der einzelnen URL-Aufrufe kann dazwischen keine sinnvolle Arbeitsleistung des Klägers liegen. Soweit der Kläger behauptet, dass er während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ganz viele und umfangreiche Projekte und Tätigkeiten ausgeübt hat, hat der Kläger nicht konkret dargelegt, welche Arbeitsleistung er denn konkret am 28.11.2017 erbracht haben will. Er hat sich im Übrigen auch nicht dagegen gewandt, dass der Zeitraum von 08:40 Uhr bis 17:17 Uhr Arbeitszeit gewesen wäre, denn der Kläger hat sich sogar einer Mehrarbeit an diesem Tag berühmt und er hat auch die Vergütung für diesen Arbeitstag erhalten.117

(2)              Am 29.11.2017 hat der Kläger – während er mit seinem Vater diverse E-Mails bzgl. des beabsichtigten Autokaufs schrieb – zwischen 8:28 Uhr und 14:55 Uhr insgesamt 174 URLs im Zusammenhang mit Autorecherchen aufgerufen, was durchschnittlich alle zwei Minuten einen URL-Aufruf bedeutet. Zwischenzeitlich erfolgte die unstreitige E-Mail-Korrespondenz mit seinem Vater, wobei der Kläger die in den E-Mails genannten URLs aufgerufen hat. Ausgehend von drei Minuten Arbeitszeit für das Lesen einer E-Mail und deren Beantwortung (vgl. hierzu Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 15. Mai 2010 – 12 Sa 875/09, Rn. 43, NZA-RR 2010, 505 ff. = MMR 2010, 639 ff.), ergibt sich bei isolierter Betrachtung der insgesamt 13 E-Mails bereits ein Zeitaufwand von 39 Minuten. Nach Überzeugung der Berufungskammer hat jedoch der Kläger auch an diesem Tag keine Arbeitsleistung erbracht. Dies ergibt sich daraus, dass der Kläger zwischen 8:28 Uhr und 14:55 Uhr insgesamt 174 URLs im Zusammenhang mit seiner Autorecherche aufrief und mit seinem Vater regen E-Mail-Korrespondenz betreffend die Autorecherche führte. Insoweit genügt das pauschale Bestreiten des Klägers zu den konkreten Vorhaltungen der Beklagten nicht, sondern hat gemäß § 138 Abs. 3 ZPO die Geständnisfiktion zur Folge. Dies folgt daraus, dass der Kläger selbst am 29.11.2017 um 09:47 Uhr an seinen Vater schrieb, dass bei ihm langsam aber stetig der Gedanke, sein Auto zu wechseln, reift. In der gesamten E-Mail-Korrespondenz zwischen ihm und seinem Vater, die sich über den gesamten Arbeitstag zog, ging es ausschließlich um die Anschaffung eines neuen Privatwagens. Zudem ergibt sich aus den E-Mails, dass der Kläger sich u.a. die von seinem Vater vorgeschlagenen Autos auch auf dem Firmenrechner der Beklagten während seiner Arbeitszeit ansah. Dies ergibt sich beispielsweise daraus, dass er in der E-Mail von 10:50 Uhr seinem Vater schrieb, dass beide Autos zu seinen Anforderungen passen. Hätte sich der Kläger die von seinem Vater vorgeschlagenen Kfz nicht angesehen, wäre ihm eine entsprechende Beurteilung nicht möglich gewesen. Dasselbe ergibt sich aus den E-Mails von 15:39 Uhr und von 15:57 Uhr, wo der Vater dem Kläger eine Kfz-Konfiguration samt Rabatt übersendet, auf die der Kläger antwortet. Auch hat der Kläger an diesem Tag Arbeitszeit darauf verbracht, selbst Kfz im Internet zu recherchieren. Dies zeigt sich unter anderem an seiner E-Mail an seinen Vater von 13.17 Uhr in der er schreibt: „Was hältst Du denn von dem Wagen”? Der E-Mail war ein Link auf ein bestimmtes Auto beigefügt. Des Weiteren schrieb der Kläger in dieser E-Mail, dass es ihm sehr gut gefällt, dass die Türen sich nach hinten öffnen, da er vor der Tür nicht so viel Platz hat. Eine Genehmigung für die Internetrecherche durch die Beklagte gab es nicht. Einen dienstlichen Zweck, wonach der Besuch u.a. der Internetseite Mobile.de zu Recherchezwecken für die Beklagte erfolgt sei, ist eine nicht näher dargelegt Behauptung des Klägers, die die Berufungskammer als reine Schutzbehauptung bewertet. Der Kläger hat nicht dargelegt, welche programmiertechnischen Features dieser Homepage für die – nach den Behauptungen der Beklagten zu diesem Zeitpunkt noch nicht begonnene – Skylife-App relevant gewesen sein sollen. Soweit der Kläger mittlerweile eine halbe Stunde insgesamt (dh. am 28./29.11.2017 zusammen) für die Privatnutzung des Internets zugestanden hat, hat er allerdings nicht dargelegt, wann diese im Einzelnen gewesen sein soll. Auch hat er nicht dargelegt, ob und wann er dann an dem Tag seine Mittagspause genommen soll, so dass es unsubstantiiert ist, wenn der Kläger behauptet, er habe die gesamte Suche nach einem Auto innerhalb seiner Pausenzeit vorgenommen. Dies würde nämlich bedeuten, dass der Kläger von 08:28 Uhr (Beginn der Internetrecherche zu Kfz) bis einschließlich 16:04 Uhr (= Uhrzeit der letzten E-Mails des Vaters des Klägers an diesem Tag) Pause hat. Die Berufungskammer ist zudem – ebenso wie das Arbeitsgericht – zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger sich nicht nur minutenweise mit dem Thema der Autorecherche an diesem Tag auseinandergesetzt hat, sondern vielmehr den gesamten Arbeitstag hierauf verwendete. Bei einem durchschnittlichen Aufrufe einer neuen URL alle zwei Minuten und einem durchgehenden und nicht nur knappen E-Mail-Verkehr mit dem Vater, wobei alle E-Mails jeweils auf die vorherige E-Mail antworten oder zumindest damit im Zusammenhang stehen, bleibt für eine Arbeitsleistung an diesem Tag nichts übrig. Die Auswertung der Angaben auf einer URL, auf der Gebrauchtwagen abgebildet und bei denen es teilweise um die genaue Autokonfiguration (zB. Klimaanlage, Navigationssystem, Sitzheizung) und den Endpreis, ggfls. mit Rabatt, geht, nimmt erheblich Zeit in Anspruch, wobei die Kammer insofern durchschnittlich drei Minuten veranschlagt. Dies entspricht der Lebenserfahrung der Berufungskammer, da alle erkennenden Richter bereits selbst Autorecherche im Internet vorgenommen haben. Soweit der Kläger behauptet, dass er während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ganz viele und umfangreiche Projekte und Tätigkeiten ausgeübt hat, hat der Kläger nicht konkret dargelegt, welche Arbeitsleistung er denn konkret am 29.11.2017 erbracht haben will. Er hat sich im Übrigen auch nicht dagegen gewandt, dass der Zeitraum von 08:28 Uhr bis 16:04 Uhr Arbeitszeit gewesen wäre, denn der Kläger hat sich sogar einer Mehrarbeit an diesem Tag berühmt und er hat auch die Vergütung für diesen Zeitraume erhalten.118

(3)              Am 01.03.2018 hat der Kläger zwischen 10:24 Uhr und 17:40 Uhr 205 Webseiten zu privaten Zwecken aufgerufen, ua. Facebook, Spiegel-Online, Kunde S D , Videos auf Youtube, Bild.de, Express.de, dh. im Schnitt alle zwei Minuten eine neue URL. Die Beklagte hat in der Anlage B 8 zum Schriftsatz vom 03.07.2018 (Bl. 122-125 d.A.) die einzelnen URL-Aufrufe und die Uhrzeiten dargelegt. Dem ist der Kläger nicht erheblich entgegen getreten. Er hat sich zu den einzelnen Seiten-Aufrufen nicht näher eingelassen, weil er es aus seiner Erinnerung heraus nicht mehr könnte. Dies ist mit § 138 ZPO nicht zu vereinbaren, denn die Beklagte kann nicht mehr tun, als die unerlaubten URL-Aufrufe aufzuzeigen. Soweit der Kläger behauptet, er habe URLs zu privaten Zwecken nur während der Pausenzeiten aufgerufen, ist dies offensichtlich unzutreffend, denn der Kläger hat nicht den ganzen Arbeitstag von 10:24 bis 17:40 Uhr Mittagspause gemacht, zumal der Kläger nicht dargelegt hat, ob und wann er dann an dem Tag seine Mittagspause genommen soll. Insgesamt steht damit zur Überzeugung der Berufungskammer fest, dass der Kläger damit auch den gesamten 01.03.2018 nicht gearbeitet hat, denn bei der durchschnittlichen Zeitspanne der einzelnen URL-Aufrufe kann dazwischen keine sinnvolle Arbeitsleistung des Klägers liegen. Soweit der Kläger behauptet, dass er während der Dauer des Arbeitsverhältnisses ganz viele und umfangreiche Projekte und Tätigkeiten ausgeübt hat, hat der Kläger nicht konkret dargelegt, welche Arbeitsleistung er denn konkret am 01.03.2018 erbracht haben will. Er hat sich im Übrigen auch nicht dagegen gewandt, dass der Zeitraum von 10:24 Uhr bis 17:40 Uhr Arbeitszeit gewesen wäre, denn der Kläger hat auch die Vergütung für diesen Zeitraum erhalten.119

(4)              Ferner hat der Kläger in der Zeit vom 21.11.2017 bis zum 27.02.2018 über den Internet-Browser insgesamt 500 Aufrufe der Outlook Web App bzgl. einer E-Mail-120

Adresse aufgerufen, die bei seinem vormaligen Arbeitgeber (Firma S D ) gehostet wird. Bzgl. der Daten (Tag, Uhrzeit) der einzelnen Aufrufe wird auf Bl. 258-264 d.A. Bezug genommen. Auch hier ist der Kläger dem Sachvortrag der Beklagten nicht erheblich entgegen getreten. Er hat sich mit den einzelnen Zeitangaben der Beklagten nicht näher auseinandergesetzt. Der Sachvortrag der Beklagten gilt insofern gemäß den obigen Ausführungen gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden. Eine dienstliche Veranlassung ist nicht zu erkennen. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang lediglich eine Konkurrenztätigkeit bei seinem früheren Arbeitgeber bestritten, nicht aber insofern die nicht-dienstliche und damit private Nutzung des Internets während der Arbeitszeit. Die Kammer geht insofern bezogen auf den Login-Vorgang und den E-Mail-Check von durchschnittlich einer Minute aus und damit von insgesamt 500 Minuten (was mehr als ein ganzen Arbeitstag á acht Stunden ausmacht) an Zeit aus, die der Kläger in dem Zeitraum nicht gearbeitet hat und damit die Beklagte geschädigt hat.121

(5)               Ferner hat der Kläger im Zeitraum vom 06.11.2017 bis zum 28.02.2018 an 32 unterschiedlichen Tagen während der Arbeitszeit über 80 Änderungen an der Webseite der Mutter (https://www.m .de/) vorgenommen und dafür insgesamt rund 9 Stunden aufgewandt. Hinzu kommen noch rund 35 E-Mails an die Mutter bzgl. der Änderungen. Bzgl. der einzelnen Zeiträume der Änderungen und der E-Mails wird auf Bl. 412-418 d.A. Bezug genommen. Auch hier ist der Kläger dem Sachvortrag der Beklagten nicht erheblich entgegen getreten. Er hat sich mit den einzelnen Zeitangaben der Beklagten nicht näher auseinandergesetzt. Der Sachvortrag der Beklagten gilt insofern gemäß den obigen Ausführungen gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden Eine dienstliche Veranlassung ist nicht zu erkennen. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang lediglich eine Konkurrenztätigkeit bestritten, nicht aber insofern die nicht-dienstliche und damit private Nutzung. Auch dem von der Beklagten geschätzten Zeitumfang der Privatnutzung ist der Kläger nicht entgegen getreten und für die Berufungskammer erscheint dieser plausibel.122

(6)              Schließlich hat der Kläger im Zeitraum vom 02.11.2017 bis zum 01.03.2018 insgesamt 559 Mal sein E-Mail-Konto ( .w @ .de) seiner privaten Firma (P ) von seinem Laptop aufgerufen, wobei der Kläger insofern 90 E-Mails bearbeitet hat, wobei diese Aufrufe zu allen Uhrzeiten des Arbeitstages stattfanden. Auch hier ist der Kläger dem Sachvortrag der Beklagten nicht erheblich entgegen getreten. Der Sachvortrag der Beklagten gilt insofern gemäß den obigen Ausführungen gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden Eine dienstliche Veranlassung ist nicht zu erkennen. Ausgehend von geschätzten drei Minuten für das Lesen und Beantworten einer E-Mail (vgl. hierzu Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Urteil vom 15. Mai 2010 – 12 Sa 875/09, Rn. 43, NZA-RR 2010, 505 ff. = MMR 2010, 639 ff.) ist insofern von weiteren 270 Minuten und damit weiteren 4,5 Stunden auszugehen, an denen der Kläger nicht gearbeitet hat.123

(7)              Damit hat der Kläger im Ergebnis an drei Tagen (28.11.2017, 29.11.2017 und 01.03.2018) sowie im Zwischenzeitraum über kumuliert mehrere Stunden und damit an mehr als fünf kompletten Arbeitstagen, was wiederum mindestens einer Arbeitswoche entspricht, aufgrund von als exzessiv zu bewertenden privaten Tätigkeiten im Internet während der Arbeitszeit seine Hauptleistungspflicht verletzt.124

(8)               Soweit der Kläger den genannten URL-Aufrufen, die an den einzelnen Tagen bzw. in den genannten Zeiträumen erfolgt ist, generell entgegen hält, dass aus Erfahrung der gesuchten Seiten im Nachhinein die Webseite erneut besucht wurde um zu schauen, wie ein entsprechendes Feature programmiertechnisch umgesetzt wurde, ist dies für die Berufungskammer nicht nachvollziehbar. Entsprechendes gilt für seine Einlassung, wonach verschiedene Features für die App gewünscht gewesen seien, die auf diesen Seiten teilweise vorzufinden waren. Der Kläger hat damit keinen dienstlichen Bezug hinreichend substantiiert dargelegt. Er hätte dafür vielmehr darlegen müssen, mit welcher konkreten Tätigkeit er im Zeitpunkt des jeweiligen URL-Aufrufs betraut war und welches Feature von welcher URL er für seine Arbeit benötigt hätte, damit die Beklagte sich ihrerseits im Rahmen von § 138 ZPO darauf hätte einlassen können.125

(9)              Soweit der Kläger der Beklagten die Manipulation der Log-Dateien der Internet-Browser durch Veränderung der Zeitangaben vorwirft, ist dies als eine Behauptung ins Blaue hinein zu bewerten. Dieser Vorwurf ist durch nichts belegt. Selbst wenn es generell relativ einfach wäre, die Browserchronik zu verändern, bedeutet dies nicht, dass die Beklagte dies getan hätte. Dies gilt umso mehr, als der Kläger dem Geschäftsführer der Beklagten ohnehin attestiert, ein Quereinsteiger in die IT zu sein und damit über keine IT-Kenntnisse zu verfügen. Soweit der Kläger einzelne URL-Aufrufe benannt hat, die nicht von ihm stammen können, weil sich aus den GPS-Standortdaten seines Mobiltelefons abweichende Ortsangaben ergeben sollen, ist darauf hinzuweisen, dass es um die Auswertung eines Laptops, dh. eines transportablen Computers geht. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass er den Laptop nicht dabei gehabt hätte. Außerdem ist auch nicht zu erkennen, dass die Standortdaten des Mobiltelefons des Klägers zwingend richtig sind. Und selbst wenn einzelne URL-Aufrufe nicht vom Kläger stammen sollten, bedeutete dies nicht, dass die restlichen Angaben bzgl. der URL-Aufrufe unzutreffend wären. Der Kläger kann jedenfalls mit dem nicht belegten Manipulationsvorwurf seine sekundäre Darlegungs- und Beweislast nicht wiederum auf die Beklagte verlagern.126

(10)               Letztlich schließen auch etwaige geleistete Überstunden des Klägers entgegen dessen Auffassung den dargelegten Arbeitszeitbetrug nicht aus. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, er habe nicht alle tatsächlich geleisteten Überstunden geltend gemacht, so dass er Privattätigkeiten während der Arbeitszeit nicht „einfach“ mit Überstunden „verrechnen kann“. Abgesehen davon, dass schon nicht zu erkennen ist, ob diese behaupteten Überstunden überhaupt geleistet und von der Beklagten angeordnet oder zumindest geduldet wurden oder sonst wie zur Erbringungen der Arbeitsleistung erforderlich waren, ist der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung zur Ableistung der geschuldeten Arbeitszeit nicht dadurch gerechtfertigt, dass die Arbeitsleistung ggfls. zu anderen Zeiten erbracht wurde (vgl. BAG, Urteil vom 13. Dezember 2018 – 2 AZR 370/18, Rn. 22, juris).127

dd)              Soweit die vorliegenden Sachverhalte der Beklagten, gesetzlich vertreten durch ihren Geschäftsführer K , bei Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung am 07.03.2018 noch nicht – vollständig – bekannt gewesen sein sollten, sondern erst durch den IT-Sachverständigen und dessen Gutachten vom 01.07.2018 bekannt wurden, hat dies vorliegend keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Kündigung, da es durchweg um tatsächliche Umstände handelt, die bereits vor Ausspruch der Kündigung objektiv vorlagen. Wenn und soweit diese erst später bekannt gewordenen Umstände in den Kündigungsschutzprozess eingeführt werden, handelt sich insofern um ein sog. Nachschieben von Kündigungsgründen, das in nicht-mitbestimmten Betrieben – wie bei der Beklagten – nach der Rechtsprechung des BAG ohne weiteres zulässig ist. Dies gilt auch bei § 626 BGB, denn die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB gilt nur für die Erklärung der Kündigung. Ist die Kündigung als solche rechtzeitig erklärt, schließt § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB ein Nachschieben nachträglich bekannt gewordener Gründe nicht aus (BAG, Urteil vom 23. Mai 2013 – 2 AZR 102/12, Rn. 33, juris; siehe bereits BAG, Urteil vom 4. Juni 1997 – 2 AZR 362/96, zu II 3 b der Gründe, BAGE 86, 88). Für die Beurteilung, ob ein nachgeschobener Sachverhalt dem Arbeitgeber schon im Kündigungszeitpunkt bekannt war, kommt es auf den Wissensstand des Kündigungsberechtigten an, dh. vorliegend ausschließlich Herrn K . Zu fordern ist in sachlicher Hinsicht – wie im Rahmen von § 626 Abs. 2 BGB – eine positive, vollständige Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen. In personeller Hinsicht kommt es hier – wie bei § 626 Abs. 2 BGB – auf die entsprechende Kenntnis in der Person des Kündigungsberechtigten an. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber um eine juristische Person, ist grundsätzlich maßgeblich die Kenntnis des gesetzlich oder satzungsgemäß für die Kündigung zuständigen Organs (siehe BAG, Urteil vom 18. Juni 2015 – 2 AZR 256/14 –, Rn. 48, juris).128

ee)              Einer prozessualen Verwertung der Inhalte der E-Mails auf dem dienstlichen Laptop und der Einträge in den Log-Dateien der Internet-Browser steht auch kein sog. prozessuales Verwertungsverbot (vgl. GMP/Prütting, 9. Aufl. 2018, § 58 ArbGG Rn. 34 ff, wobei die jüngste Rechtsprechung des 2. Senats des BAG dies umfassender als sein „Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot“ bezeichnet, vgl. BAG, Urteil vom 27 Juli .2017 – 2 AZR 681/16, Rn. 16, NZA 2017, 1327, 1328) entgegen. Auch wenn der Kläger als betroffener Arbeitnehmer sich vorliegend – vorsorglich – weder auf die Rechtswidrigkeit der Informations- und Beweismittelbeschaffung berufen noch deren prozessuale Verwertung gem. § 295 ZPO gerügt hat, um dadurch die Rechtswirkungen des § 138 Abs. 3 ZPO (siehe oben) zu verhindern (vgl. HWK/Lembke, 8. Aufl. 2018, Vorb. BDSG, Rn. 112; Pötters/Wybitul, NJW 2014, 2074 (2079); vgl. auch BAG, Urteil vom 16. Dezember 2010 – 2 AZR 485/08, Rn. 32 und 34, NZA 2011, 571, 574; Schreiber ZZP 122 (2009), 227, 241), müssen die erkennenden Gerichte aufgrund der verfassungsrechtlichen Determinierung von Amts wegen prüfen, ob ein prozessuales Verwertungsverbot eingreift, sobald sich aus dem Vorbringen des Prozessgegners und seiner Beweisantritte Anhaltspunkte für „Verwertbarkeitszweifel“ ergeben (Niemann, JbArbR Bd. 55 S. 41, 63 f.). Solche Zweifel werden vorliegend zugunsten des Klägers unterstellt, da er „massive Datenverstöße“ der Beklagten gerügt hat.129

(1)               Weder die ZPO noch das ArbGG enthalten – ausdrückliche – Regelungen zur prozessualen Unverwertbarkeit rechtswidrig erlangter Informationen oder Beweise. Vielmehr gebieten der Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG und der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO iVm § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG) durch die Tatsachengerichte grundsätzlich die Berücksichtigung des Sachvortrags der Parteien und der von ihnen angebotenen Beweismittel. Im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren gelten wie im Zivilprozess die Dispositionsmaxime und der Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz. Das Zivil- oder Arbeitsgericht darf nur die von den Parteien vorgebrachten Tatsachen verwerten. Umgekehrt ist es zugleich an den Vortrag der Parteien und einen ihm unterbreiteten, entscheidungserheblichen Sachverhalt gebunden. Der Tatsachenvortrag einer Partei kann nicht ohne gesetzliche Grundlagen unbeachtet und „unverwertet“ bleiben. Ordnungsgemäß in den Prozess eingeführten Sachvortrag muss das Gericht grundsätzlich berücksichtigen. Das Zivilprozessrecht kennt grundsätzlich kein Verbot der „Verwertung” von entscheidungserheblichem Sachvortrag. Dementsprechend bedarf es für die Annahme eines Beweisverwertungsverbots, das zugleich die Erhebung der angebotenen Beweise hindern soll, einer besonderen Legitimation und gesetzlichen Grundlage (BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 546/12, Rn. 20, NZA 2014, 143, 145). Dies gilt ebenso für ein etwaiges Sachvortragsverwertungsverbot (BAG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 848/15, Rn. 21 mwN, NZA 2017, 112, 113; siehe auch Reitz NZA 2017, 273, 277). Prozessuale Verwertungsverbote stellen also die begründungsbedürftige Ausnahme dar (Zöller/Greger, 33. Aufl. 2020, § 286 ZPO Rn. 15 ff.).130

              Ein das Gericht bindendes Beweisverwertungsverbot oder ein Verbot, selbst unstreitigen Sachvortrag zu verwerten, kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn dies auf einer gesetzlichen Grundlage beruht, oder weil dies aufgrund einer verfassungsrechtlich geschützten Position einer Prozesspartei zwingend geboten ist („verfassungsrechtliches Verwertungsverbot“) (Schreiber ZZP 122 (2009), 227, 229; BAG, Urteil vom 16. Dezember 2010 – 2 AZR 485/08, Rn. 29, NZA 2011, 571 ff.). Das Gericht tritt den Verfahrensbeteiligten im Zivil- und Arbeitsgerichtsprozess in Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber. Es ist daher nach Art. 1 Abs. 3 GG bei der Urteilsfindung an die insoweit maßgeblichen Grundrechte gebunden und zu einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung (Art. 20 Abs. 3 GG), insbesondere zur fairen Handhabung des Prozess- und Beweisrechts bzw. einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung (BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16, Rn. 16, NZA 2017, 1327, 1328) verpflichtet (BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2007 – 1 BvR 421/05, Rn. 93 mwN, BVerfGE 117, 202ff. = NJW 2007, 753 ff.; BAG, Urteil vom 16. Dezember 2010 – 2 AZR 485/08, Rn. 31, NZA 2011, 571, 573). Dabei können sich auch aus materiellen Grundrechten wie dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG) Anforderungen an das gerichtliche Verfahren ergeben, wenn es um die Offenbarung und Verwertung von persönlichen Daten des Arbeitnehmers geht, die grundrechtlich vor der Kenntnis durch Dritte geschützt sind (BAG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 848/15, Rn. 23, NZA 2017, 112, 113). Das Gericht hat deshalb zu prüfen, ob die Verwertung von persönlichen Daten und Erkenntnissen, die bspw. heimlich beschafft wurden, mit datenschutzrechtlichen Belangen (insbesondere Art. 88 DSGVO iVm. § 26 BDSG) oder mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des hiervon betroffenen Beweisgegners vereinbar sind (BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 – 2 AZR 153/11, Rn. 28, NZA 2012, 1025, 1027); BGH, Urteil vom 15. Mai 2013 – XII ZB 107/08, Rn. 21, NJW 2013, 2668 ff.), selbst wenn die rechtswidrige Beschaffung nicht vom Gericht veranlasst wurde. Auch wenn keine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betroffen ist, greift die Verwertung von personenbezogenen Daten in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein, das die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden (BAG, Urteil vom 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16, Rn. 16, NZA 2017, 1327, 1328); BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 546/12, Rn. 21, NZA 2014, 143, 145). Dem Schutz des Grundrechts eines jeden, selbst zu entscheiden, ob persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, dienen auch Art. 8 Abs. 1 EMRK sowie Art. 7 und 8 GRCh (BAG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 848/15, Rn. 23, NZA 2017, 112, 113). Im Ergebnis bedeutet dies eine Prüfung dahingehend, dass eine rechtswidrige Sachverhalts- bzw. Beweismittelbeschaffung wegen der Bindung an die Grundrechte der Gerichte nicht noch um eine grundrechtswidrige prozessuale Verwertung ergänzt werden soll.131

              Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht eines Arbeitnehmers ein (1. Stufe), das – jedenfalls außerhalb des unantastbaren Kernbereich privater Lebensführung – nicht schrankenlos gewährleistet wird, überwiegt bei einer Güterabwägung das Interesse des Arbeitgebers an seiner Verwertung und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere, über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende Umstände auf Seiten des Arbeitgebers hinzutreten (2. Stufe). Anderenfalls würde die (Grund )Rechtsverletzung, die der Arbeitgeber bei der Informationsbeschaffung begangen hat, durch das Gericht perpetuiert, weil mit der prozessualen Verwertung der Beweismittel durch Beweiserhebung ein – erneuter bzw. fortgesetzter – Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers einherginge (BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 546/12, Rn. 19, NZA 2014, 143, 145). Mitentscheidend für die Frage der Perpetuierung ist auch die Intensität des Eingriffs (BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 546/12, Rn. 26, NZA 2014, 143, 146); ErfK/Schmidt, 20. Aufl. 2020, Art. 2 GG, Rn. 96), wobei die Heimlichkeit typischerweise das Gewicht der Freiheitsbeeinträchtigung erhöht (BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 546/12, Rn. 31 mwN, NZA 2014, 143, 147). Das Interesse, sich ein Beweismittel für zivilrechtliche Ansprüche zu sichern, reicht für sich allein nicht aus (BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2007 – 1 BvR 421/05, Rn. 94, BVerfGE 117, 202ff. = NJW 2007, 753 ff.; BAG, Urteil vom 22. September 2016 – 2 AZR 848/15, Rn. 24, NZA 2017, 112, 114), denn damit liefe der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht weitgehend leer. Vielmehr müssen diese weiteren Umstände gerade die Art der Informationsbeschaffung und Beweiserhebung als gerechtfertigt und damit als schutzbedürftig erweisen (vgl. BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 – 2 AZR 153/11, Rn. 29, NZA 2012, 1025, 1028). Sie können etwa darin liegen, dass sich der Beweisführer mangels anderer Erkenntnisquellen in einer Notwehrsituation oder einer notwehrähnlichen Lage (vgl. § 227 BGB bzw. §§ 32, 34 StGB) befindet (BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 546/12, Rn. 29 mwN, NZA 2014, 143, 146; Lunk, NZA 2009, 457, 461; Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1202; siehe zum Ganzen ausführlich: Tiedemann, in: Kramer, IT-Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2019, München, Teil B V, Rz. 540 ff.).132

(2)              Bei den in den Log-Dateien der Internet-Browser auf dem Laptop des Klägers erfolgenden Protokollierungen sowie bei denen im E-Mail-Programm gespeicherten E-Mails handelt es sich um personenbezogene Daten im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG aF / Art. 4 Nr. DSGVO. Soweit es die Browserchronik betrifft, weisen die Dateien aus, wann vom Nutzer welche URLs im Internet mit welchem Titel aufgerufen wurden. Darin liegen persönliche bzw. sachliche Verhältnisse des Nutzers des Rechners im Hinblick auf sein Verhalten. Im vorliegenden Fall ist aufgrund der dokumentierten Zuordnung des Laptops zum Kläger die Person des Nutzers bestimmbar im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG aF / Art. 4 Nr. DSGVO. Bei den E-Mails ergibt sich ohnehin aus der Empfänger- bzw. Absenderangabe.133

(3)              Ferner kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Protokollierung der Internetzugriffsdaten in der Browserchronik (Log-Dateien) ein Erheben und Verarbeiten (Speichern) personenbezogener Daten des Klägers gem. § 3 Abs. 3 und 4 BDSG aF durch die Beklagte als gem. § 3 Abs. 7 BDSG aF verantwortliche Stelle darstellt. Insofern ist davon auszugehen, dass die Speicherung nicht vom Kläger sondern von der Beklagten konfiguriert und eingestellt wurde. Da die vorliegend streitgegenständlichen Speichervorgänge vor dem Inkrafttreten der DSGVO und des BDSG nF am 25.05.2018 passierten, ist insofern noch das BDSG aF heranzuziehen. Da die Auswertung unmittelbar nach dem 07.03.2018 bis Anfang Juli 2018 durch die Beklagte – unter Einschaltung eines externen IT-Sachverständigen – erfolgte, liegt hierin ein Nutzen personenbezogener Daten im Sinne von § 3 Abs. 5 BDSG aF (bis 25.05.2018) bzw. eine Verarbeitung personenbezogener Daten iSv. Art. 4 Nr. 2 DSGVO (ab 25.05.2018). Dasselbe gilt bzgl. der empfangenen/gesendeten E-Mails.134

(4)              Mangels eines Betriebsrates liegt keine kollektive Regelung vor, die die og. Datenverarbeitung durch die Beklagte rechtfertigen könnte. Auch eine rechtswirksame Einwilligung des Klägers liegt nicht vor. Zwar hat der Kläger in § 2 Abs. 3 der Vereinbarung vom 23.11.2017 erklärt, dass er „sein Einverständnis“ erklärt, „dass der Arbeitgeber die auf den Arbeitsmitteln befindlichen Daten aus Zwecke der Zuordnung zu geschäftlichen oder privaten Vorgängen überprüft und auswertet“. Diese Einwilligung ist rechtlich jedoch unwirksam, da sie unpräzise und zu weit gefasst ist. Der Kläger kann hieraus nicht entnehmen, welche Daten die Beklagte auswertet, und insbesondere auch nicht, dass die Beklagte ggfls. private E-Mails prüft. Insofern konnte der Kläger die potentielle Reichweite seiner Einwilligung nicht erkennen.135

(5)              Vorliegend gestattet jedoch § 32 Abs. 1 BDSG aF / § 26 Abs. 1 BDSG nF der Beklagten sowohl Erhebung und Verarbeitung (Speicherung) der bei Internetnutzung entstehenden Verlaufsdaten in der Browserchronik und der E-Mails, als auch deren spätere Nutzung (Auswertung), auch im vorliegenden Prozess. Hiernach dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.136

              Der Kläger, der als Softwareprogrammierer eingestellt wurde, weiß das Internet-Browser sog. Log-Dateien erstellen, denn der Kläger hat in diesem Verfahren darauf hingewiesen, dass es auch den sog. Inkognito-Modus gibt, bei dem derartige Speicherung unterbleibt und den er auch manchmal verwendet hat. Die Berufungskammer geht daher davon aus, dass insofern eine offene Speicherung von personenbezogenen Dateien auf dem dienstlichen Laptop des Klägers erfolgte. Hinzu kommt, dass der Kläger aus § 2 Abs. 3 der Vereinbarung vom 23.11.2017 entnehmen kann, dass die Beklagte eine Überprüfung und Auswertung vornimmt, was denklogisch deren vorherige Speicherung voraussetzt. Damit erhebt und verarbeitet (speichert) die Beklagte die bei der Internetnutzung durch Beschäftigte entstehenden Verlaufsdaten (URL-Aufrufe mit Webseite und Uhrzeit) in der Chronik des Internetbrowsers und speichert die E-Mails zu Zwecken der Missbrauchskontrolle. Diese Speicherung erfolgt damit zum Zwecke der Durchführung des Arbeitsverhältnisses nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF / § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG nF, um die Einhaltung des Verbots der privaten Nutzung des Internets und der E-Mails überprüfen zu können. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Daten vorliegend gem. § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG aF / § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG nF zum Zwecke der Aufdeckung von Straftaten erhebt und verarbeitet, bestehen hingegen nicht.137

              Die bei Aufbau einer Internetverbindung zu einer bestimmten Webseite protokollierten Daten über den Zeitpunkt des Aufrufs, Adresse der aufgerufenen Webseite und deren Titel sowie die Speicherung der E-Mails sind geeignet, die missbräuchliche Nutzung des Internets durch Beschäftigte der Beklagten zu überprüfen. Die Beklagte hat ein legitimes Interesse, zu überprüfen, ob eine gegen arbeitsvertragliche Vereinbarungen verstoßende regelwidrige Internutzung erfolgt, was anhand der URLs der aufgerufenen Webseiten und der empfangenen und erhaltenen E-Mails festgestellt werden kann. Hierdurch kann auch auf einen ggf. fehlenden dienstlichen Bezug und damit einer privaten Nutzung des Internets geschlossen werden. Anhand des protokollierten Zeitpunktes des Aufrufs kann überprüft werden, ob der Aufruf während oder außerhalb der Arbeitszeit erfolgte. Dabei geht die Datenerhebung und -speicherung auch nicht über das Maß des Erforderlichen hinaus. Weitergehende Informationen über den Inhalt der Internetaktivität werden nicht gespeichert. Damit ist die genannte Speicherung geeignet und erforderlich, den Internetgebrauch auf regelwidrige Nutzung im Sinne von § 2 Abs. 3 der Vereinbarung vom 23.11.2017 oder auf exzessive, also über das Maß einer ggf. über das sozial-adäquate Maß hinaus gehende Nutzung hin zu überprüfen.138

              Auch die nach dem 07.03.2018 erfolgte Nutzung der Verlaufsdaten der Internet-Browser des Laptops des Klägers und der E-Mails sowie deren Auswertung ist durch § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF / § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG nF gerechtfertigt. Sie erfolgte im Rahmen der Zweckbestimmung und damit zur Missbrauchskontrolle im Rahmen der Durchführung des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte hatte das Arbeitsverhältnis zwar bereits gekündigt, jedoch hatte der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben. Ob es tatsächlich zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gekommen war, war damit unsicher. Die Beklagte wollte durch den IT-Sachverständigen Zufall überprüfen lassen, ob und in welchem konkreten Ausmaß ein zeitlicher oder inhaltlicher Missbrauch der Nutzung des Internets durch den Kläger vorlag. Das konnte sie nur durch Einsicht in die bei den vom Laptop des Klägers ausgehenden Internetzugriffen entstandenen Verlaufsdaten und E-Mails tun.139

              Dass die Beklagte die ausgewerteten personenbezogenen Daten im Kündigungsschutzprozess auch als Beweismittel nutzen wollte, diente zudem der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses iSv. § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF bzw. § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG nF. Unter diese Anwendungsalternative fallen die Speicherung und Verwendung von personenbezogenen Daten durch den Arbeitgeber, die er zur Erfüllung der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess benötigt.140

              Die Auswertung war zu den genannten Zwecken auch erforderlich. Das konkrete Ausmaß eines Missbrauchs des dienstlichen Internetzugangs ließ sich nur durch eine Auswertung der Log-Dateien und der empfangenen/gesendeten E-Mails feststellen. Der Kläger hat sich auf andere Möglichkeiten nicht berufen und solche sind auch nicht zu erkennen.141

              Dass der Kläger durch die Beklagte bei der Auswertung nicht hinzugezogen wurde, ist dabei unerheblich. Bei der Feststellung der Erforderlichkeit der zu Zwecken des § 32 Abs. 1 Satz 1 BDSG aF / § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG vorgenommenen Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten kommt es im Einzelfall zwar darauf an, ob die in Anwesenheit des Beschäftigten erfolgende Datenerhebung, -verarbeitung oder -nutzung gegenüber der in Abwesenheit erfolgenden als milderes Mittel anzusehen und daher die in Abwesenheit des Beschäftigten oder gar heimlich durchgeführte Datenergebung, -verarbeitung oder -nutzung als nicht erforderlich angesehen werden kann. Die Heimlichkeit einer in Grundrechte eingreifenden Maßnahme erhöht typischerweise das Gewicht der Freiheitsbeeinträchtigung (BAG, Urteil vom 20. Juni 2013 – 2 AZR 546/12, Rz. 33, juris). Eine in Anwesenheit des Klägers durchgeführte Auswertung der Log-Dateien der Internet-Browser sowie der empfangenen/gesendeten E-Mails ist unter Berücksichtigung ihrer Zwecke und der besonderen Umstände des vorliegenden Falles jedoch kein gegenüber der ohne seine Hinzuziehung erfolgenden Auswertung milderes Mittel. Die Art und Weise der Auswertung wäre auch bei Anwesenheit des Klägers keine andere gewesen. Es handelt sich dabei – soweit es die Log-Dateien betrifft – um das Auslesen von automatisiert generierten Einträgen zu Tag, Uhrzeit und URLs bestimmter mittels des Browsers aufgerufener Internetseiten. Der Kläger hätte die Auswertung der einzelnen aufgerufenen Internetseiten nicht durch die freiwillige Bekanntgabe der täglichen Zeiten privater Internetnutzung abwenden können, denn nach eigenem Vortrag hat er dazu keine genauen Erinnerungen. Durch ungefähre Angaben zu dem Umfang täglicher Privatnutzung an einzelnen Tagen hätte er die Einsichtnahme der Beklagten in die privaten Nutzungsdaten nicht abwenden können. Es war der Zweck der Auswertung, einen möglichen Missbrauch des dienstlichen Internetzugangs durch exzessive oder regelwidrige private Nutzung zu überprüfen. Diese Feststellungen mussten so erfolgen, dass dem Kläger die Stellungnahme zu einzelnen Internetaufrufen möglich war. Dasselbe gilt bzgl. der empfangenen/gesendeten E-Mails. Die entsprechenden Angaben hinsichtlich des Umfangs der privaten Internetnutzung mussten so konkret sein, dass sie substantiiert in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren dargelegt werden konnten und dem Kläger die Möglichkeit zu konkreter und ggf. ihn entlastender Stellungnahme eröffneten.142

              Soweit der Kläger bei Anwesenheit während der Auswertung zu bestimmten Einträgen in die Log-Dateien hätte Stellung nehmen und ggf. bestreiten können, diese besucht zu haben oder gar konkrete Angaben dazu hätte machen können, ob er zum fraglichen Zeitpunkt überhaupt am Arbeitsplatz war oder sich zumindest in der behaupteten Mittagspause befunden hat, wird in sein Persönlichkeitsrecht nicht in stärkerem Maße eingegriffen als im Falle der ihm nunmehr möglichen Stellungnahme im Kündigungsschutzprozess. Durch seine Stellungnahme zu Auswertungsergebnissen hätte der Kläger die Beklagte von der bereits ausgesprochenen Kündigung auch nicht mehr abhalten können, soweit die bereits ausgesprochene Kündigung auf die Auswertungsergebnisse gestützt wird, konnte er sich nunmehr im Prozess dazu äußern.143

              Auch ist vorliegend nicht zu erkennen, dass die offene bzw. dem Kläger bekannte Speicherung der og. personenbezogenen Daten als präventive Maßnahme einen wie auch immer gearteten psychischen Anpassungsdruck erzeugt hätte, so dass er bei objektiver Betrachtung in seiner Freiheit, sein Handeln aus eigener Selbstbestimmung zu planen und zu gestalten, wesentlich gehemmt gewesen wäre (vgl. BAG, Urteil vom 27 Juli .2017 – 2 AZR 681/16, Rn. 31, NZA 2017, 1327, 1330 f. = ZD 2018, 41 ff.), so dass die vorliegend stichprobenartig kontrollierte Auswertung der Verlaufsdaten der Internet-Browser einer prozessualen Verwertbarkeit nicht entgegen steht, damit der Arbeitgeber die Nichteinhaltung eines von ihm aufgestellten kompletten Verbots der Privatnutzung von IT-Einrichtungen prozessual darlegen kann.144

(6)              Da die Regelungen des § 32 Abs. 1 BDSG aF / § 26 BDSG nF vorliegend von der Beklagten eingehalten wurden und die Regelungen des BDSG das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers (Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG) schützen, können diese datenschutzrechtlichen Bestimmungen einer prozessualen Verwertung der personenbezogenen Daten (vgl. Dzida/Grau, NZA 2010, 1201, 1204); Grimm/Schiefer, RdA 2009, 329, 342); Heinemann, MDR 2001, 137, 141 f.) von dem dienstlichen Laptop des Klägers nicht entgegen gehalten werden.145

c)              Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung (2. Stufe) überwiegt – gemessen an den og. Leitlinien aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts – das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Klägers an dessen Fortsetzung mindestens bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist.146

              Zugunsten des Klägers war insoweit lediglich zu berücksichtigen, dass er verheiratet und zwei minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist. Demgegenüber war zugunsten der Beklagten überwiegend zu berücksichtigen, dass ihr kein milderes Reaktionsmittel zur Verfügung stand. Insbesondere scheitert die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung nicht daran, dass es an einer einschlägigen vorherigen Abmahnung mangelt. Eine solche ist bei dem vorliegenden Sachverhalt aufgrund der besonderen Schwere des dem Kläger vorgeworfenen Verstoßes entbehrlich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (siehe oben) ist eine Abmahnung bei besonders schweren Verstößen entbehrlich, da der Arbeitnehmer von vornerein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann und der sich bewusst sein muss, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt (vgl. mit weiteren Nachweisen: ErfK//Niemann, 20. Auflage 2020, § 626 BGB Rn. 29e). Der vorliegende festgestellte Arbeitszeitbetrug aufgrund der Privatnutzung des Internets auf dem dienstlichen Laptop sowohl an einzelnen Tagen als auch über die Zeitdauer stellt einen derartigen besonders schweren Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen des Klägers dar, da im Ergebnis mehr als fünf ganze Arbeitstage und damit mindestens eine ganze Arbeitswoche in dem nur kurze Zeit tatsächliche gelebten Arbeitsverhältnis betroffen sind. Insofern konnte der Kläger auch – trotz des behaupteten freundschaftlichen Verhältnisses zu Herrn K – nicht ernsthaft davon ausgehen, dass er mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen konnte. Vielmehr musste er sich bewusst sein, dass er, wenn er fast gesamte Arbeitstage mit Privattätigkeiten (zB. Autosuche im Internet) verbringt und damit seine Hauptleistungspflicht verletzt, seinen Arbeitsplatz riskiert (vgl. BAG, Urteil vom 7. Juli 2005 – 2 AZR 581/04, Rn. 38, NZA 2006, 98 mwN). Zudem war zu Lasten des Klägers und zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass es sich um einen vorsätzlichen Verstoß des Klägers handelt. Dem Kläger war bspw. bzgl. seiner Autorecherche am 28./29.11.2017 aufgrund der nur wenige Tage (dh. am 23.11.2017) vorher abgeschlossenen Anlage zum Arbeitsvertrag bewusst und bekannt, dass es ihm unter anderem untersagt war, Arbeitsmittel privat zu nutzen. Entsprechend hätte es ihm einleuchten müssen, dass er nicht nahezu ganze Arbeitstage mit privaten Internetrecherchen verbringen darf. Ferner hat der Kläger das Vertrauen der Beklagten missbraucht. So war der Geschäftsführer der Beklagten am 28.11.2017, was insofern im Hinblick auf § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt, auf einem auswärtigen Gesprächstermin, wobei die Anreisezeit mit dem Auto jeweils zwei Stunden beträgt, so dass der Kläger auch die Abwesenheit des Geschäftsführers ausgenutzt hat. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass der vorliegende Arbeitszeitbetrug nicht um nur wenige Minuten an einzelnen Arbeitstagen (vgl. insofern BAG, Urteil vom 31. Mai 2007 – 2 AZR 200/06, Rn. 28, NZA 2007, 922 ff.), sondern mehrere ganze Arbeitstage und im Ergebnis eine gesamte Arbeitswoche umfasste. Hierdurch erschlich sich der Kläger die Vergütung für die ganzen Arbeitstage, obwohl er an diesen kaum eine Arbeitsleistung für die Beklagte erbracht hat, die er daher auch gar nicht erst benannt hat. Die Verletzung des Vertrauens in die korrekte Arbeitserfüllung durch den Kläger in dem gerade erst seit kurzer Zeit bestehenden Arbeitsverhältnis und vor Ablauf der Wartefrist des § 1 KSchG ist so schwerwiegend, dass das arbeitgeberseitige Interesse an der sofortigen Beendigung des Vertragsverhältnisses überwiegt. Dies nicht auch zuletzt deshalb, weil der Kläger noch kein hohes Lebensalter erreicht hat und davon auszugehen ist, dass er mit seiner Ausbildung und seiner Tätigkeit als Softwareprogrammierer schnell wieder eine neue Arbeitsstelle haben wird. Letztlich ist auch zulasten des Klägers zu berücksichtigen, dass der Kläger seine Vorgehensweise auch für „normal“ hält, denn er meint, weil die Beklagte ihn abgeworben habe, dass sie mit seiner Arbeitsweise – dh. mit den Privattätigkeiten über den Tag – einverstanden gewesen sei. Da ein solches Einverständnis gerade nicht vorliegt und eine Verhaltensänderung beim Kläger nicht zu erwarten war, blieb der Beklagten nur die fristlose Kündigung.147

d)              Die Kündigung ist schließlich gemäß § 626 Abs. 2 BGB binnen von zwei Wochen ab Kenntnis bei der Beklagten am 07.03.2018 ausgesprochen worden. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte schon länger als zwei Wochen vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung Kenntnisse vom Verhalten des Klägers am 28./29.11.2017, 01.03.2018 sowie in den Zwischenmonaten hatte, sind weder ersichtlich noch hinreichend substantiiert vorgetragen. Insbesondere die Behauptung des Klägers, wonach der Geschäftsführer der Beklagten über die Spiegelung in der gläsernen Vitrinentür, die sich hinter seinem Arbeitsplatz befunden hat, Kenntnis von der Tätigkeit des Klägers erlangt habe, bewertet die Berufungskammer – ebenso wie das Arbeitsgericht – als bloße Schutzbehauptung. Der Kläger legt nicht dar, wann der Geschäftsführer der Beklagten konkret von welcher privaten Nutzung des Internet – die der Kläger im Übrigen bis auf eine halbe Stunde am 28./29.11.2017 bestreitet – aufgrund welcher Lichtverhältnisse Kenntnis erlangt haben soll. Soweit der Kläger insofern eine frühere Kenntnisnahme vermutet, ersetzt dies keinen erforderlichen konkreten Sachvortrag. Konkreten Sachvortrag dazu, wie die Beklagte bereits früher als am 07.03.2018 von der privaten Nutzung des dienstlichen Laptops Kenntnis erlangt haben soll, gibt es daher keinen. Hierfür ist zudem nichts ersichtlich. Dasselbe gilt für den Einwand des Klägers, dass er über sein privates Amazon Prime Konto Musik über die Lautsprecherboxen abgespielt hat. Aus dem etwaigen Hören von Musik über die Lautsprecherboxen des Monitors kann nicht darauf geschlossen werden, dass der Kläger nicht seiner Arbeitsleistung nachkommt und zu privaten Zwecken Musik hört, denn üblicherweise wird derartige Musik – genauso wie Radiomusik – im Hintergrund und begleitend zur Arbeitsleistung gehört.148

C.              Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger als unterlegene Partei gemäß §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.149

D.              Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, weil sie auf den besonderen Umständen des Einzelfalles beruht. Auch weicht die Kammer nicht von anderen Entscheidungen im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ab.