Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 06.05.2021 – Az 2 Ca 1223/20 – teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 493,22 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 26.03.2021 zu zahlen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Zahlung eines tariflichen Krankengeldzuschusses.

Die Beklagte ist als diakonische Einrichtung im Bereich der Eingliederungshilfe tätig.

Der am …1965 geborene Kläger trat am 16.01.1989 in die Dienste des Landes S.. Er arbeitete im Landeskrankenhaus, später in der Fachklinik S. AöR, als Pflegehelfer und seit Oktober 1990 als Krankenpflegehelfer. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) Anwendung.

Zum 03.11.2005 wurde die Fachklink S. AöR formwechselnd in die Fachklinik S. gGmbH umgewandelt. Diese firmierte seit Juli 2006 als Sch.-Klinikum S. … GmbH. Dort ersetzte zum 01.11.2006 der Tarifvertrag im öffentlichen Dienst für die Länder (TV – L) den BAT.

Seit Anfang 2008 fanden auf das Arbeitsverhältnis des Klägers bei der Sch.-Klinikum S. … GmbH, die ab diesem Zeitpunkt zur D. H. AG gehörte, die Tarifverträge der D.-Gruppe, unter anderem der Manteltarifvertrag D. (MTV D.) Anwendung.

Zum 24.11.2010 übernahm die am 10.06.2010 neu gegründete Beklagte den ausgegliederten Bereich der Eingliederungshilfe von der Sch. Klinikum … GmbH. Der Kläger arbeitete seinerzeit in dem übergegangenen Bereich. Zunächst wandte die Beklagte u.a. den MTV D. weiter auf das Arbeitsverhältnis an.

Mit Einführungstarifvertrag (EinfTV KTD) vom 28.01.2014 vereinbarten der Verband kirchlicher und diakonischer Anstellungsträger in Norddeutschland (VKDA) und die Gewerkschaft ver.di die Einführung des Kirchlichen Tarifvertrages Diakonie (KTD) bei der Beklagten. Der KTD ersetzte danach zum 01.03.2014 u.a. den Tarifvertrag zur Begleitung der Teilbetriebsübergänge in die H. und St. GmbH (TV-Überleitung H.) und den MTV D.. Der EinfTV KTD sah in § 3 verschiedene Übergangsbestimmungen vor, etwa zur Nichtanwendung des § 31 Abs. 1 – 3 KTD und zur Eingruppierung. Ferner bestimmte § 3 Abs. 8 EinfTV, dass für die Dauer des fortbestehenden Arbeitsverhältnisses die vor dem Zeitpunkt der Ersetzung anerkannten Beschäftigungszeiten berücksichtigt werden.

Wegen der Einzelheiten wird auf den EinfTV KTD (Anlage K 4) Bezug genommen.

In § 15 KTD finden sich Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Nach § 15 Abs. 2 S. 1 KTD erhalten die Beschäftigten bis zur Dauer von sechs Wochen Krankenbezüge in Höhe des Urlaubsentgelts nach § 19 Abs. 2 KTD. In § 15 Abs. 3 KTD ist ein Krankengeldzuschuss vorgesehen, wie folgt:

“Nach einer Beschäftigungszeit von zwölf Jahren erhält die Arbeitnehmerin nach Ablauf des nach Abs. 2 maßgebenden Zeitraumes für den Zeitraum, für den ihr Krankengeld oder die entsprechenden Leistungen aus der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung oder nach dem Bundesversorgungsgesetz gezahlt werden, einen Krankengeldzuschuss längstens bis zum Ende der 13. Woche, seit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit, jedoch nicht über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus.”

In dem mit “Übergangsregelungen” überschriebenen § 31 KTD findet sich unter Abs. 4 folgende Regelung:

“Für Arbeitnehmerinnen, denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages günstigere Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zustanden, gelten diese Rechte in der zum Zeitpunkt des Überganges gültigen Fassung fort. Als Bemessungsgrundlage für die Krankenbezüge gilt in jedem Fall § 15 Absatz 2 Unterabsatz 1.”

Gemäß § 32 Absatz 1 KTD trat der KTD am 01.10.2002 in Kraft.

Der MTV D. enthält in seinem § 19 Abs. 3 folgende Regelung zum Krankengeldzuschuss:

“Der Krankengeldzuschuss wird bei einer Beschäftigungszeit (§ 8) von mehr als einem Jahr längstens bis zum Ende der 13. Woche und von mehr als drei Jahren längstens zum Ende der 26. Woche seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit gezahlt. Für Arbeitnehmer der Sch.-Klinikum S. … gGmbH, Sch.-Klinikum S. … GmbH sowie der H.-Klinikum … GmbH, die ihre Tätigkeit vor dem 1. Januar 2007 aufgenommen haben, gilt bei einer Beschäftigungszeit von mehr als drei Jahren eine Bezugsfrist des Krankengeldzuschusses bis zum Ende der 39. Woche.”

Der Kläger war seit dem 08.01.2020 durchgehend arbeitsunfähig krank. Vom 19.02.2020 an bezog er Krankengeld (Bescheid der A. NW. vom 12.03.2020 = Bl. 81 d.A.), jedenfalls bis zum Endes des Jahres 2020. Das tägliche Bruttokrankengeld betrug 68,90 €. Das tägliche Nettoarbeitsentgelt des Klägers beläuft sich auf 71,61 €. Mit Schreiben seiner Gewerkschaft ver.di vom 13.05.2020 machte der Kläger – erfolglos – Zahlung des Krankengeldzuschusses nach Maßgabe des MTV D. geltend.

Mit seiner Klage verfolgt er diesen Anspruch weiter. Er hat die Auffassung vertreten, ihm stehe für die 33 Wochen nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums ein Krankengeldzuschuss in Höhe von 2,71 EUR täglich zu, mithin insgesamt 626,01 € netto. Der Anspruch folge aus § 19 Abs. 3 MTV D.. Diese Vorschrift gelte auf Grund der dynamischen Verweisung des § 31 Abs. 4 KTD fort. Bei Einführung des KTD bei der Beklagten im Jahr 2014 habe für den Kläger der MTV D. in der Fassung vom 02.03.2010 gegolten, der zum Krankengeldzuschuss eine günstigere Regelung enthalte als der KTD.

Hilfsweise hat der Kläger geltend gemacht, ihm stehe nach § 31 Abs. 4 KTD i.V.m. § 37 Abs. 4 BAT ein Anspruch auf Zahlung von Krankengeldzuschuss für 26 Wochen ab Eintritt der Arbeitsunfähigkeit zu. Diese gegenüber § 15 Abs. 3 KTD günstigere Regelung im BAT habe zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des KTD im Jahr 2002 für den Kläger gegolten. Abzüglich des Entgeltfortzahlungszeitraums von sechs Wochen sei danach für 20 Wochen das Krankengeld täglich mit dem Differenzbetrag von 2,71 € aufzustocken, was eine Forderung von 379,40 € netto ergebe.

Äußerst hilfsweise hat der Kläger geltend gemacht, ihm stehe gemäß § 15 Abs. 3 KTD ein Krankengeldzuschuss für sieben Wochen (nach Ende der Entgeltfortzahlung) zu, also 132,79 € netto.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

die Beklagte wird verurteilt, 626,01 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger habe keinen Anspruch auf Krankengeldzuschuss nach § 15 Abs. 3 KTD, weil er die Voraussetzung einer Beschäftigungszeit von zwölf Jahren bei der Beklagten nicht erfülle. Beschäftigungszeiten bei Rechtvorgängern seien nicht anzurechnen.

Ein Anspruch gemäß § 31 Abs. 4 S. 1 KTD i.V.m. § 19 Abs. 3 MTV D. oder § 37 Abs. 4 BAT bestehe ebenfalls nicht. Die Übergangsregelung des § 31 Abs. 4 S. 1 KTD gelte nach Wortlaut, Systematik und Sinn und Zweck nur für Arbeitsverhältnisse, die bei Einführung des KTD bereits bei einer kirchlichen oder diakonischen Einrichtung bestanden hätten. Die Regelung sei nicht anwendbar, wenn ein Arbeitsverhältnis – wie hier – erst nach dem 01.10.2002 in den Geltungsbereich des KTD eintrete. Die Tarifvertragsparteien hätten keine “fremden” Regelungen aus rein weltlichen Tarifbereichen übernehmen wollen.

Das Arbeitsgericht hat Auskünfte der Tarifvertragsparteien ver.di und VKDA zu § 31 Abs. 4 S. 1 KTD eingeholt (Beweisbeschluss vom 19.01.2021). Wegen der Auskünfte wird auf die Stellungnahmen von ver.di vom 27.01.2021 (Bl. 102-111 d.A.) und der VDKA vom 22.02.2021 (Bl. 157-158 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte – insoweit rechtskräftig – zur Zahlung des Krankengeldzuschusses gemäß § 15 Abs. 3 KTD in Höhe von 132,79 EUR netto nebst Zinsen verurteilt. Die weitergehende Klage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung eines Krankengeldzuschusses für 39 Wochen aus § 19 Ziffer 3 MTV D.. Der MTV D. sei auf das Arbeitsverhältnis nicht mehr anzuwenden. Denn mit Einführung des KTD in der Einrichtung der Beklagten zum 01.03.2014 sei der MTV D. durch den KTD, der in § 15 Abs. 3 Regelungen zum Krankengeldzuschuss enthält, abgelöst worden. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Krankengeldzuschuss für 26 Wochen nach § 37 Abs. 4 BAT. Er könne seinen Anspruch nicht auf die Übergangsregelung in § 31 Abs. 4 KTD stützen. Zwar habe der Kläger bei Inkrafttreten des KTD am 01.10.2002 bereits in einem Arbeitsverhältnis in der Einrichtung gestanden, die die Beklagte später übernommen hat. Auch habe seinerzeit der BAT für sein Arbeitsverhältnis gegolten. Die Übergangsvorschrift des § 31 Abs. 4 KTD sei aber so zu verstehen, dass sie nur Arbeitsverhältnisse erfasse, die am 01.10.2002 in einer Einrichtung bestanden, in der zeitnah der KTD übernommen worden ist. Nicht jeder Fall der späteren Einführung des KTD in einer Einrichtung habe erfasst werden sollen. Für dieses Auslegungsergebnis sprächen auch die Auskünfte der Tarifvertragsparteien. Die Gewerkschaft ver.di habe in ihrer Auskunft vom 27.01.2021 erklärt, dass der Wortlaut des § 31 Abs. 4 KTD offen lasse, welcher Fall eines Überganges – Neueinführung des KTD im Jahr 2002 oder spätere Einführung dieses Tarifvertrags – gemeint sei. Die VKDA habe ausdrücklich erklärt, dass die Übergangsregelung in § 31 Abs. 4 KTD sich nur auf die bereits im Oktober 2002 in diakonischen Einrichtungen bestehenden Arbeitsverhältnissen bezogen habe.

Gegen das ihm am 08.06.2021 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 06.07.2021 Berufung eingelegt, die das Arbeitsgericht gesondert zugelassen hatte. Mit am letzten Tag der bis zum 03.09.2021 verlängerten Berufungsbegründungsfrist eingegangenen Schriftsatz hat der Kläger seine Berufung begründet.

Der Kläger bezieht sich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und vertieft diesen. Er meint, sein Anspruch auf Zuschuss zum Krankengeld richte sich nach § 31 Abs. 4 KTD i.V.m. § 19 Abs. 3 MTV D.. Der KTD habe diese Regelung des MTV D. zum Krankengeldzuschuss nicht abgelöst, da sie für ihn günstiger sei als die des KTD (dort § 15 Abs. 3) und daher fortgelte. Bei Einführung des KTD im Jahr 2014 habe der MTV D. für den Kläger gegolten. § 31 Abs. 4 KTD gelte nicht nur für die Einführung des KTD im Jahr 2002, sondern auch, wenn in einem Betrieb zu einem späteren Zeitpunkt der KTD eingeführt wird. Übergangsprobleme, etwa durch die Ablösung von Tarifverträgen, könnten jederzeit entstehen. Dafür spreche auch die in § 31 Abs. 6 KTD vorgesehene Änderbarkeit der Übergangsbestimmungen durch Einführungstarifvertrag. Hier habe der EinfTV KTD den § 31 Abs. 4 KTD gerade nicht berührt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 06.05.2021 zum Az 2 Ca 1223/20 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 493,22 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Zutreffend habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass der normativ geltende KTD die nach dem Betriebsübergang auf die Beklagte zunächst transformiert fortgeltenden tariflichen Regelungen zum Krankengeldzuschuss (MTV D., BAT) abgelöst habe. Aus § 31 Abs. 4 KTD folge nichts Anderes. Dies Vorschrift habe nur für das Inkrafttreten des KTD im Jahr 2002 gegolten, nicht für spätere betriebliche Einführungen, wie hier bei der Beklagten im Jahr 2014. Das ergebe sich aus der Systematik des Tarifvertrags sowie aus dem Sinn und Zweck der Übergangsregelung. § 32 Abs. 1 KTD definiere den Begriff des “In-Kraft-Tretens”.

Wegen des weiteren Vortags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

I. Die gemäß § 64 Abs. 2 a) ArbGG statthafte Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1

ArbGG, 519 ff. ZPO.

II. Die Berufung ist begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Krankengeldzuschuss für 33 Wochen ab dem 19.02.2020. Der Anspruch folgt aus § 31 Abs. 4 S. 1 KTD iVm. § 22 Abs. 2 und 3 TVöD.

1. Das Arbeitsgericht hat dem Kläger – insoweit rechtkräftig – Krankengeldzuschuss in Höhe von 2,71 EUR täglich für 7 Wochen ab dem 19.02.2020 zugesprochen, insgesamt 132,79 EUR netto nebst Zinsen. Es hat richtig erkannt, dass der KTD aufgrund beiderseitiger Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung findet. § 15 Abs. 3 KTD bestimmt, dass Beschäftigte mit einer Beschäftigungsdauer von mindestens zwölf Jahren nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums einen Zuschuss zum Krankengeld erhalten. Der Zuschuss wird längstens bis zum Ende der 13. Woche seit Beginn der Arbeitsunfähigkeit gewährt.

Das Arbeitsgericht hat gestützt auf § 3 Abs. 8 EinfTV KTD eine (anrechenbare) Beschäftigungszeit von mehr als zwölf Jahren bejaht und konsequenterweise entschieden, dass der Kläger im Anschluss an die sechswöchige Entgeltfortzahlung ab dem 19.02.2020 für sieben Wochen einen Zuschuss zu dem ihm von der A. gezahlten Krankengeld verlangen kann.

2. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht aber die Anwendbarkeit der Übergangsregelung des § 31 Abs. 4 KTD verneint, die dem Kläger den Anspruch auf einen längeren Bezug des Krankengeldzuschusses vermittelt.

a) Gemäß § 31 Abs. 4 S. 1 KTD gelten für Arbeitnehmerinnen, denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages günstigere Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zustanden, diese Rechte fort, und zwar in der zum Zeitpunkt des Überganges gültigen Fassung.

b) Die Parteien streiten über die Reichweite des den Beschäftigten durch diese Übergangsregelung gewährten Bestandsschutzes. Die Beklagte und das Arbeitsgericht sind der Ansicht, die Vorschrift habe nach dem Willen der Tarifvertragsparteien nur für solche Beschäftigten gelten sollen, die bei Inkrafttreten des KTD im Jahr 2002 in dieses Tarifwerk übergeleitet wurden. Denn die Vorschrift gelte nach ihrem Wortlaut für Beschäftigte, denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des KTD, also am 01.10.2002 günstigere Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zugestanden hätten. Nach Auffassung des Klägers erfasst § 31 Abs. 4 S. 1 KTD dagegen auch spätere betriebliche Einführungen des KTD, wie hier bei der Beklagten im Jahr 2014. Maßgebend sei der Zeitpunkt des Übergangs und damit das Inkrafttreten des KTD im Betrieb.

c) Die Berufungskammer gelangt in Anwendung der für Tarifverträge maßgeblichen Auslegungsgrundsätze (vgl. BAG 12.12.2018 – 4 AZR 147/17 – Rn. 35, 42 mwN) dazu, dass es auf der Tatbestandsseite der Norm darauf ankommt, ob zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des KTD am 01.10.2002 für den Beschäftigten günstigere Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall galten, ohne dass der KTD schon zu diesem Zeitpunkt in der Einrichtung wirksam werden muss. Die Überleitung in den KTD kann auch noch später erfolgen. In diesem Fall gelten die für den 01.10.2002 als günstiger bewerteten Regelungen (Tatbestandsseite) in ihrer zum Zeitpunkt des (späteren) Übergangs in das Arbeitsrechtssystem des KTD geltenden Fassung fort (Rechtsfolgenseite).

Der Wortlaut und die Systematik des § 31 Abs. 4 S. 1 KTD sind eindeutig und lassen den Regelungszweck erkennen. Im ersten Teil des Satzes wird beschrieben, unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmer Bestandsschutz reklamieren können, wenn der KTD für sie wirksam wird. Anspruchsberechtigt sind danach solche Arbeitnehmer, denen zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Tarifvertrages günstigere Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zustanden. Maßgebend ist deshalb auf der Tatbestandsseite der Norm, dass für den betroffenen Arbeitnehmer bei Inkrafttreten des KTD am 01.10.2002 aufgrund des für ihn bei seinem Arbeitgeber geltenden Arbeitsrechtsregelungssystems günstigere Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bestanden. § 31 Abs. 4 S. 1 KTD stellt nach seinem Wortlaut für den Günstigkeitsvergleich auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Tarifvertrags (KTD) ab. In Kraft trat der KTD am 01.10.2002. Das ergibt sich aus § 32 Abs. 1 KTD. Keinen Bestandsschutz gewährt die Vorschrift dagegen denjenigen, für die am 01.10.2002 keine gegenüber § 15 KTD günstigeren Regelungen zur Entgeltfortzahlung galten, unabhängig davon, ob für sie zu einem späteren Zeitpunkt solche günstigeren Regelungen in Kraft getreten sind.

Für den Fall, dass die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, sieht § 31 Abs. 4 S. 1 KTD auf der im zweiten Teil des Satzes beschriebenen Rechtsfolgenseite vor, dass diese Rechte/Regelungen fortgelten, und zwar in der zum Zeitpunkt des Überganges gültigen Fassung. Für die Rechtsfolge der Fortgeltung der günstigeren Regelung stellt der Tarifvertrag also nicht statisch auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des KTD (am 01.10.2002) und die zu diesem Zeitpunkt geltende Fassung der günstigeren Regelung ab. Vielmehr ist nach dem Wortlaut des § 31 Abs. 4 Satz 1 HS 2 KTD die zum Zeitpunkt des Übergangs gültige Fassung der günstigeren Regelung maßgebend. Der Zeitpunkt des Übergangs ist nicht zwangsläufig der des erstmaligen Inkrafttretens des KTD. Dafür sprechen bereits die unterschiedlichen Formulierungen “Inkrafttreten” und “Übergang” im selben Satz. Entscheidend ist aber, dass die Tarifvertragsparteien in § 31 Abs. 2 a) KTD definiert haben, was sie mit “zum Zeitpunkt des Übergangs” gemeint haben. Dabei handelt es sich um eine verbindliche tarifliche Definition des Begriffs “Zeitpunkt des Übergangs” (vgl. zur Bedeutung einer tariflichen Definition BAG 17.09.2003 – 4 AZR 540/02 – Rn. 105). Die eigenständige Definition lautet “Wirksamkeit der KTD-Regelung in der Einrichtung”. Das kann somit der 01.10.2002 sein, aber auch ein späterer Termin.

d) Die vom Arbeitsgericht eingeholten Tarifauskünfte stehen diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen.

Die Stellungnahme der Gewerkschaft ver.di vom 27.01.2021 ist unergiebig. Sie lässt ausdrücklich offen (Seite 3 unten), welchen Fall eines “Übergangs” § 31 Abs. 4 S. 1 KTD meint. Die in der Stellungnahme angesprochenen Tarifverträge, der EinfTV KTD und der Tarifvertrag zur Begleitung der Teilbetriebsübergänge in die H. & St. GmbH helfen bei der Auslegung nicht weiter. Die tarifvertragsschließenden Parteien waren nicht identisch. Diese von teilweise anderen Tarifvertragsparteien geschlossene Tarifverträge lassen keine Rückschlüsse auf den Willen der Tarifvertragsparteien des KTD bei Abschluss dieses Tarifvertrags im Jahr 2002 zu.

Aus der Stellungnahme des VKDA ergibt sich nicht, dass § 31 Abs. 4 S. 1 KTD nur gelten sollte, wenn bei einem diakonischen Anstellungsträger bereits im Oktober 2002 der KTD eingeführt worden ist, nicht jedoch bei einer späteren Einführung dieses Tarifwerks. In der Stellungnahme wird geschildert, dass der KTD zunächst nur für diakonische Mitglieder des VKDA galt, die nach dem 30.09.2002 dem Verband beitraten. In der Folge sei der KTD aber auch bei Mitgliedern in Kraft getreten, die schon vor dem 01.10.2002 Mitglied des VKDA waren oder dem Verband später beitraten. Aus der Stellungnahme geht nicht hervor, dass § 31 Abs. 4 S. 1 KTD für diese Fälle nicht (mehr) gelten sollte. Entscheidend für die Geltung der Vorschrift sei vielmehr gewesen, dass das Arbeitsverhältnis des von der Überleitung in den KTD betroffenen Arbeitnehmers bereits im Oktober 2002 bestanden hat. Hintergrund der Regelung des § 31 Abs. 4 KTD sei gewesen, dass der Wechsel in den KTD aus einem System erfolgt, das jedenfalls im Jahr 2002 günstigere Regelungen zur Entgeltfortzahlung vorsah als der KTD. Ausdrücklich genannt werden in der Stellungnahme die AVR, der KAT und der TVöD (ehemals BAT). Dem entspricht die Auslegung der Vorschrift durch die Berufungskammer (s.o.). Dass die Übergangsregelung nach der Stellungnahme des VKDA darüber hinaus nur für Arbeitsverhältnisse gelten soll, die im Oktober 2002 zu diakonischen Anstellungsträgern bestanden, klingt in § 31 Abs. 4 S. 1 KTD oder an anderer Stelle in dem Tarifvertrag nicht an und kann deshalb bei der Auslegung nicht berücksichtigt werden.

e) Der Kläger erfüllt die Tatbestandsvoraussetzungen des § 31 Abs. 4 S. 1 KTD. Für ihn galten zum maßgebenden Zeitpunkt, d.h. am 01.10.2002, günstigere Regelungen zur Entgeltfortzahlung als sie der KTD vorsah und vorsieht. Sein Arbeitsverhältnis mit dem Land S.- richtete sich im Oktober 2002 nach dem BAT. Der BAT enthielt günstigere Regelungen zur Entgeltfortzahlung als § 15 KTD. So verlängerte sich gemäß § 71 BAT für langjährig Beschäftigte, deren Arbeitsverhältnis – wie das des Klägers – bereits am 30.06.1994 bestanden hatte, die Dauer der Entgeltfortzahlung bis zum Ende der 26. Woche der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Dagegen sieht § 15 Abs. 2 KTD nur eine sechswöchige Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall vor. Selbst wenn die Voraussetzungen des § 71 BAT nicht vorlagen, hatten die Beschäftigten gemäß § 37 Abs. 3 BAT nach Ablauf des gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraums von sechs Wochen längere Zeit Anspruch auf Krankengeldzuschuss als nach § 15 Abs. 3 KTD. Gemäß § 15 Abs. 3 KTD erhielten und erhalten Arbeitnehmer erst nach einer Beschäftigungszeit von zwölf Jahren einen Krankengeldzuschuss von längstens 13 Wochen. Dagegen sah § 37 Abs. 3 BAT in seiner im Oktober 2002 geltenden Fassung einen Krankengeldzuschuss bis zum Ende der 13. Woche bereits bei einer Beschäftigungsdauer von mehr als einem Jahr vor; bei einer Beschäftigungszeit von mehr als drei Jahren bestand der Anspruch auf den Zuschuss sogar bis zum Ende der 26. Woche seit dem Beginn der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Festzuhalten ist daher, dass bei Inkrafttreten des KTD am 01.10.2002 für den Kläger mit dem Arbeitsrechtssystem des BAT günstigere Regelungen zur Entgeltfortzahlung galten.

Auf der Rechtsfolgenseite kommt es auf den 01.03.2014 an, denn zu diesem Zeitpunkt ist der KTD bei der Beklagten eingeführt worden. Nach § 31 Abs. 4 S. 1 HS 2 gelten die günstigeren Regelungen des BAT zur Entgeltfortzahlung in der bei Wirksamwerden der KTD-Regelung in der Einrichtung gültigen Fassung. Zu diesem Zeitpunkt, also am 01.03.2014, waren die im Oktober 2002 dem BAT unterfallenden Arbeitsverhältnisse bereits in den TVöD übergeleitet worden. Der TVöD sieht in seinem § 22 Abs. 2 als zusätzliche Leistung einen Krankengeldzuschuss vor. § 22 Abs. 2 TVöD ist also an die Stelle von § 37 Abs. 3 BAT getreten. Auch hier setzt die Zahlung des Zuschusses eine Beschäftigungszeit von mehr als einem Jahr (wie bei § 37 Abs. 3 BAT) voraus. Ab einer Beschäftigungsdauer von mehr als drei Jahren verlängert sich der Zuschusszeitraum jedoch bis zum Ende der 39. Woche seit Beginn der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit. Diese Regelung des § 22 Abs. 2 TVöD ist somit die für den sowohl beim Land S.- als auch bei der Beklagten seit weit mehr als drei Jahren beschäftigten Kläger die zum Zeitpunkt des Übergangs (Wirksamwerden der KTD-Regelung in der Einrichtung) gültige Fassung iSv. § 31 Abs. 4 S. 1 KTD.

Folglich kann der Kläger ab dem 19.02.2020 für insgesamt 33 Wochen Krankengeldzuschuss in Höhe von 2,71 EUR netto täglich verlangen, insgesamt 626,01 EUR netto. Gegen die Berechnung der Forderung, insbesondere des täglichen Zuschusses, hat die Beklagte keine Einwände erhoben. Dem Kläger stehen somit über die ihm bereits rechtskräftig zugesprochenen 132,79 EUR netto hinaus weitere 493,22 EUR zu.

3. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291288 Abs. 1 S. 2 BGB.

III. Die Beklagte hat nach § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtstreits zu tragen.

Die Revision ist gemäß § 72 Abs. 1, 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen worden.