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| Die Berufung des Klägers ist überwiegend erfolgreich. Dem Kläger steht für den geltend gemachten Zeitraum Vergütung aus Ausnahmeverzug der Beklagten zu. Er muss sich lediglich das anrechnen lassen, was er an öffentlich-rechtlichen Leistungen infolge Arbeitslosigkeit erhalten hat, § 11 Ziff. 3 Satz 1 KSchG. Nicht anzurechnen ist, was er hätte verdienen können, wenn er sich auf den Abschluss der Vereinbarung über ein Prozessarbeitsverhältnis eingelassen und auf dieser Grundlage weitergearbeitet hätte. Der Kläger hat es nicht böswillig unterlassen, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen i.S.v. § 11 Ziff. 2 KSchG. Der Anspruch ist indessen nicht in der geforderten Höhe gegeben. |
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| Die Berufung ist an sich statthaft nach §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, Abs. 2b) ArbGG, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 Euro übersteigt. Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil sei frist- und formgerecht durch Schriftsatz der Gewerkschaft eingelegt und binnen antragsgemäß verlängerter Frist auch begründet wurde, § 66 Abs. 1, 11 Abs. 4, Abs. 2 Ziff. 4, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 Satz 2 Ziff. 2 ZPO. Auf die diesbezüglichen Feststellungen im Sitzungsprotokoll vom 26. Januar 2021 wird Bezug genommen (Bl. 100). |
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| Die Berufung ist auch überwiegend begründet, weil der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum Oktober 2019 bis Dezember 2019 gegeben ist (I.). Er beschränkt sich der Höhe nach allerdings auf die dem Kläger zuletzt gewährte Vergütung in Höhe von 6.666,67 Euro brutto monatlich abzüglich von der Bundesagentur für Arbeit bezogener 2.742,90 Euro (II.). |
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| Die Beklagte befand sich im Streitzeitraum in Annahmeverzug mit der Rechtsfolge des § 615 Satz 1 BGB. Danach kann der Kläger für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Denn nach der Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 29. August 2019 war die Kündigung vom 15. Februar 2019 zum 30. September 2019 rechtsunwirksam. Deshalb besteht das Arbeitsverhältnis der Parteien fort. Der Kläger muss sich über das, was er unstreitig an öffentlich-rechtlichen Leistungen infolge Arbeitslosigkeit für die Zwischenzeit bis zum Wiederaufnahme der Tätigkeit am 1. Januar 2020 erhalten hat, nichts anrechnen lassen (§ 11 Ziff. 3 KSchG). |
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| 1. Mit dem Ausspruch der unwirksamen Kündigung kam die Beklagte mit der Annahme der Arbeitsleistung des Klägers in Verzug. Da in der Kündigung zugleich die Erklärung der Beklagten lag, sie werde die Leistung nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht annehmen, bedurfte es keines Angebots des Klägers, §§ 295, 296 Satz 1 BGB (BAG 17. November 2011 – 5 AZR 564/10 – Rn. 13, juris; 27. August 2008 – 5 AZR 16/08 – Rn. 16, juris; 24. September 2003 – 5 AZR 500/02 – NZA 2004, 90ff.; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht/Kiel, 21. Aufl. 2021 § 11 Kündigungsschutzgesetz Rn. 3). |
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| Zwar war das Urteil des Arbeitsgerichts bei Beginn des Annahmeverzuges am 1. Oktober 2019 noch nicht in Rechtskraft erwachsen, weil die Beklagte hiergegen Berufung einlegte. Mit deren Rücknahme stand die Unwirksamkeit der Kündigung aber fest. |
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| Der Annahmeverzug endet nicht dadurch, dass der Arbeitgeber für die Dauer des (weiteren) Kündigungsrechtsstreits einen befristeten neuen Arbeitsvertrag oder eine durch die rechtskräftige Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung auflösend bedingte Fortsetzung des Vertrages anbietet. Denn der Arbeitgeber, der an der Kündigung – wie vorliegend – festhält, gibt das Arbeitsangebot nicht in Erfüllung des bisherigen Arbeitsvertrages ab (BAG 24. September 2003 – 5 AZR 500/02 – NZA 2004 90ff.; Linck/Krause/Bayreuther KSchG 16. Aufl. 2019 § 11 Rn. 23). |
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| Das hat die Beklagte in der Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis, die sie dem Kläger angetragen hat, klargestellt. Danach hielt sie weiterhin an der Kündigung fest und wollte das bestehende Lohnfortzahlungsrisiko vermindern. Hinzu tritt, dass die vorgeschlagene Vereinbarung Abweichungen zum Arbeitsvertrag der Parteien, insbesondere hinsichtlich der Ansprüche auf Entgeltfortzahlung und Urlaub enthält. Auch die Beklagte macht nicht geltend, sie habe vertragsgerechte Arbeit zwecks Erfüllung des bestehenden Arbeitsvertrages angeboten und damit den Annahmeverzug beendet (vgl. BAG 7. Februar 2007 – 5 AZR 422/06 – Rn. 16 juris). |
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| 2. Nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG unterliegt das Arbeitsentgelt, das der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer für die Zeit nach der Entlassung schuldet, der Anrechnung im Umfang des Verdienstes, den der Arbeitnehmer hätte erzielen können, wenn er es nicht böswillig unterlassen hätte, eine ihm zumutbare Arbeit anzunehmen. Die Vorschrift unterscheidet sich zwar nach ihrem Wortlaut von § 615 Satz 2 BGB, ist aber inhaltlich deckungsgleich. Gesetzliche Folge ist die Anrechnung des hypothetischen Verdienstes. Der Arbeitgeber wird von seiner Zahlungspflicht befreit, ohne dass es einer Anrechnungserklärung bedarf (BAG 24. September 2003 – 5 AZR 500/02 – NZA 2004 90ff. unter II. 1. der Gründe; 16. Mai 2000, BAGE 94, 343 (345) = NZA 2001, 26). |
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| a) Beide Bestimmungen stellen darauf ab, ob dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) sowie unter Beachtung des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 GG) die Aufnahme einer anderweitigen Arbeit zumutbar ist. Dabei kommt eine Anrechnung auch in Betracht, wenn die Beschäftigungsmöglichkeit bei dem Arbeitgeber besteht, der sich bei der Annahme der Dienste des Arbeitnehmers in Verzug befindet. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. |
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| Die Unzumutbarkeit der Arbeit kann sich unter verschiedenen Gesichtspunkten ergeben. Sie kann ihren Grund in der Person des Arbeitgebers, der Art der Arbeit und den sonstigen Arbeitsbedingungen haben. Auch vertragsrechtliche Umstände sind zu berücksichtigen. Allerdings ist die nicht vertragsgemäße Arbeit nicht ohne Weiteres mit unzumutbarer Arbeit gleichzusetzen. Wie § 615 Satz 2 BGB schließt § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG den Fall mit ein, dass der Arbeitgeber nur vertragswidrige Arbeit anbietet. Denn das Angebot vertragsgerechter Arbeit zwecks Erfüllung des bestehenden Arbeitsverhältnisses würde den Annahmeverzug beenden. Vielmehr handelt der Arbeitnehmer böswillig, dem ein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er während des Annahmeverzugs trotz Kenntnis aller objektiven Umstände vorsätzlich untätig bleibt oder die Aufnahme der Arbeit bewusst verhindert (BAG 17. November 2011 – 5 AZR 564/10 – Rn. 17, juris m.w.N.) Weder reicht fahrlässiges Verhalten aus noch wird eine Absicht verlangt, dem Arbeitgeber einen Schaden zuzufügen. Es genügt das vorsätzliche Außerachtlassen einer dem Arbeitnehmer bekannten Gelegenheit zur Erwerbsarbeit. Die Ablehnung eines angebotenen Arbeitsplatzes begründet keine Böswilligkeit, wenn der Arbeitnehmer dafür einen sachlichen Grund aufweisen kann (Erfurter Kommentar/Kiel § 11 KSchG Rn. 7). |
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| b) Bietet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer bis zur Rechtskraft des Urteils im Kündigungsschutzprozess ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis an, kann in der Ablehnung eines solchen Angebots ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs gesehen werden (Erfurter Kommentar/Kiel § 11 KSchG Rn 9; Münchener Kommentar zum BGB 8. Aufl. 2020/Hergenröder § 11 KSchG Rn. 23). |
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| aa) Das böswillige Unterlassen zumutbaren Erwerbs i.S.d. § 11 Nr. 2 KSchG wird man regelmäßig dann zu bejahen haben, wenn der Arbeitnehmer einerseits die vorläufige Weiterbeschäftigung begehrt, andererseits aber das entsprechende Angebot des Arbeitgebers ablehnt. Das gilt erst Recht nach einem insoweit obsiegenden Urteil, das dem Arbeitgeber auferlegt, den Arbeitnehmer für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses weiter zu beschäftigen (Münchener Kommentar zum BGB/Hergenröder § 11 KSchG Rn. 24 m.w.N). Es muss demjenigen Arbeitnehmer, der mit seiner Kündigungsschutzklage nicht nur die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung begehrt, sondern darüber hinaus einen Leistungsantrag auf Weiterbeschäftigung stellt, regelmäßig zumutbar sein, auf seinem früheren Arbeitsplatz vorläufig weiter zu arbeiten, selbst wenn die Kündigung – auch – verhaltensbedingt war. Ein solcher Arbeitnehmer gibt nämlich gerade durch die Formulierung seiner Anträge zu erkennen, dass er die bisherige Arbeit auch vor dem rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiter verrichten möchte. Er stellt dabei sein Weiterbeschäftigungsinteresse über sein eventuelles Interesse an Rehabilitation. Die Ablehnung dieses Arbeitsangebots widerspricht dann dem vom Arbeitnehmer selbst geäußerten Wunsch auf Weiterbeschäftigung und stellt ein böswilliges Verhalten dar (LAG Köln 12. Dezember 1995 – 6 Sa 933/95 – Beck Online). |
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| bb) Nach der Rechtsprechung des BAG (24. September 2003 – 5 AZR 500/02 – NZA 2004, 90ff.) ergeben sich Zumutbarkeitsbedenken nicht aus den mit einer bloßen Prozessbeschäftigung verbundenen Unsicherheiten. Die fehlende Vertragsgrundlage und die damit verbundene Rückabwicklung nach Bereicherungsgrundsätzen bei wirksamer Kündigung sind nicht für sich genommen unzumutbar. Sie ändern nichts daran, dass Vergütung erzielt werden kann. Nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG ist der Arbeitnehmer gehalten, „zumutbare Arbeit“, nicht notwendig ein Arbeitsverhältnis anzunehmen. Das Bundesarbeitsgericht hat auch berücksichtigt, dass der dortige – aus verhaltensbedingten Gründen gekündigte – Kläger in Kenntnis aller Umstände die Verurteilung der Beklagten zur vorläufigen Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits beantragt und erwirkt und mit der Antragstellung bekundet hatte, dass ihm die vorläufige Weiterbeschäftigung zumutbar sei. |
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| 3. Nach diesen Grundsätzen ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, der Kläger müsse sich vorwerfen lassen, er habe die Aufnahme der Arbeit bei der Beklagten bewusst verhindert, weil er sich auf die Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis nicht eingelassen habe. |
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| Dem vermag sich die Kammer nicht anzuschließen, weil das den Besonderheiten des Falles nicht gerecht wird. Diese liegen darin, dass der Kläger auf der Grundlage des erwirkten Beschäftigungstitels weiterarbeiten wollte, die Beklage jedoch darauf beharrte, dass es vor Aufnahme der Arbeit zu der Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis komme. |
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| a) Die Beklagte wollte mit der Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis nicht lediglich die vom Kläger angekündigte Vollstreckung des titulierten Weiterbeschäftigungsanspruchs abwenden. Sie hat dem Kläger vielmehr unabhängig von der Beschäftigungspflicht, die sich aus dem vorläufig vollstreckbaren Urteil (§ 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG) ergab, ein durch die rechtskräftige Entscheidung über die Kündigung vom 15. Februar 2019 auflösend bedingtes Arbeitsverhältnis angeboten. |
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| aa) Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet. Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot („Antrag“) gem. §§ 145ff. BGB angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Ob eine Äußerung oder ein schlüssiges Verhalten als Willenserklärung zu verstehen ist, bedarf der Auslegung. Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie sie die Parteien nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. |
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| Diese Grundsätze sind auch bei der Frage anzuwenden, ob ein bestimmtes, willentliches Verhalten eine Willenserklärung darstellt. Ob einer tatsächlichen Weiterbeschäftigung des Arbeitgebers nach Ablauf der Kündigungsfrist bzw. dem Ende der Befristung ein befristeter Vertrag zugrunde liegt, ist durch Auslegung der ausdrücklichen oder konkludenten Erklärungen der Parteien zu ermitteln (BAG 22. Juli 2014 – 9 AZR 1066/12 – Rn. 13,14, juris). |
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| 1) In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der Kläger mit der Befristungskontrollklage keine Weiterbeschäftigung begehrt, aber nach einer stattgebenden Entscheidung die Beklagte zur Weiterbeschäftigung aufgefordert, andernfalls er umgehend beim Arbeitsgericht die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung anhängig machen werde. Das beklagte Land hatte daraufhin mitgeteilt, der Kläger werde bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits aufgrund des von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs beschäftigt. Es werde somit kein eigenständiges Arbeitsverhältnis begründet oder das befristete Arbeitsverhältnis über den Fristablauf hinaus fortgesetzt. Das Bundesarbeitsgericht hat die Annahme eines Vertrages schon nach dem Wortlaut der arbeitgeberseitigen Erklärung, aber auch einen konkludenten Vertragsschluss abgelehnt. |
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| (2) In der Entscheidung vom 24. September 2003 (- 5 AZR 500/02 – NZA 2004 90ff.) war die Beklagte antragsgemäß zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt worden und forderte jenen auf, die Beschäftigung mit sofortiger Wirkung wiederaufzunehmen, was nicht als normale Weiterbeschäftigung zu verstehen sei, sondern als „Prozessbeschäftigung geltend bis zum rechtskräftige Abschluss des Verfahrens“. Der Kläger hielt sich zu der Annahme eines Prozessarbeitsverhältnisses nicht verpflichtet. |
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| Das BAG entschied, dass die Beklagte dem Kläger kein Angebot unterbreitet habe, ein Arbeitsverhältnis entsprechend den bisherigen beiderseitigen Leistungspflichten auflösend bedingt oder befristet bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits einzugehen. Sie habe den Kläger lediglich aufgefordert, seine Beschäftigung entsprechend der arbeitsgerichtlichen Entscheidung wiederaufzunehmen. Sie habe sich bereit erklärt, das – vorläufig vollstreckbare – Urteil zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch ohne Vollstreckungsmaßnahmen des Klägers zu befolgen und dem Kläger seinen bisherigen Arbeitsplatz bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits wieder zur Verfügung zu stellen. Eine besondere vertragliche Grundlage hierfür habe sie mit der Aufforderung zur „Prozessbeschäftigung“ aufgrund des Teilurteils nicht angeboten. Diese Auslegung ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Schreibens in Zusammenhang mit der damaligen Prozesssituation (BAG II. 3. d) aa) der Gründe). |
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| bb) Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts hat die Beklagte dem Kläger das Angebot zur Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis nicht und schon gar nicht für den Kläger klar erkennbar zum Zwecke der Abwendung der Zwangsvollstreckung unterbreitet. |
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| Dagegen sprechen der Wortlaut und die sonstigen Umstände, die den Vertragsentwurf begleitet haben. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den Sachverhalten, die den vorstehend genannten Entscheidungen des BAG zugrunde lagen. |
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| (1) Ersichtlich ging es der Beklagte darum, die Beschäftigung des Klägers ab dem 1. Oktober 2019 auf eine vertragliche Grundlage zu stellen. Sonst hätte es schon gar keiner Vereinbarung bedurft. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem von dem Kläger erwirkten Titel hätte die Arbeitsaufforderung genügt. Die weiteren Rechtsfolgen sind abhängig von der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung (vgl. Linck/Krause/Bayreuther § 4 KSchG Rn. 166ff.). |
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| (2) Auch der Wortlaut der Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis spricht gegen die Annahme, die Beklagte habe die Zwangsvollstreckung aus dem Titel befürchtet und diese abwenden wollen. Zwar ist im Text die Rede davon, dass die Beklagte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung einlegen werde. Das Angebot eines befristeten Prozessarbeitsverhältnisses sollte aber deswegen erfolgen, um das bestehende Lohnfortzahlungsrisiko zu vermindern. Dass die Beklagte einen – titulierten – Beschäftigungsanspruch des Klägers anerkennen und erfüllen wollte, ergibt sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung gerade nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit. Vielmehr wird unter 1. Beginn/Befristung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber das befristete Prozessarbeitsverhältnis anbiete, das spätestens durch eine rechtskräftige Entscheidung auflösend bedingt sei, um das Annahmeverzugslohnrisiko gem. § 615 BGB zu vermeiden. |
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| (3) Gegen die Annahme des Arbeitsgerichts, das Angebot der Beklagten habe der Anwendung der Zwangsvollstreckung gedient, spricht auch der zeitliche Ablauf, den der Kläger in der Berufungsbegründung näher dargestellt hat. |
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| Schrieb doch die Beklagte unter dem 26. September 2019 um 15:10 Uhr an den Bevollmächtigten des Klägers (Bl. 67): |
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| Sehr geehrter Herr R., anbei erhalten Sie unser Angebot zur Begründung eines Prozessarbeitsverhältnisses. |
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| Bitte prüfen Sie dies und reichen Sie, wenn Sie damit einverstanden sind, ein unterzeichnetes Exemplar bis zum 30.09.2019 zurück. (…) |
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| Erst im Anschluss daran um 16:47 Uhr antwortete der Bevollmächtigte unter Hinweis auf den gewonnenen Prozess und die Pflicht, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als Qualitätsmanager weiter zu beschäftigen, bestehe keine Notwendigkeit eine gesonderte Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis abzuschließen. Die Beklagte wurde aufgefordert, den Kläger als Qualitätsmanager weiter zu beschäftigen, ansonsten geprüft werden müsse, ob die Zwangsvollstreckung einzuleiten sei. |
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| Auch das spricht dafür, dass es der Beklagten darauf ankam, die Beschäftigung auf eine vertragliche und von der titulierten Verpflichtung unabhängige Grundlage zu stellen. |
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| (4) Soweit der Beklagtenvertreter im Termin darauf hingewiesen hat, im Schreiben des damaligen Klägervertreters sei von einer nochmaligen Aufforderung die Rede, ergibt sich zwar aus dem Schreiben selbst, dass der Kläger bereits vor dem 26. September 2019 persönlich vor Ort den Beschäftigungsanspruch geltend gemacht hat. |
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| Das spricht aber nicht hinreichend dafür, dass es der Beklagten darum gegangen wäre, den titulierten Anspruch abzusichern und die Zwangsvollstreckung zu vermeiden. Denn nach den schriftsätzlichen Ausführungen des Klägers in der Berufungsbegründung und seinen persönlichen Einlassungen im Termin, ist die Kammer davon überzeugt, dass die Beklagte am 1. Oktober 2019 nicht bereit war, den Kläger unabhängig vom Abschluss der Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis zu beschäftigen, § 286 Abs. 1 ZPO. |
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| (5) Nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont ist deshalb davon auszugehen, dass die Beklagte dem Kläger ein eigenständiges Vertragsangebot zur Grundlage der weiteren Beschäftigung unterbreitet hat. Dafür spricht auch, dass die Beklagte im Schriftsatz vom 20. März 2020 ausgeführt hat (Bl. 76, 77 der Akte des ArbG): |
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| Zwischen den Parteien lag in der Zeit ab 1.10. bis 31.12.2020 keine rechtskräftige Entscheidung vor, kraft deren die Beklage verpflichtet war, den Kläger in seiner ursprünglichen Tätigkeit weiter zu beschäftigen, die Beklagte hatte gegen die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts Crailsheim 7 Ca 92/19 vor dem Landesarbeitsgericht unter dem Aktenzeichen 4 Sa 81/19 Berufung eingelegt. |
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| Annahmeverzugsansprüche aus § 615 Satz 1 BGB bestehen nicht bzw. sind aus § 615 Satz 2 BGB entfallen, da die Beklagte dem Kläger in der fraglichen Zeit ein zumutbares Prozessbeschäftigung zu den Konditionen des Ursprungsvertrags ab dem 03.10.219 angeboten hat. |
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| siehe Vereinbarung im Anhang 1 |
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| Dieses Beschäftigungsverhältnis, aus dem der Kläger die vertraglichen Vergütung erzielt hätte, der Kläger ausdrücklich abgelehnt (…) |
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| Der erste Absatz spricht dafür, dass sich die Beklagte ihrer titulierten Beschäftigungspflicht bis zur Rechtskraft der Entscheidung nicht bewusst war. |
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| (6) Gegen die Annahme einer beabsichtigten vertraglichen Grundlage zur Beschäftigung des Klägers spricht auch nicht, dass die Beklagte meint, in einem (beiderseits freiwilligen) Prozessarbeitsverhältnis die von der Rechtsprechung des BAG entwickelten Folgen bei der Rückabwicklung der wechselseitigen Ansprüche im Falle einer letztlich wirksamen Kündigung antizipieren zu können. Gegen die Wirksamkeit einer solchen Regelung bestehen Bedenken. |
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| 4. Dem Kläger kann nicht angelastet werden, dass er sich geweigert hat, die Vereinbarung über ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis zu unterzeichnen. Dem Kläger kann kein Vorwurf gemacht werden, er habe vorsätzlich ohne ausreichenden Grund Arbeit abgelehnt oder vorsätzlich verhindert, dass ihm Arbeit angeboten werden. |
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| a) Der Kläger ist nicht untätig geblieben, sondern hat seine Arbeitskraft wohl schon vor dem 26. September 2019 vor Ort, mit Schreiben vom 26. und vom 30. September 2019 sowie am 1. Oktober 2019 tatsächlich vor Ort angeboten. |
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| Der Kläger hat darüber hinaus die Zwangsvollstreckung gegen die Beklagte im streitigen Zeitraum eingeleitet, um seinen titulierten Beschäftigungsanspruch zu realisieren. Dazu war der Kläger nicht einmal verpflichtet (BAG 22. Februar 2000 – 9 AZR 194/99 – NZA 2000, 817ff.). § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG beinhaltet zwar grundsätzlich eine Obliegenheit zum eigenen Tätigwerden, wenn sich eine realistische Arbeitsmöglichkeit bietet (BAG 22. März 2017, NZA 2017, 988 Rn. 27). Geht es aber um eine Arbeitsmöglichkeit bei dem bisherigen Arbeitgeber, kann der Arbeitnehmer regelmäßig abwarten, ob ihm eine zumutbare Arbeit angeboten wird (BAG 11. Januar 2006, NZA 2006, 314). |
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| Darüber hinaus besteht eine entsprechende Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers auch ohne ein entsprechendes klagestattgebendes Urteil, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs erfüllt sind. Es bedarf deshalb nicht einmal eines Klageantrags auf Weiterbeschäftigung, wenn der Arbeitnehmer mit der Bestandsschutzstreitigkeit obsiegt (vgl. BAG 22. Juli 2014 – 9 AZR 1066/12 – Rn. 19, juris). |
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| b) Der Kläger hat die Tätigkeit als solche auch nicht abgelehnt, weil sie nicht der eines Qualitätsmanagers entspreche. |
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| Nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien im Termin vom 26. Januar 2021 hatte die Beklagte dem Kläger bereits zuvor auf die Position in der Anlagenqualifizierung versetzt, weil sie die Aufgaben des Qualitätsmanagements auf ein anderes Unternehmen übertragen hatte. Nach den Angaben des Klägers sei dies bereits zum 2. Juli 2018 geschehen. |
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| c) Ein böswilliges Unterlassen ist nicht darin zu sehen, dass sich der Kläger geweigert hat, eine schriftliche Vereinbarung über ein Prozessarbeitsverhältnis zu schließen. Das hat zwar das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (30. September 2003 – 13 Sa 570/03 – AP BGB § 615 Böswilligkeit Nr. 9) unter Hinweis auf das Schriftformerfordernis der §§ 21, 14 Abs. 4 TzBfG und aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit im Interesse beider Vertragsparteien angenommen. Hat aber ein Arbeitnehmer – wie hier – einen vollstreckbaren Weiterbeschäftigungstitel, kann der Arbeitgeber von ihm den Abschluss eines Prozessarbeitsverhältnisses mit ggf. abweichendem Inhalt nicht verlangen. Wollte man in einem solchen Fall den Arbeitnehmer für verpflichtet halten, sich auf eine Prozessbeschäftigung auf vertraglicher Grundlage einzulassen, würde der durch die gefestigte Rechtsprechung abgesicherte allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch nach obsiegenden Urteil im Kündigungsschutzverfahren entwertet. Der Arbeitnehmer handelt nicht böswillig, wenn er darauf besteht, nur aufgrund des Titels tätig zu werden. |
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| Sollte sich die Beklagte außer Standes gesehen haben, den Beschäftigungsanspruch als Qualitätsmanager zu erfüllen, hätte sie entsprechende Einwendungen bereits im Kündigungsschutzrechtsstreit vorbringen müssen. |
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| Der Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung besteht jedoch nur in Höhe von 6.666,67 Euro brutto monatlich abzüglich des bezogenen Arbeitslosengeldes. Dem Kläger steht kein Anspruch auf eine um 4,3% erhöhte Vergütung unter Anwendung der tariflichen Entgelterhöhung zum 1. April 2018 zu. |
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| 1. Ab April 2019 schuldet die Beklagte nach Ziff. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages der Parteien ein Jahresgehalt von 80.000,00 Euro brutto, was 6.666,67 Euro monatlich entspricht. |
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| Der Kläger kann keine Erhöhung um 4,3% entsprechend der zum 1. April 2018 eingetretenen Tariflohnerhöhung verlangen. Die Annahme, Ziff. 2 Satz 2 und Satz 5 des Arbeitsvertrages seien so zu verstehen, dass die zum 1. April 2019 vertraglich vereinbarte Steigerung des Jahresgehaltes rückwirkend von der ein Jahr zuvor wirkenden tariflichen Erhöhung gleichsam überholt werde, entbehrt der Logik. Denn die Parteien haben mit Ziff. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages eine eigenständige Gehaltserhöhung vereinbart, die die Gehaltsvorstellung des Klägers absichern sollte. Dieser Betrag ist Gegenstand künftiger Erhöhungen, die auf den Erhöhungsbetrag der Gehaltsgruppe T6/4 begrenzt sind. |
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| Nach Ziff. 2 Satz 2 des Arbeitsvertrages sollte sich zum 1. April 2019 das – ggf. durch Tariferhöhungen bereits gesteigerte – Jahresgehalt nach Satz 1 auf den Betrag von 80.000,00 Euro brutto jährlich steigern. Die Annahme ist fernliegend, die Parteien hätten Tariferhöhungen nicht nur auf die aktuell geschuldete Vergütung anwenden wollen, sondern auch auf einen künftig geschuldeten Betrag, mit dem eine eigenständige Erhöhung verbunden ist. |
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| Im Übrigen wird auf das Urteil der Kammer vom 26. Januar 2021 – 19 Sa 50/20 – Bezug genommen. |
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| 2. Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB i.V.m. der Fälligkeitsregelung nach Ziff. 2 Satz 4 des Arbeitsvertrages (Ende eines Kalendermonats). |
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| Auf die begründete Berufung des Klägers war deshalb das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abzuändern. Daraus ergibt sich die Zurückweisung der Berufung im Übrigen, was im Tenor der Entscheidung nicht explizit ausgesprochen wurde. |
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| Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, weil sie im Wesentlichen unterlegen ist, § 92 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG. Ob ein Arbeitnehmer trotz ausgeurteilter Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers zum Erhalt der Ansprüche auf Verzugslohn eine Vereinbarung über ein Prozessarbeitsverhältnis eingehen muss, bedarf der Klärung. |
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