Die in § 4 Abs. 1 Nr. BMTV Süßwarenindustrie vorgesehene Verschiebung der Zeiträume der Sonntagsarbeit setzt eine abweichende Festlegung der Sonntagsarbeit auf einen gleich langen anderen Zeitraum zu, nicht aber die Verkürzung des Zeitraums der Sonntagsarbeit.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 10.12.2019 – 1 Ca 614 d/19 – teilweise geändert: Auf den Antrag zu 8) wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger EUR 31,54 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2019 zu bezahlen; im Übrigen wird der Antrag zu 8) abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schluss-Urteil vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger macht neben höheren tariflichen Nachtzuschlägen, die nicht Gegenstand dieses Teil-Urteils sind, auch Ansprüche auf Sonntagszuschläge geltend.

Er ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 01.10.1991 in Wechselschicht gegen eine monatliche Vergütung von EUR 3.200,- brutto (bis März 2018) bzw. ab April 2018 von EUR 3.280,- brutto beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Bundesmanteltarifvertrag für die Angestellten, gewerblichen Arbeitnehmer und Auszubildenden der Süßwarenindustrie in der Fassung vom 14.05.2007 (BMTV) Anwendung. Dieser lautet auszugsweise:

Ҥ 4 Mehr-, Schicht-, Wechselschicht-, Nacht- und Feiertagsarbeit

I. Begriffsbestimmungen

1. Schichtarbeit ist die regelmäßige tägliche vereinbarte Arbeitszeit, unabhängig von der zeitlichen Lage.

Wechselschicht liegt vor, wenn ein regelmäßiger Wechsel des Schichtbeginns und damit der zeitlichen Lage der Schicht erfolgt, wobei dieser Rhythmus zusammenhängend mindestens eine volle Arbeitswoche dauert.

4. Sonntags- und Feiertagsarbeit ist die an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 0 Uhr bis 24 Uhr geleistete Arbeit.

5. Bei Schichtarbeit kann eine Verschiebung der Zeiträume der Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit entsprechend den Schichtzeiten im Einverständnis mit dem Betriebsrat betrieblich festgelegt werden.

II. Vergütung

1. Für Mehr-, Schicht-, Wechselschicht-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit sind folgende Zuschläge zu zahlen:

d) für übliche Schicht- und Wechselschichtarbeit an Sonntagen und Feiertagen 25 %

§ 14 Ausschlussfrist

Gegenseitige Ansprüche aller Art aus dem Arbeitsverhältnis sind innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten seit Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Der Lauf der Frist ist in Fällen der Erkrankung des Arbeitnehmers gehemmt bis zum Tage der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit.”

Ferner gilt im Betrieb die “Betriebsvereinbarung Arbeitszeiten und Pausenzeiten für schichtgebundene Tätigkeiten” (BV Arbeitszeit). Diese regelt auszugsweise:

(1) Persönlicher und örtlicher Geltungsbereich

Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einschließlich der Auszubildenden, die mit schichtgebundenen Tätigkeiten bei der B…C… KG beschäftigt sind.

(2) Schichtarbeit, Arbeitszeit pro Woche, Arbeitszeitkonto

Es wird grundsätzlich im Drei-Schicht-Betrieb von Montag bis Freitag gearbeitet. Die betriebliche wöchentliche Arbeitszeit beträgt ohne Pausen 38 Stunden in einem Drei-Wochen-Rhythmus.

Frühschicht (Montag bis Freitag):       5:54 Uhr bis 14:00 Uhr

Spätschicht (Montag bis Freitag):       13:54 Uhr bis 22:00 Uhr

Nachtschicht (Sonntag bis Donnerstag):    21:54 Uhr bis 6:00 Uhr.

(3) Arbeit an Wochenenden

An Wochenenden (Freitag 22:00 Uhr – Sonntag 21:54 Uhr) wird nur ausnahmsweise gearbeitet, z.B. um dringende Kundenaufträge zu erfüllen. … Der Betriebsrat wird über erforderliche Wochenendarbeit zwei Wochen vorher … informiert. …”

Wegen des weiteren Inhalts der BV Arbeitszeit wird auf die Anlage K 1 (Bl. 16 – 18 d. arbeitsgerichtlichen Akte) verwiesen.

Der Kläger war an den Sonntagen 4.2., 25.2., 18.3., 8.4., 29.4., 21.5., 10.6., 1.7., 12.8. und 23.9.2018 (insgesamt 10 Sonntage) sowie weiteren Sonntagen im Zeitraum von November 2018 bis April 2019 in der Nachtschicht eingesetzt und nahm seine Arbeit entsprechend der Regelung in der BV Arbeitszeit jeweils zu Schichtbeginn am Sonntagabend um 21:54 Uhr auf. Für diese Schichten leistete die Beklagte einen Zuschlag von 15 %, zahlte jedoch keine Sonntagszuschläge für Schichtarbeit nach § 4 II Ziff. 1 d BMTV in Höhe von 25 %.

Der Kläger hat erstinstanzlich – neben Zuschlägen auf Nachtarbeit in den Monaten von November 2018 bis April 2019 – für jeweils zwei Stunden die Zahlung von Sonntagszuschlägen in Höhe von 25 % verlangt und sich hierauf den geleisteten Zuschlag von 15 % anrechnen lassen. Vorgerichtlich hat er die Ansprüche für die Monate Februar bis April 2018 mit E-Mail vom 30.05.2018 und für die Monate August bis Oktober 2018 mit E-Mail vom 5.11.2018 gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Hinsichtlich der Sonntagszuschläge hat es zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Schichtarbeit von 22:00 Uhr bis Montag um 6:00 Uhr werde im Betrieb der Beklagten vollständig als (vorgezogene) Montagsarbeit behandelt. Dabei handele es sich um eine von § 4 Abs. 1 Ziff. 5 BMTV ausdrücklich zugelassene Abweichung von den tariflichen Definitionen. Dies sei für den Kläger auch nicht unbillig. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf S. 18 des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Gegen das am 09.01.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.02.2020 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist für die Begründung bis zum 09.04.2020 am 09.04.2020 begründet. Nach Hinweis des Gerichts auf die fehlende Einbettung der Schriftarten mit Verfügung vom 15.04.2020 hat der Kläger am 15.04.2020 die Berufungsbegründung nunmehr mit eingebetteten Schriftarten erneut eingereicht und ihre inhaltliche Identität mit der Begründung vom 09.04.2020 anwaltlich versichert.

Er wendet sich neben der Abweisung seiner Ansprüche auf zusätzliche Nachtzuschläge auch gegen die Abweisung seines Antrags auf Zahlung von Sonntagszuschlägen.

Hierzu hat er, soweit für die vorliegende Entscheidung von Interesse, vorgetragen: Das Arbeitsgericht habe den Inhalt der Regelung in § 4 Abs. 1 Ziff. 5 BMTV verkannt. Diese ermögliche lediglich die Anpassung der Sonntagsarbeit an die Schichtzeiten im Betrieb. Das geschehe bei der Beklagten aber gar nicht. Es erfolge lediglich eine Verschiebung zur Abrechnung eines bestimmten ganzen Tages. Dieses habe keinen Einfluss auf die Zahlung der Sonntagszuschläge. Anderenfalls würden die Sonntagszuschläge gänzlich entfallen. Deren Zahlung werde nicht an anderer Stelle ausgeglichen. Die Beklagte verschiebe nicht die zuschlagspflichtige Zeit, sondern hebe diese ersatzlos auf. Das sei tarifwidrig.

Hinsichtlich der Sonntagszuschläge für den Zeitraum November 2018 bis April 2019 hat der Kläger die Berufung zurückgenommen und erklärt, diese Ansprüche würden auch nicht hilfsweise für den Fall geltend gemacht, dass ihm keine Nachtzuschläge für die genannten Zeiträume zustünden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 10.12.2019, Az.: 1 Ca 614 d/19 abzuändern und

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 339,95 brutto zzgl. Zinsen i.H.v. von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2018 zu zahlen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 339,95 brutto zzgl. Zinsen i.H.v. von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.01.2019 zu zahlen.

3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 339,95 brutto zzgl. Zinsen i.H.v. von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.02.2019 zu zahlen.

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 339,95 brutto zzgl. Zinsen i.H.v. von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2019 zu zahlen.

5. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 339,95 brutto zzgl. Zinsen i.H.v. von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.04.2019 zu zahlen.

6. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 475,93 brutto zzgl. Zinsen i.H.v. von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.05.2019 zu zahlen.

7. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Nachtarbeitszuschläge des Bundesmanteltarifvertrages für die Süßwarenindustrie in der Fassung vom 14.05.2007 für zwischen 22:00 Uhr und 6:00 Uhr in Schichtarbeit und Wechselschichtarbeit geleisteter Nachtarbeit im Sinne des § 4 Abs. 2 Ziffer 1b des Manteltarifvertrages in gleicher Höhe zu gewähren wie sonstige Nachtarbeit im Sinne des § 4 Abs. 2 Ziffer 1b des Manteltarifvertrages.

8. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 38,84 brutto zzgl. Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichts, soweit diese sich auf die Abweisung des Antrags auf Sonntagszuschläge beziehen. Die Vorverlagerung der Montagsschicht um zwei Stunden in den Sonntag beruhe auf einer nach dem BMTV zugelassenen Ausnahme. Dieser Umstand begründe keinen Anspruch auf Sonntagszuschläge für die vorgezogene Montagsschicht. Die angeblich fehlende Kompensation für die Arbeitnehmer sei irrelevant.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im Einzelnen wird auf die Akte.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist, soweit es um die Abweisung des Klagantrags zu 8) geht, teilweise begründet. Dem Kläger steht ein Teil der in diesem Verfahren noch geltend gemachten Sonntagszuschläge zu. Der weitergehende Anspruch auf Sonntagszuschläge ist unbegründet. Wegen der Entscheidung über die Anträge zu 1) bis 7) ist der Rechtstreit durch gesonderten Beschluss gemäß § 148 ZPO ausgesetzt worden.

A. Über den Antrag zu 8) konnte durch Teilurteil gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO entschieden werden. Entscheidungsreif im Sinne des § 301 Abs. 1 ZPO ist nur der Antrag zu 8) betreffend die vom Kläger geltend gemachten Sonntagszuschläge.

Bei den Ansprüchen auf Sonntags- und Nachtzuschläge handelt es sich um zwei verschiedene Lebenssachverhalte und damit grundsätzlich um zwei teilbare Streitgegenstände. Soweit der Kläger zunächst für denselben Zeitraum (einzelne in der Klage genannte Sonntage in der Zeit von November 2018 bis April 2019) beide Zuschläge geltend gemacht hat, sind die auf diesen Zeitraum entfallenen Sonntagszuschläge nicht mehr Gegenstand des Rechtstreits. Der Kläger hat seine Berufung wegen der Abweisung der Sonntagszuschläge für diesen Zeitraum ausdrücklich zurückgenommen und erklärt, er mache sie für diesen Zeitraum auch nicht mehr hilfsweise, für den Fall der Unbegründetheit des Anspruchs auf Nachtzuschläge, geltend. Damit stehen die Ansprüche auf Sonntagszuschläge und auf Nachtzuschläge im vorliegenden Verfahren unabhängig nebeneinander.

B. Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist statthaft gemäß § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG und form- und fristgemäß eingelegt.

Der Kläger hat seine Berufung auch fristgemäß begründet. Zwar ging eine ordnungsgemäße, den Anforderungen des elektronischen Rechtsverkehrs genügende Berufungsbegründung erst am 15.04.2020 und damit sechs Tage nach Ablauf der bis zum 09.04.2020 verlängerten Berufungsbegründungsfrist ein. Die Berufungsbegründung gilt jedoch gemäß § 46 c Abs. 6 Satz 2 ArbGG als am 09.04.2020 und damit fristgemäß eingegangen.

I. Gemäß § 46 c Abs. 6 Satz 1 ArbGG ist dem Absender unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs und die geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitzuteilen, wenn ein elektronisches Dokument für das Gericht zur Bearbeitung nicht geeignet ist. In diesem Fall gilt nach Satz 2 der Vorschrift das Dokument als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung eingegangen, sofern der Absender es unverzüglich in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form nachreicht und glaubhaft macht, dass es mit dem zuerst eingereichten Dokument inhaltlich übereinstimmt.

II. Die Voraussetzungen der Vorschrift liegen vor.

1. Die am 09.04.2020 vom Kläger eingereichte Berufungsbegründung war zur Bearbeitung des Gerichts nicht geeignet im Sinne des § 46 c Abs. 2 ArbGG, da die gemäß § 46 c Abs. 2 Satz 2 ArbGG, § 5 Abs. 1 ERVV 2018, Nr. 1 ERVB 2019 erforderliche “Einbettung der Schriftarten” nicht erfolgt war.

2. Der Kläger hat unverzüglich im Sinne des § 46 c Abs. 6 Satz 2 ArbGG die Berufungsbegründung in einer für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form eingereicht. Die Einreichung erfolgte am 15.04.2020 und damit am selben Tag, an dem das Gericht auf die fehlende Einbettung hingewiesen hatte. Das ist unverzüglich.

3. Zugleich hat der Kläger mit Schriftsatz vom selben Tag glaubhaft gemacht, dass die Berufungsbegründung vom 15.04.2020 mit der vom 09.04.2020 inhaltlich übereinstimmt, indem er eine entsprechende anwaltliche Versicherung abgegeben hat. Das reicht zur Glaubhaftmachung aus.

C. Die Berufung ist hinsichtlich des Antrags zu 8) zum Teil begründet und zum Teil unbegründet. Der Klagantrag zu 8) ist zulässig, aber nur teilweise begründet.

I. Der Klagantrag zu 8. ist als Teilklage zulässig, insbesondere ist der Streitgegenstand hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger macht für zehn im einzelnen benannte Sonntage Sonntagszuschläge für jeweils zwei Stunden geltend. Um eine Teilklage handelt es sich, weil der Kläger an den jeweiligen Sonntagen von 21:54 Uhr bis 00:00 Uhr gearbeitet hat, aber nicht für zwei Stunden sechs Minuten einen Zuschlag verlangt, sondern nur für zwei Stunden. Es könnte daher zweifelhaft sein, für welche konkrete Arbeitszeit über den Zuschlag zu entscheiden ist.

2. Der Kläger hat aber im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht erklärt, er mache die Zuschläge für die zwei Stunden ab 22:00 Uhr geltend und damit seinen Anspruch hinreichend konkretisiert. Gegenstand dieses Urteils ist damit die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Sonntagszuschlags von 25 % an den Kläger für Arbeiten in der Zeit von 22:00 Uhr bis 00:00 Uhr am 04.02., 25.02., 18.03., 08.04., 29.04., 21.05., 10.06., 01.07., 12.08. und 23.09.2018.

II. Der Antrag zu 8) ist teilweise begründet. Die Beklagte schuldet für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Sonntagszuschlag in Höhe von 25 %. Das folgt aus einer Auslegung der maßgeblichen tariflichen Vorschriften im Zusammenhang mit den bei der Beklagten geltenden Regelungen der BV-Arbeitszeit. Allerdings sind die Ansprüche des Klägers nach den tariflichen Ausschlussfristen zum Teil verfallen. Auf den nicht verfallenden Teil seines Anspruchs stehen dem Kläger die geltend gemachten Zinsen zu.

1. Dem Kläger steht grundsätzlich ein Anspruch auf Sonntagszuschlag zu. Das folgt aus einer Auslegung des für die Beklagten geltenden BMTV und der dort enthaltenen Regelungen zur Sonntagsarbeit in Verbindung mit den betrieblichen Regelungen der BV-Arbeitszeit.

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG, Urteil vom 11.11.2020 – 4 AZR 210/20 – juris, Rn 20).

b) Daraus folgt für die hier in Rede stehenden Ansprüche des Klägers Folgendes:

aa) Der Sonntagszuschlag wird gemäß § 4 II Ziffer 1 d BMTV in Höhe von 25 % für übliche Schicht- und Wechselschichtarbeit an Sonntagen gezahlt. Sonntagsarbeit ist dabei nach § 4 I Ziffer 4 BMTV die an Sonntagen in der Zeit von 00:00 bis 24:00 Uhr geleistete Arbeit.

Da der Kläger in Wechselschicht gearbeitet hat, und zwar jeweils an Sonntagen in der Zeit von 22:00 bis 24:00 Uhr steht ihm nach diesen Vorschriften ohne Weiteres der geltend gemachte Zuschlag zu.

Allerdings kann nach § 4 I Ziffer 5 BMTV von dieser Definition der Sonntagsarbeit im Einverständnis mit dem Betriebsrat abgewichen werden. Bei Schichtarbeit kann eine Verschiebung der Zeiträume der Sonntagsarbeit entsprechend den Schichtzeiten vereinbart werden. Damit eröffnet § 4 I Ziffer 5 BMTV die Möglichkeit, die Zeiten der Sonntagsarbeit an die Schichtzeiten im Betrieb anzupassen, sie zu “verschieben”, wie es der BMTV in seinem Wortlaut ausdrücklich formuliert. Sinn und Zweck der Vorschrift ist, den Zeitraum der Sonntagsarbeit und damit auch des jeweiligen Anspruchs auf Sonntagszuschlag dem jeweiligen Schichtsystem anzupassen (vgl. zu einer ähnlichen Tarifvorschrift: BAG vom 25.09.2013 – 10 AZR 258/12 -).

Dem entspricht es, dass nach der Systematik des Tarifvertrags Sonntagsarbeit zwar grundsätzlich nach Möglichkeit zu vermeiden ist und sie nur vorübergehend in Fällen einer dringenden betrieblichen Notwendigkeit im Einverständnis mit dem Betriebsrat zulässig sein soll. Dieser Grundsatz der Vermeidung von Sonntagsarbeit gilt aber nach § 4 I Ziffer 6 BMTV ausdrücklich nicht bei üblicher Schichtarbeit. Die Tarifvertragsparteien sind daher ersichtlich davon ausgegangen, dass auch über das Wochenende durchgehend eine Arbeit im Schichtbetrieb möglich ist. Hier sollte die Möglichkeit eröffnet werden, einzelne Schichten mit Sonntagszuschlag abzurechnen und andere vom Sonntagszuschlag auszunehmen, um nicht jeweils für die Abrechnung der Schichten für verschiedene Zeiträume unterschiedliche Zuschläge abrechnen zu müssen.

bb) Von dieser Möglichkeit der Anpassung der Zeiten der Sonntagsarbeit an die Schichtzeiträume haben die Betriebsparteien in der BV-Arbeitszeit jedoch keinen Gebrauch gemacht. Sie haben in Ziffer 3. der BV-Arbeitszeit als Wochenende die Zeit von Freitag 22:00 Uhr bis Sonntag 21:54 Uhr definiert. Dementsprechend beginnt die erste Nachtschicht der Woche gemäß Ziffer 2. BV-Arbeitszeit bereits am Sonntag um 21:54 Uhr. Die Betriebsparteien haben damit allein eine vom BMTV nicht gedeckte Verkürzung des Zeitraums der Sonntagsarbeit geregelt, nicht aber dessen Verschiebung. Der Beginn des Sonntags ist von den Betriebsparteien nämlich nicht abweichend von § 4 I Nr. 4 BMTV festgelegt worden. Die Sonntagsarbeit beginnt damit mangels abweichender Regelung im Betrieb der Beklagten weiter am Sonntagmorgen um 0:00 Uhr. Eine Verlegung, etwa auf Samstag 21:54 Uhr, was nahegelegen hätte, ist nicht erfolgt. Für ein anderes Verständnis der BV-Arbeitszeit liefern weder deren Wortlaut noch sonstige Umstände irgendwelche Anhaltspunkte. Der Umstand, dass bei der Beklagten am Wochenende nur ausnahmsweise gearbeitet werden soll, entbindet die Betriebsparteien nicht von der Notwendigkeit festzulegen, wann der Sonntag im Sinne der BV-Arbeitszeit beginnt. Die Betriebspartner haben demgegenüber allein den Beginn des Wochenendes festgelegt. Das genügt den tariflichen Vorgaben nicht.

2. Allerdings sind die Ansprüche des Klägers gemäß § 14 BMTV teilweise verfallen.

a) Die Ansprüche des Klägers auf Sonntagszuschlag sind mangels Vortrags zu abweichenden Festlegungen der Betriebspartner gemäß § 8 Nr. 1 BMTV am Monatsende fällig. Danach sind die hier streitigen Ansprüche auf Sonntagszuschläge jeweils am Ende des Monats fällig, in dem die Arbeiten vom Kläger geleistet wurden.

b) Die Ansprüche für Februar bis Mai 2018 hat der Kläger innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist ab Fälligkeit fristwahrend mit seiner E-Mail vom 30.05.2018 geltend gemacht. Diese E-Mail ist der Beklagten spätestens am 31.05.2018 und damit innerhalb der dreimonatigen Frist des § 14 BMTV zugegangen. Zwar war der 31.05.2018 Fronleichnam. Dies ist jedoch in Schleswig-Holstein kein gesetzlicher Feiertag, der eine Verschiebung des Zugangs nach § 193 BGB auf den 01.06.2018 begründen würde.

Die Geltendmachung des Anspruchs per E-Mail wahrt auch das tarifliche Schriftformerfordernis (BAG vom 07.07.2010 – 4 AZR 549/08 -).

Eine Geltendmachung für Juni und Juli 2018 hat der Kläger nicht behauptet, sodass seine Ansprüche für den 10.06. und 01.07.2018 verfallen sind. Die Geltendmachung der Ansprüche für August und September 2018 mit E-Mail vom 05.11.2018 war dann wiederum fristgemäß.

3. Der danach nicht verfallene Teil des Anspruchs beläuft sich auf 31,54 EUR brutto.

a) Für den 04.02, 25.02. und 18.03.2018 stehen dem Kläger Zuschläge für insgesamt sechs Stunden zu. Bei einem Monatslohn von 3.200,00 EUR ergibt sich insoweit nach den Berechnungsvorgaben des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BMTV ein Stundenlohn von 19,39 EUR brutto. Der BMTV schreibt in § 4 Abs. 2 Nr. 2 vor, dass bei der Umrechnung vom Monatslohn auf Stundenlohn der Teiler 165 zu verwenden ist.

Bei einem Stundenlohn von 19,39 EUR und einem von dem Kläger noch geltend gemachten Zuschlag von weiteren 10 % ergibt sich pro Stunde ein Zuschlag von 1,94 EUR brutto. Das sind für sechs Stunden 11,64 EUR.

b) Für die Arbeiten am 08.04., 29.04., 21.05., 12.08. und 23.09. ergibt sich bei einem Monatslohn von 3.280,00 EUR brutto ein Stundenlohn von 19,88 EUR brutto. Der vom Kläger noch geltend gemachte Zuschlag von weiteren 10 % beträgt damit 1,99 EUR brutto. Das sind für zehn Stunden 19,90 EUR.

c) Die Summe aus beiden Positionen ergibt damit (11,64 + 19,90) 31,54 EUR brutto.

4. Zinsen stehen dem Kläger gemäß den §§ 288 Abs. 1 Satz 1, 291 BGB als Prozesszinsen seit dem 16.07.2019 zu, da die Klage, mit der die Sonntagszuschläge geltend gemacht worden sind, der Beklagten ausweislich der Zustellungsurkunde am 15.07.2019 zugestellt worden ist.

D. Über die Kosten des Rechtstreits ist im Schlussurteil zu entscheiden. Die Zulassung der Revision erfolgte gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.