1. Tarifliche Ausschlussfristen sind nicht deshalb gemäß § 202 Abs. 1 BGB iVm. § 134 BGB auf jegliche Ansprüche unanwendbar, weil die Tarifnorm Ansprüche aus Haftung wegen Vorsatzes nicht ausdrücklich aus ihrem Tatbestand herausnimmt und die tarifvertragliche Vorschrift lediglich kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme Anwendung findet (entgegen LAG Baden-Württemberg 31. Mai 2021 – 10 Sa 73/20 – Rn. 94 ff). Vielmehr beschränkt sich der Unwirksamkeitsbefehl aus § 202 Abs. 1 BGB iVm. § 134 BGB auf die Fälle einer Haftung wegen Vorsatzes.

2. Jenseits dieser Vorsatzfälle kann sich die (Un-)Anwendbarkeit der Verfallfristen auf nachgelagerter Ebene aus AGB-rechtlichen Vorschriften ergeben, sofern das AGB-Recht Anwendung findet. Auf dieser Ebene gelten sowohl das Verbot geltungserhaltender Reduktion als auch das Prinzip der personalen Teilunwirksamkeit.

3. Gemäß der Bereichsausnahme in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB finden bei arbeitsvertraglicher Verweisung auf Tarifverträge die §§ 305 ff BGB keine Anwendung, sofern eine Globalverweisung auf alle tariflichen Vorschriften und nicht lediglich eine Teilverweisung auf bestimmte Regelungsgegenstände erfolgt.

4. Es ist zweifelhaft, ob bei einer Globalverweisung auf nicht in jeder Hinsicht einschlägige Tarifverträge § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB tatsächlich generell unanwendbar ist (im vorliegenden Fall offengelassen).

5. Die Tarifvertragsparteien im Bereich der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden haben auf eine fachliche Beschränkung der Tarifgeltung verzichtet, indem sie auf alle Mitgliedsunternehmen des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes abgestellt haben.

6. Im Rahmen einer Eingruppierungsstreitigkeit obliegt dem Arbeitnehmer auch dann die volle Darlegungslast für die begehrte Eingruppierung, wenn es der Arbeitgeber trotz dahingehender Verpflichtung unterlassen hat, die ERA-Tarifverträge bezogen auf das Arbeitsverhältnis einzuführen.

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.929,95 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 16. Januar 2022 zu bezahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Der Streitwert wird auf 21.175,77 EUR festgesetzt.

5. Die Berufung wird für den Kläger gesondert zugelassen, soweit der Antrag auf Sonderzahlung für das Jahr 2018 (Antrag Ziff. 34) abgewiesen wird. Im Übrigen wird die Berufung nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger ist seit 03.10.1988 bei der Beklagten als Arbeiter am Standort in U. beschäftigt.

Die Beklagte ist ein Unternehmen aus dem Bereich des Modell- und Formenbaus. Sie ist – und war auch nie – Mitglied eines tarifschließenden Arbeitgeberverbands. Sie ist lediglich Mitglied des Unternehmensverbands Südwest e.V. (ohne Tarifbindung).

Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag vom 09.09.1988 lautet wie folgt (ABl. 72):

“…1. Das Arbeitsverhältnis beginnt am 3. Oktober 1988.

2. Herr X. wird als Arbeiter für sämtliche anfallenden Hilfsarbeiten eingestellt.

3. Die Bezahlung erfolgt im Zeitlohn entsprechend Lohngruppe 7. Der Monatslohn wird mit DM 2.780.– vereinbart. …

4. Der Arbeitsvertrag basiert auf den Tarifverträgen für die Metallindustrie von Nordwürttemberg.”

Bereits unter dem Datum des 24.06.1981 hatte die Beklagte mit dem an ihrem Standort in U. gebildeten Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die folgende Regelung vorsah (ABl. 123):

“TarifverträgeEs wird verbindlich vereinbart, daß für unseren Betrieb in Zukunft nur die Tarifverträge für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie Nordwürttemberg Gültigkeit besitzen und nicht diejenigen für das Modellbauerhandwerk.”

Unter dem Datum des 18.11.2019 schlossen die Betriebsparteien eine Betriebsvereinbarung ab, die auszugsweise wie folgt lautet (ABl. 125):

“…§ 2 Tarifbindung

Die Y. GmbH ist originär mangels Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband an keinen Tarifvertrag gebunden. Haustarifverträge bestehen keine.

Am 24.06.1981 wurde eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, dass zukünftig die Tarifverträge der Metallindustrie Nordwürttemberg Anwendung finden…

Aus wirtschaftlichen Gründen wird diese Anwendung der Tarifverträge der Metallindustrie Nordwürttemberg nun aufgehoben.

Stattdessen wird vereinbart, dass ab 01.04.2020 die Tarifverträge für den Modell- und Formenbau in ihrer jeweils gültigen Fassung gelten…

Es werden ab 01.01.2020 die folgenden Abweichungen von den Tarifverträgen des Modell- und Formenbauerhandwerks vereinbart (§ 3 – § 8 dieser Betriebsvereinbarung):

…”.

Nach § 2.1 iVm. § 2.2 des Tarifvertrags über die tarifliche Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden vom 14. Juni 2005 (im Folgenden TV SoZa) haben Beschäftigte, die jeweils am Auszahlungstag in einem Arbeitsverhältnis stehen, nach 36 Monaten Betriebszugehörigkeit Anspruch auf eine betriebliche Sonderzahlung in Höhe von 55 % eines Monatsverdienstes je Kalenderjahr. Soweit durch Betriebsvereinbarung nichts anderes geregelt ist, ist Auszahlungstag nach § 3.2 TV SoZa jeweils der 1. Dezember.

Zum TV SoZa haben die Tarifvertragsparteien folgende Protokollnotiz Nr. 1 vereinbart:

“Für die Berechnung des Monatsverdienstes nach § 2 Ziff. 2.4 sind die Grundsätze, wie sie für die Berechnung der Urlaubsvergütung gelten, maßgebend gewesen.”

§ 4.4 des zwischen der IG Metall und dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. geschlossenen Urlaubsabkommens für Beschäftigte zum ERA-TV im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden lautet wie folgt:

“Die Urlaubsvergütung bleibt durch Kurzarbeit unberührt.”

§ 18 des zwischen der IG Metall und dem Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden geschlossenen Manteltarifvertrags (im Folgenden: MTV) vom 14. Juni 2005, gültig bis 31.12.2021, lautete auszugsweise wie folgt:

Ҥ 18 Ausschlussfristen

18.1 Ansprüche der Beschäftigten aus dem Arbeitsverhältnis sind dem Arbeitgeber

gegenüber folgendermaßen geltend zu machen:

18.1.1 Ansprüche auf Zuschläge aller Art innerhalb von 2 Monaten nach Fälligkeit;

18.1.2 alle übrigen Ansprüche innerhalb von 6 Monaten nach Fälligkeit, spätestens

jedoch innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind

verwirkt, es sei denn, dass der Beschäftigte durch unverschuldete Umstände

nicht in der Lage war, diese Fristen einzuhalten….”.

Seit 01.01.2022 enthält § 46 des neu gefassten MTV eine identische Regelung zu den Ausschlussfristen.

Gemäß § 7 MTV a.F. bzw. 6 MTV n.F. beträgt die tarifliche Arbeitszeit im Bereich der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden 35 h pro Woche.

Der Entgeltrahmentarifvertrag (im Folgenden ERA-TV) vom 16. September 2003 im Bereich der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden lautet auszugsweise wie folgt:

“§ 4 Grundsätze der Grundentgeltermittlung

4.1 Grundlage für die Ermittlung des Grundentgeltanspruchs des/der Beschäftigten gemäß § 9.1 ist die eingestufte Arbeitsaufgabe.

4.2 Die Arbeitsaufgabe wird durch die Arbeitsorganisation bestimmt. Sie wird ganzheitlich betrachtet. Zu ihrer Einstufung werden alle übertragenen Teilaufgaben im Rahmen der folgenden Bestimmungen berücksichtigt.

§ 5 Einstufung der Arbeitsaufgabe

5.1 Gegenstand der Bewertung

5.1.1 Gegenstand der Bewertung und Einstufung sind die Anforderungen der entsprechend der betrieblichen Arbeitsorganisation übertragenen Arbeitsaufgabe.

5.1.2 Bei der Bewertung der Arbeitsaufgabe sind alle Teilaufgaben zu berücksichtigen, soweit sie die Arbeitsaufgabe in ihrer Wertigkeit prägen.

5.2 Bewertung und Einstufung der Arbeitsaufgabe

5.2.1 Die Bewertung der Arbeitsaufgabe erfolgt unter Anwendung des im Folgenden dargestellten Stufenwertzahlverfahrens als Methode der Arbeitsbewertung gemäß § 6.

5.2.2 Das Stufenwertzahlverfahren kann unmittelbar (§ 6.4.1) oder in der Form einer Vergleichsbewertung, bezogen auf die tariflichen Niveaubeispiele (§ 6.4.2) oder bezogen auf die betrieblichen Ergänzungsbeispiele (§ 6.4.3), angewendet werden.

Bestandteil des Systems der Bewertung und Einstufung ist der im Anhang beigefügte Katalog von tariflichen Niveaubeispielen.

5.2.3 Die Tarifvertragsparteien werden den Katalog der Niveaubeispiele, ausgehend von der technischen und organisatorischen Entwicklung, auf die Notwendigkeit der Aufnahme neuer Beispiele hin überprüfen und eventuell Ergänzungen möglichst unverzüglich vereinbaren….

§ 9 Grundentgeltanspruch der Beschäftigten

9.1 Der Beschäftigte hat Anspruch auf das Grundentgelt derjenigen Entgeltgruppe, die der Einstufung der im Rahmen der festgelegten Arbeitsorganisation ausgeführten Arbeitsaufgabe entspricht….”.

Der Kläger erhielt im Zeitraum April 2018 bis November 2020 ein monatliches Grundentgelt von der Beklagten in Höhe von 3.509,00 EUR brutto nebst diversen, monatlich wechselnden Zuschlägen sowie teilweise Vergütung für erbrachte Mehrarbeit. Die den Abrechnungen zugrunde gelegte wöchentliche Regelarbeitszeit betrug 40 Stunden.

Von Dezember 2021 bis Februar 2022 befand sich der Kläger in Kurzarbeit Null und bezog Kurzarbeitergeld.

Der Kläger ist der Auffassung, Ziffer 4 seines Arbeitsvertrages vom 09.09.1988 enthalte eine konstitutive dynamische Bezugnahmeklausel auf die jeweiligen Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden. Die Betriebsvereinbarung vom 18.11.2019 könne hieran nichts ändern. Nach den einschlägigen tariflichen Vorschriften habe er in Entgeltgruppe 8 des ERA-TV eingruppiert werden müssen. Er verfüge über einen Abschluss als Industriemechaniker mit Berufsausbildung zum Modellschreiner sowie jahrzehntelange Erfahrung, woraus sich diese Eingruppierung rechtfertige. Die Beklagte habe ihm deshalb in den Zeiträumen April 2018 bis November 2020 sowie Dezember 2021 bis Februar 2022 zu wenig Vergütung bezahlt. Bei Berücksichtigung der geringeren tariflichen Arbeitszeit sowie des höheren Tariflohns ergebe sich eine Differenz von rund 470,00 EUR brutto pro Monat, je nach Überstunden und Zuschlägen in manchen Monaten auch mehr. Zudem seien noch tarifliche Sonderzahlungen für die Jahre 2018 und 2021 geschuldet.

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 500,91 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.5.2018 zu bezahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 486,79 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.6.2018 zu bezahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.7.2018 zu bezahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.8.2018 zu bezahlen.

5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 470,01 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.9.2018 zu bezahlen.

6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 514,19 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.10.2018 zu bezahlen.

7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.11.2018 zu bezahlen.

8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 484,13 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.12.2018 zu bezahlen.

9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.1.2019 zu bezahlen.

10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 490,86 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.2.2019 zu bezahlen.

11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 508,81 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.3.2019 zu bezahlen.

12. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 494,22 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.4.2019 zu bezahlen.

13. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.5.2019 zu bezahlen.

14. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.6.2019 zu bezahlen.

15. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.7.2019 zu bezahlen.

16. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.8.2019 zu bezahlen.

17. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.9.2019 zu bezahlen.

18. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 539,18 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.10.2019 zu bezahlen.

19. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 494,09 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.11.2019 zu bezahlen.

20. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 502,20 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.12.2019 zu bezahlen.

21. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 571,10 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.1.2020 zu bezahlen.

22. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 510,02 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.2.2020 zu bezahlen.

23. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 585,52 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.3.2020 zu bezahlen.

24. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 491,92 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.4.2020 zu bezahlen.

25. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.5.2020 zu bezahlen.

26. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten Basiszinssatz zu bezahlen.

27. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.7.2020 zu bezahlen.

28. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.8.2020 zu bezahlen.

29. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.9.2020 zu bezahlen.

30. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.10.2020 zu bezahlen.

31. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.11.2020 zu bezahlen.

32. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 468,06 EUR brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.12.2020 zu bezahlen.

33. Die Beklagte wird verurteilt, im Hinblick auf die vorangegangenen Nachzahlungen Lohn- und Gehaltsabrechnungen zu erteilen.

34. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 964,97 EUR brutto nebst gesetzlichen Verzugszins hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über Basiszinssatz seit 1.1.2019 zu bezahlen.

35. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger Grundvergütung für den Monat Dezember 2021 in Höhe von weiteren 486,06 Euro brutto nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus seit 16.1.2022, für den Januar 2022 in Höhe von weiteren 486,06 Euro nebst gesetzlichem Verzugszins seit 16.2.2022, für den Februar 2022 in Höhe von weiteren 486,06 Euro nebst gesetzlichem Verzugszins seit 16.3.2022 zu bezahlen und hierüber Lohn- und Gehaltsabrechnung zu erteilen.

36. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger Gratifikation in Höhe von 2.197,28 Euro nebst gesetzlichem Verzugszins hieraus seit 16.1.2022 zu bezahlen und hierüber Lohn- und Gehaltsabrechnung zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, angesichts der bei Arbeitsvertragsschluss bereits existenten Betriebsvereinbarung vom 24.06.1981 könne Ziffer 4 des Arbeitsvertrages nicht als konstitutive dynamische Bezugnahmeklausel verstanden werden. Ziffer 4 des Arbeitsvertrages gebe nur deklaratorisch wieder, was in der damaligen Betriebsvereinbarung geregelt gewesen sei. Jedenfalls sei der Arbeitsvertrag betriebsvereinbarungsoffen gestaltet. Deshalb seien seit Inkrafttreten der Betriebsvereinbarung vom 18.11.2019 die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden nicht mehr anzuwenden. Hilfsweise berufe sich die Beklagte hinsichtlich der Ansprüche bis einschließlich November 2020 auf die Ausschlussfristen aus § 18 MTV a.F. (§ 46 MTV n.F.). Hinsichtlich der Monate Dezember 2021 bis Februar 2022 könne der Kläger auch wegen der angeordneten Kurzarbeit keine Lohnansprüche geltend machen. Schließlich sei die Eingruppierung des Klägers in Entgeltgruppe 8 ERA-TV überhaupt nicht nachvollziehbar. Eine Regelüberleitung zwischen den zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Lohntarifverträgen auf den ERA-TV habe es nicht gegeben. Sie habe den ERA-TV auch zu keinem Zeitpunkt in ihrem Betrieb in U. eingeführt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen sowie die Sitzungsniederschriften verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist weitestgehend unbegründet. Der Kläger hat lediglich einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 1.929,95 EUR brutto als Sonderzahlung für das Jahr 2021 nebst Zinsen. Im Übrigen, d.h. soweit Lohndifferenzen für die Monate April 2018 bis November 2020 und Dezember 2021 bis Februar 2022, eine (restliche) Sonderzahlung für das Jahr 2018, eine weitergehende Sonderzahlung für das Jahr 2021 sowie Abrechnungen geltend gemacht werden, hat die Klage keinen Erfolg.

I.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 1.929,95 EUR brutto als Sonderzahlung für das Jahr 2021 gemäß Ziffer 4 des Arbeitsvertrags vom 09.09.1988 iVm. § 2.1 iVm. § 2.2 TV SoZa nebst Zinsen. Bei der Klausel im Arbeitsvertrag handelt sich um eine konstitutive dynamische Bezugnahmeklausel auf die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden (1.). Mangels Betriebsvereinbarungsoffenheit konnte die Betriebsvereinbarung vom 18.11.2019 die Inbezugnahme nicht aufheben (2.). Die angeordnete Kurzarbeit Null im November/Dezember 2021 ist für den Anspruch gemäß § 2.1 iVm. § 2.2 TV SoZa unschädlich (3.). Die Anspruchshöhe beträgt jedoch lediglich 1.929,95 EUR brutto ausgehend von dem zuletzt regelmäßig bezahlten Grundentgelt, da der Kläger eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 8 ERA-TV nicht dargelegt hat (4.). Der Zinsanspruch besteht ebenfalls nur aus diesem Betrag (5.).

1. Die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden – unter anderem der TV SoZa – finden gemäß Ziffer 4 des Arbeitsvertrags vom 09.09.1988 auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Es liegt eine konstitutive dynamische Bezugnahmeklausel vor. Dies ergibt die Auslegung.

a) Bei dem Arbeitsvertrag handelt es sich um einen Formularvertrag iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB, der nach den für Allgemeine Geschäftsbedingungen geltenden Grundsätzen auszulegen ist (vgl. hierzu BAG 19. Mai 2010 – 4 AZR 796/08 – Rn. 15, BAGE 134, 283). Dem steht nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen noch nicht für Arbeitsverträge galt. Denn die Vorschriften zur Gestaltung eines Schuldverhältnisses durch Allgemeine Geschäftsbedingungen in der Fassung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes sind nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 5 EGBGB seit dem 1. Januar 2003 auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden. Zum Anwendungsbereich gehören auch die Vorschriften der §§ 305 bis 310 BGB. Das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz hat für einen Altvertrag, wie ihn die Parteien geschlossen haben, nur Vertrauensschutz bis zum 31. Dezember 2002 eingeräumt (BAG 9. Mai 2006 – 9 AZR 424/05 – BAGE 118, 184 ff, Rn. 17).

b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (st. Rspr., zuletzt zB BAG 17. Dezember 2020 – 8 AZR 149/20 – Rn. 33; 8. Dezember 2020 – 3 AZR 437/18 – Rn. 26; 19. Mai 2010 – 4 AZR 796/08 – Rn. 15, BAGE 134, 283). Diese Grundsätze sind auch für die Frage anzuwenden, ob der Verwender nur eine beschreibende Aussage gemacht oder eine Willenserklärung mit Rechtsbindungswillen abgegeben hat (vgl. BAG 18. Februar 2014 – 9 AZR 821/12 – Rn. 20 mwN). Erscheinen nach Ausschöpfung aller Auslegungsmethoden mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar und verdient keines den klaren Vorzug, geht dieser nicht behebbare Zweifel gemäß § 305c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders (BAG 2. Juni 2021 – 4 AZR 387/20 – Rn. 13 ff).

c) Unter Anwendung dieser Grundsätze liegt eine konstitutive dynamische Bezugnahmeklausel vor.

aa) Im Hinblick auf die streitige Frage nach dem konstitutiven oder deklaratorischen Charakter der Klausel ist deren Wortlaut – isoliert betrachtet – nicht eindeutig.

Die Parteien haben vereinbart, dass der Arbeitsvertrag auf den Tarifverträgen der Metallindustrie von Nordwürttemberg “basiert”. Eine derartige Formulierung ist mehrdeutig (so für eine nahezu identische Klausel LAG Düsseldorf 10. August 2011 – 7 Sa 534/11 – Rn. 43 ff.)

Synonyme für “basieren” sind “stützen auf, gründen auf, beruhen auf”. Synonym für “Basis” ist “Grundlage” aber auch “Ausgangspunkt”, was bedeuten kann “Voraussetzung, Vorstufe, Ansatzpunkt”. Danach kann die Formulierung “basieren” zum einen bedeuten, dass die genannten Tarifverträge die Grundlage des Arbeitsverhältnisses bilden sollen im Sinne einer Einbeziehung der tarifvertraglichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen als Bestandteil des Arbeitsvertrages zur Regelung der Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien. Zum anderen kann diese Formulierung aber auch dahingehend verstanden werden, dass die genannten Tarifverträge für die Beklagte der Ansatzpunkt für die dem Arbeitsvertrag zugrunde gelegten Vereinbarungen im Sinne einer Orientierungshilfe oder “Vorlage” sind, sie die tarifvertraglichen Regelungen eben als “Basis” für die von ihr niedergelegten Vereinbarungen genommen hat, ohne dass damit die uneingeschränkte Einbeziehung in das Arbeitsverhältnis verbunden sein sollte (vgl. LAG Düsseldorf a.a.O.).

bb) Vorliegend spricht die systematische Auslegung für eine konstitutive Inbezugnahme.

Anders als in dem vom LAG Düsseldorf (a.a.O.) entschiedenen Fall, besteht der vorliegende Arbeitsvertrag nicht aus einer Vielzahl an Regelungen (im dortigen Fall 22 weitere, nochmals untergliederte Regelungen in “Kleinstschrift”, siehe LAG Düsseldorf a.a.O. Rn. 50). Vielmehr enthält der Arbeitsvertrag der Parteien neben der streitigen Klausel lediglich eine Regelung zum Inhalt der Tätigkeit, zum Arbeitsbeginn und zur (tariflichen) Vergütung. Andere wesentliche und in Arbeitsverträgen üblicherweise enthaltene Regelungen, etwa zur Arbeitszeit oder zum Urlaub, fehlten, wollte man Ziffer 4 des Arbeitsvertrags nicht als konstitutive Bezugnahmeklausel begreifen.

Ein verständiger und redlicher Arbeitnehmer kann nach seinem objektiven Empfängerhorizont jedoch nicht davon ausgehen, dass der Arbeitgeber einen derart lückenhaften Arbeitsvertrag schließen will. Angesichts der Regelung in Ziffer 4 kann er vielmehr erwarten, dass der Arbeitsvertrag gerade wegen der Ergänzung durch die mannigfaltigen Regelungen der Tarifverträge derart kurzgehalten ist. Mit nachlassender Regelungstiefe im Arbeitsvertrag wird das Verständnis der im Vertrag genannten Tarifverträge als bloße “Orientierungshilfe” oder “Vorlage” für den Arbeitsvertrag immer weniger überzeugend. Bei einem derart knappen Arbeitsvertrag – wie ihn die Parteien geschlossen haben – liegt ein solches Verständnis fern und ist abzulehnen.

cc) Für eine konstitutive Inbezugnahme spricht ebenfalls, dass bei einem als solchem bezeichneten “Arbeitsvertrag” grundsätzlich von übereinstimmenden Willenserklärungen hinsichtlich des gesamten Vertragsinhalts auszugehen ist. Soll einem Teil des Inhalts keine rechtsgeschäftliche Wirkung zukommen, sondern es sich nur um eine deklaratorische Angabe in Form einer sog. Wissenserklärung handeln, muss dies im Vertrag deutlich zum Ausdruck kommen (BAG 2. Juni 2021 – 4 AZR 387/20 – Rn. 23). Derartige deutliche Anhaltspunkte sind vorliegend nicht erkennbar.

dd) An diesem – selbst ohne Rückgriff auf § 305c Abs. 2 BGB gefundenen – Auslegungsergebnis ändert auch die Bezugnahmeklausel auf die Metalltarifverträge in der Betriebsvereinbarung vom 24.06.1981 nichts.

Unabhängig von dem Umstand, dass eine dynamische Bezugnahme auf Tarifverträge aus Rechtsgründen außerhalb der Regelungsbefugnis der Parteien einer Betriebsvereinbarung liegt (dazu BAG 12. April 2011 – 9 AZR 229/10 – Rn. 62), ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar, dass der Kläger bei Arbeitsvertragsschluss die Betriebsvereinbarung mit ihrem Regelungsinhalt kannte und deshalb Ziffer 4 des Arbeitsvertrags in einem anderen Lichte hätte verstehen können.

Hinzu kommt, dass ein verständiger, redlicher, als “einfacher” Hilfsarbeiter eingestellter Arbeitnehmer selbst bei Kenntnis der Betriebsvereinbarung zum Vertragsabschlusszeitpunkt nicht ohne weiteres davon ausgehen musste, dass Ziffer 4 des Arbeitsvertrags allein wegen dieser Betriebsvereinbarung lediglich eine deklaratorische Verweisung darstellen sollte. Eine Auslegung nach “soziotypischen Situationen” lehnt der 4. Senat des BAG selbst bei der – hier mangels Tarifgebundenheit der Beklagten irrelevanten – Frage nach dem Vorliegen einer Gleichstellungsabrede mittlerweile völlig zu Recht ab (vgl. BAG 11. April 2018 – 4 AZR 119/17 – BAGE 162, 293 ff, Rn. 50). Allein wegen der Existenz der Betriebsvereinbarung auf einen anderen Vertragsinhalt zu schließen, würde noch erheblich weiterreichen als die aufgegebene Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede. Denn bei einer Gleichstellungsabrede hatte die Klausel selbst nach alter Rechtsprechung einen – wenn auch anderen – Regelungsgehalt (statische statt dynamische Fortgeltung bei Verlust der Tarifgebundeheit auf Arbeitgeberseite).

Nach der Argumentation der Beklagten wäre die Klausel vorliegend indes ohne jeden Regelungsgehalt und damit sinnlos. Von der Aufnahme einer sinnlosen Regelung in den “Arbeitsvertrag” musste der Kläger bei Vertragsschluss indes nicht ausgehen. Ziffer 4 des Arbeitsvertrags hat mithin konstitutive Wirkung.

ee) Schließlich ist die Klausel nicht statisch, sondern dynamisch zu verstehen, auch wenn der oftmals verwandte Zusatz “in der jeweils geltenden Fassung” fehlt.

Die pauschale Bezugnahme im Arbeitsvertrag auf tarifliche Bestimmungen ohne Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug genommenen Tarifvertrags ist regelmäßig dynamisch zu verstehen. Nur wenn es eindeutige Hinweise für eine statische Bezugnahme gibt, kann von dieser Auslegungsregel abgewichen werden (BAG 11. April 2018 – 4 AZR 265/17 – Rn. 17). Derartige Umstände sind nicht erkennbar.

2. Mangels Betriebsvereinbarungsoffenheit konnte die Betriebsvereinbarung vom 18.11.2019 die Inbezugnahme auf die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden nicht aufheben.

Von einer konkludent vereinbarten “Betriebsvereinbarungsoffenheit” individualvertraglich geregelter Arbeitsbedingungen ist nach der zutreffenden Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts schon dann nicht auszugehen, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich Vertragsbedingungen vereinbaren, die unabhängig von einer für den Betrieb geltenden normativen Regelung Anwendung finden sollen. Dies ist bei einer im Wortlaut zum Ausdruck kommenden einzelvertraglich vereinbarten dynamischen Verweisung auf einen Tarifvertrag stets der Fall (BAG 11. April 2018 – 4 AZR 119/17 – BAGE 162, 293 ff, Rn. 57 f).

Die dynamische Verweisung auf einen Tarifvertrag in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag hat immer einen “kollektiven Bezug”. Sollte sich tatsächlich allein aus der Formenwahl des Arbeitgebers das erkennbare Ziel einer Einheitlichkeit der Arbeitsbedingungen ergeben, wäre jedenfalls die Bezugnahme auf einen ausdrücklich genannten Tarifvertrag in der Regel so zu verstehen, dass dessen Regelungen im Rahmen ihrer vertraglichen Inbezugnahme die vom Arbeitgeber angestrebte und erreichbare kollektive Vereinheitlichung realisieren und gewährleisten. Von einer nur konkludenten Vereinbarung über einen bestimmten dynamischen Vertragsinhalt könnte deshalb bereits dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn es für denselben Regelungsbereich eine sich aus dem Text des Vertrags ergebende dynamische Verweisung gibt, die ein gegenüber der Betriebsvereinbarung höherrangiges Regelungssystem in Bezug nimmt. Zwar bliebe auch einer solchen individualvertraglichen Bezugnahme die Betriebsvereinbarung im Rang übergeordnet, jedoch ausschließlich in ihrer normativen Wirkung bei gleichzeitiger Anwendung des Günstigkeitsprinzips (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG). Für eine – ohnehin unter problematischen Prämissen angenommene – konkludent vereinbarte vertragliche “Betriebsvereinbarungsoffenheit” mit der Folge einer ansonsten nicht bestehenden Verschlechterungsmöglichkeit hinsichtlich konkret vereinbarter Vertragsbedingungen fehlt es an jedem Anhaltspunkt, wenn die Vertragsparteien den Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses ausdrücklich (und gerade nicht nur konkludent) den tariflichen Vereinbarungen konkreter Tarifvertragsparteien anvertrauen. Hier ergibt sich die Nachrangigkeit einer solchen – konkludent getroffenen – Betriebsvereinbarungsoffenheitsabrede sowohl aus dem Vorrang der Vereinbarungsform als auch aus dem Vorrang der in Bezug genommenen dynamischen Rechtsquelle des Tarifvertrags gegenüber der Betriebsvereinbarung (BAG a.a.O).

3. Ansprüche aus dem danach anwendbaren TV SoZa für das Jahr 2021 scheiden nicht deshalb aus, weil der Kläger sich im Jahr 2021, u.a. im Auszahlungszeitpunkt, teilweise in Kurzarbeit befunden hat. Gemäß der Protokollnotiz Nr. 1 zum TV SoZa findet § 4.4 des Urlaubsabkommens entsprechende Anwendung. Danach beeinträchtigt Kurzarbeit den Anspruch auf die Sonderzahlung nicht. Auch die weiteren Anspruchsvoraussetzungen, insbesondere das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, liegen vor.

4. Die Höhe des Anspruchs beträgt nach mehr als 36-monatiger Betriebszugehörigkeitsdauer 55 % eines Monatsverdiensts.

Im Hinblick auf das Monatsverdienst macht der Kläger nur Ansprüche aus dem festen Monatsentgelt (ohne variable Bestandteile) geltend. Insoweit kann er jedoch nur 55 % aus dem unstreitig geschuldeten Grundentgelt in Höhe von 3.509,00 EUR brutto, mithin 1.929,95 EUR brutto, verlangen. Weitergehende Ansprüche aufgrund einer vermeintlichen Eingruppierung in Entgeltgruppe 8 ERA-TV bestehen nicht. Obgleich der ERA-TV aufgrund der umfassenden dynamischen Bezugnahmeklausel grundsätzlich zur Anwendung gelangt (vgl. BAG 12. Juni 2013 – 4 AZR 970/11 – BAGE 145, 237 ff Rn. 16 f), konnte der Kläger eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 8 ERA-TV nicht zur Überzeugung der Kammer dartun.

a) Im Eingruppierungsrechtsstreit obliegt dem klagenden Beschäftigten nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungslast (BAG 14. Oktober 2020 – 4 AZR 252/19 – Rn. 30). Dies gilt bei einer Eingruppierungsfeststellungsklage ebenso wie bei einer auf eine Eingruppierung gestützten Zahlungsklage (Eylert/Kreutzberg-Kowalczyk, ZfA 2019, 320, 329). Auch im Rahmen einer Eingruppierungsstreitigkeit nach dem ERA-Entgeltsystem ergibt sich keine andere Verteilung der Darlegungslast (LAG Rheinland-Pfalz 14. Januar 2011 – 9 Sa 455/10 – Rn. 23). Der Eingruppierungskläger muss das Gericht in die Lage versetzen, anhand von Tatsachen prüfen zu können, ob er die Merkmale der begehrten Eingruppierung erfüllt (LAG Hamm 25. November 2008 – 14 Sa 354/08 – Rn. 74). Der Kläger muss diejenigen Tatsachen beibringen, die dem Gericht die Rechtsanwendung auf den konkreten Fall ermöglichen (vgl. zur Bestimmung von Arbeitsvorgängen BAG 13. Mai 2020 – 4 AZR 173/19 – Rn. 17).

b) Vorliegend gilt – entgegen der Auffassung des Klägers – auch nicht deshalb etwas anderes, weil die Beklagte es unterlassen hat, das ERA-Entgeltsystem einzuführen. Zwar besteht nach der Rechtsprechung des BAG durchaus eine Verpflichtung zur Einführung der ERA-Tarifverträge auch für einzelne tarifgebundene Arbeitsverhältnisse des tarifungebundenen Arbeitgebers (vgl. BAG 12. Juni 2013 – 4 AZR 970/11 – BAGE 145, 237 ff Rn. 36). Die Nichteinhaltung dieser Pflicht kann zu Ansprüchen auf Zahlung einer ERA-Strukturkomponente führen (BAG a.a.O.). An der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ändert die Verletzung dieser Pflicht jedoch nichts. Die für die Eingruppierung maßgeblichen Inhaltsnormen des ERA-TV sind auch ohne eine formelle “Einführung” seitens der Arbeitgeberin anwendbar. Zu den Inhaltsnormen gehören neben § 9.1 ERA-TV zum Grundentgeltanspruch der Beschäftigten Regelungen im Tarifvertragsabschnitt zum Grundentgelt (Teil II des ERA-TV), insbesondere § 4 ERA-TV (Grundsätze der Grundentgeltermittlung), § 5 ERA-TV (Einstufung der Arbeitsaufgabe) und § 6 ERA-TV (System der Bewertung und Einstufung) sowie die gemäß §§ 6.1.2, 6.1.3 und 6.3 ERA-TV zugehörigen Anlagen 1 (Stufenwertzahlverfahren zur Bewertung und Einstufung von Arbeitsaufgaben) und 2 (Belastungen) und gemäß § 6.2 ERA-TV der Anhang mit den tariflichen Niveaubeispielen (BAG a.a.O. Rn. 32).

c) Der Kläger ist seiner Darlegungslast nicht nachgekommen. Er hat zur Begründung der Vergütung gemäß Entgeltgruppe 8 ERA-TV lediglich vorgetragen, er verfüge über einen Abschluss als Industriemechaniker mit Berufsausbildung zum Modellschreiner sowie jahrzehntelange Erfahrung, woraus sich diese Eingruppierung rechtfertige. Aus diesem Vortrag kann die Kammer schon die entsprechend der betrieblichen Arbeitsorganisation übertragene Arbeitsaufgabe als Gegenstand der Eingruppierung (§ 5.1.1 ERA-TV) nicht erkennen. Es fehlt bereits an der Darlegung der dem Kläger im Einzelnen übertragenen Aufgaben (vgl. zu diesem Erfordernis BAG 14. Oktober 2020 – 4 AZR 252/19 – Rn. 31 f).

Erst recht kann die Kammer anhand des Vortrags keine Bewertung der Arbeitsaufgabe unter Anwendung des Stufenwertzahlverfahrens als Methode der Arbeitsbewertung gemäß § 6 ERA-TV vornehmen. Dies gilt für die unmittelbare Anwendung des Stufenwertzahlverfahren (§ 6.4.1 ERA-TV) genauso wie für die alternative Vergleichsbewertung, sei es bezogen auf die tariflichen Niveaubeispiele (§ 6.4.2 ERA-TV) oder die betrieblichen Ergänzungsbeispiele (§ 6.4.3 ERA-TV).

5. Der Zinsausspruch aus 1.929,95 EUR brutto beruht auf § 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

Dem Kläger stehen Verzugszinsen ab dem Tag nach dem Eintritt der Fälligkeit zu (vgl. BAG 8. Oktober 2008 – 5 AZR 715/07 – Rn. 27 mwN). Nach § 3.2 TV SoZa ist Auszahlungsstichtag für die betriebliche Sonderzahlung grundsätzlich der 1. Dezember des jeweiligen Jahres. Der 1. Dezember 2021 war ein Mittwoch. Zinsen schuldet die Beklagte an sich mithin ab Donnerstag, den 2. Dezember 2021. Da sie erst ab 16. Januar 2022 begehrt werden, waren sie auch nur in diesem Umfang zuzusprechen (ne ultra petita).

II.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrten Lohndifferenzen für die Monate April 2018 bis November 2020 und Dezember 2021 bis Februar 2022 oder die Sonderzahlung für das Jahr 2018.

1. Soweit Lohndifferenzen für die Monate April 2018 bis November 2020 und Dezember 2021 bis Februar 2022 betroffen sind, folgt die Klageabweisung bereits daraus, dass der Kläger – wie oben gezeigt – eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 8 ERA-TV nicht darlegen konnte und die Differenzlohnansprüche auf diese Eingruppierung stützt.

Auch eine isolierte Hochrechnung des unstreitig geschuldeten Lohns (3.509,00 EUR brutto pro Monat) von der 35 h- auf die 40 h-Woche scheidet aus. Die in einem bestimmten Umfang erbrachte Arbeitsleistung und der dafür bezogene Lohn stehen in einem untrennbaren, synallagmatischen Zusammenhang. Für 35 Wochenstunden ist nach dem Tarifwerk dasjenige Entgelt geschuldet, das sich aus der Entgelttabelle gemäß der zutreffenden Eingruppierung nach dem ERA-TV ergibt. Andererseits hat die Beklagte für 40 Wochenstunden einen bestimmten Grundbetrag (3.509,00 EUR brutto) bezahlt. Eine Vergleichsberechnung würde die Bestimmung der zutreffenden Entgeltgruppe gemäß dem ERA-TV voraussetzen. Dies ist in Ermangelung hinreichenden Sachvortrags des Klägers nicht möglich.

2. Im Hinblick auf die Monate Dezember 2021 bis Februar 2022 kommt als selbsttragende Erwägung hinzu, dass der Kläger in diesem Zeitraum unstreitig nicht gearbeitet hat, sondern sich in “Kurzarbeit Null” befand. Im Fall von “Kurzarbeit Null” kommt es indes zu einer gänzlichen Suspendierung des Vergütungsanspruchs (statt aller Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKommentar Arbeitsrecht, Kurzarbeit Rn. 9, beck-online). Lohnansprüche bestehen in diesen Monaten auch deshalb nicht.

Soweit der Vortrag des Klägers so zu verstehen sein sollte, dass er die Rechtmäßigkeit der Anordnung von Kurzarbeit bestreitet, würde selbst dann, wenn man die Rechtswidrigkeit der Anordnung unterstellt, nichts anderes gelten. Denn für die dann einzig in Betracht kommenden Lohnansprüche aufgrund von Annahmeverzug (§ 615 BGB) hätte der Kläger seine Arbeitskraft jedenfalls wörtlich anbieten müssen (BAG 18. November 2015 – 5 AZR 491/14 – BAGE 153, 256 ff Rn. 19). Hierzu hat der Kläger keinen konkreten Vortrag gehalten.

3. Für die Ansprüche im Zeitraum April 2018 bis November 2020 kommt als selbsttragende Erwägung einer Klageabweisung hinzu, dass die Ansprüche gemäß § 18 MTV verfallen sind. Aus diesem Grunde besteht auch kein Anspruch auf eine (weitere) betriebliche Sonderzahlung gemäß TV SoZa für das Jahr 2018.

a) Nach § 18.1.2 MTV a.F. waren Ansprüche innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen. Diese Frist hat der Kläger erst durch die Klageerhebung (Zustellung am 10. Dezember 2021) gewahrt. Der zeitjüngste Anspruch auf Vergütung für November 2020 war – gemäß dem eigenen Vortrag des Klägers – am 30. November 2020 fällig. Die sechsmonatige Ausschlussfrist war damit zum Zeitpunkt der Klageerhebung längst abgelaufen.

b) § 18.1.2 MTV a.F. findet gemäß Ziffer 4 des Arbeitsvertrags Anwendung. Eine Verweisung, die sich – wie hier – auf sämtliche Gegenstände der einschlägigen tariflichen Regelungen bezieht, erfasst immer auch Arbeitnehmer belastende Tarifbestimmungen etwa über die Form der Geltendmachung von Ansprüchen und über Ausschlussfristen (LAG Schleswig-Holstein 9. Juni 2020 – 1 Sa 219/19 – Rn. 28 mwN). Insoweit ermöglicht auch § 305c Abs. 2 BGB keine “Rosinenpickerei”.

c) § 18.1.2 MTV a.F. ist nicht deshalb gemäß § 202 Abs. 1 BGB iVm. § 134 BGB unanwendbar, weil die Tarifnorm Ansprüche aus vorsätzlicher Haftung nicht ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich herausnimmt und die tarifvertragliche Vorschrift lediglich kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme Anwendung findet.

Die Kammer teilt die gegenteilige Rechtsansicht der 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (Urteil vom 31. Mai 2021 – 10 Sa 73/20 – nicht rechtskräftig) nicht.

aa) Die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg geht in der genannten Entscheidung davon aus, dass eine tarifliche Ausschlussklausel, die Schadenersatzansprüche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung nicht ausnimmt und auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht als Tarifnorm einwirkt, sondern nur als vertragliche Vereinbarung, wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB gemäß § 134 BGB gesamtnichtig sei (LAG Baden-Württemberg a.a.O. Rn. 94 ff). In diesem Fall sei die Ausschlussklausel – anders als bei der normativen Tarifgebundenheit – “durch Rechtsgeschäft” gemäß § 202 BGB vereinbart. Deshalb sei die Ausschlussfrist ebenso wie bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen insgesamt nichtig und zwar unabhängig davon, um welche Ansprüche die Parteien stritten. Der Arbeitsvertrag bleibe gemäß § 306 Abs. 1 BGB nur im Übrigen aufrechterhalten (LAG Baden-Württemberg a.a.O. Rn. 99).

bb) Diese Rechtsprechung widerspricht nach Ansicht der Kammer der Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts. Der 4. Senat hat in der Entscheidung vom 23. Januar 2019 im Falle einer vertraglichen Inbezugnahme tariflicher Ausschlussfristen ausgeführt (4 AZR 541/17 – Rn. 41 ff):

“… Die Ausschlussfrist des § 13 MTV ist auch wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB lediglich insoweit nichtig, als sie mangels ausdrücklicher anderweitiger Regelung auch durch vorsätzliches Handeln des Arbeitgebers selbst verursachte Ansprüche miteinbezieht. Im Übrigen bleibt sie wirksam.

Die vertragliche Inbezugnahme des MTV ist wirksam.

Die Ausschlussfrist des § 13 MTV erfasst die vom Kläger geltend gemachten Zulagen. Es handelt sich weder um Ansprüche auf Erfüllung des Mindestlohns noch um solche aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung.”

cc) Die Kammer folgt dieser zutreffenden Ansicht des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts.

Der gesetzliche Unwirksamkeitsbefehl aus § 202 Abs. 1 BGB iVm. § 134 BGB erfasst lediglich die Fälle der vorweggenommenen Erleichterung einer Haftung wegen Vorsatz (BeckOGK/Piekenbrock, 1.2.2022, BGB § 202). Liegt ein solcher Fall vor, spielt es auch keine Rolle, ob die Klausel in AGB enthalten ist. Unabhängig vom AGB-rechtlichen Prinzip personaler Teilunwirksamkeit kann dann auch der Arbeitgeber gegen den vorsätzlich schädigenden Arbeitnehmer außerhalb der Ausschlussfristen Ansprüche geltend machen, selbst wenn die entsprechende Klausel die Vorsatzhaftung nach ihrem Wortlaut beinhaltet (dazu BAG 26. November 2020 – 8 AZR 58/20 – Rn. 65 ff). Die Gesamtnichtigkeit einer Klausel jenseits dieser Vorsatzfälle verlangt § 202 Abs. 1 BGB indes nicht und zwar unabhängig davon, ob die Klausel in AGB, einer Individualabrede oder einem Tarifvertrag enthalten ist (ebenso Bayreuther NZA 2021, 1375, 1376 mwN).

Die Gesamtnichtigkeit auch für Fälle jenseits des Vorsatzes kann sich freilich auf nachgelagerter Ebene dann ergeben, wenn die Ausschlussklausel an AGB-Recht zu messen ist (zutreffend nach diesen Ebenen unterscheidend Bayreuther a.a.O.; vgl. auch BeckOGK/Piekenbrock a.a.O.). Auf dieser nachgelagerten Ebene gilt sowohl das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion wie auch das Prinzip der personalen Teilunwirksamkeit. Diese Grundsätze führen einerseits dazu, dass bei einer an AGB-Recht zu messenden Ausschlussklausel sich der Verwender nicht auf die Unwirksamkeit “seiner” zu weiten, die Vorsatzhaftung umfassenden Ausschlussklausel berufen kann, sofern kein Vorsatzfall vorliegt (Prinzip personaler Teilunwirksamkeit; etwa im Falle der zu späten Klage auf Rückzahlung überzahlten Lohns). Andererseits profitiert der Arbeitnehmer aufgrund AGB-Rechts von der zu weiten Fassung der Klausel auch in allen anderen Fällen mit Ausnahme der Vorsatzfälle (Verbot geltungserhaltender Reduktion; etwa im Falle der zu späten Klage auf Urlaubsabgeltung, dazu BAG 9. März 2021 – 9 AZR 323/20 –).

dd) Wollte man hingegen wegen des Unwirksamkeitsbefehls aus § 202 BGB iVm. § 134 BGB bei rechtsgeschäftlicher Vereinbarung von (tariflichen) Ausschlussfristen in AGB tatsächlich “unabhängig davon, um welche Ansprüche die Parteien [streiten]” (LAG Baden-Württemberg a.a.O.) die Gesamtnichtigkeit der Klausel annehmen, könnte auch der Arbeitgeber sich bei der zu späten Klage auf Rückzahlung überzahlten Lohns auf die Unwirksamkeit “seiner” Klausel berufen. Dies fordert weder § 202 BGB noch wäre ein solches Ergebnis mit den Wertungen des AGB-Rechts vereinbar.

ee) Hinzu kommt, dass die Gegenansicht nicht hinreichend beachtet, dass auch die von ihr herangezogene Vorschrift des § 306 BGB gemäß der Bereichsausnahme in § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB bei der Verweisung auf Tarifverträge keine Anwendung findet, soweit – wie im vorliegenden Fall – eine Globalverweisung auf die tariflichen Vorschriften und nicht lediglich eine Teilverweisung auf bestimmte Regelungsgegenstände erfolgt (siehe etwa BAG 18. September 2012 – 9 AZR 1/11 – Rn. 24). Für die Gesamtheit der Regelungen eines Tarifvertrags ist zu vermuten, dass die divergierenden Interessen angemessen ausgeglichen werden. Die §§ 305 ff BGB sind im Falle einer vertraglichen Inbezugnahme dann ebenfalls unanwendbar (LAG Baden-Württemberg 17. September 2020 – 17 Sa 6/20 – Rn. 108). Dies gilt auch für § 306 BGB (Bayreuther a.a.O. S. 1376).

ff) Der Anwendung von § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB steht vorliegend nicht entgegen, dass die Bezugnahmeklausel in Ziffer 4 des Arbeitsvertrags nicht auf die Tarifverträge des Modell- und Formenbaus, sondern diejenigen der Metall- und Elektroindustrie, verweist und es sich dabei gemäß der Branche, in der die Beklagte tätig ist, (vermeintlich) um fachlich nicht einschlägige Tarifverträge handelt.

(1) Die herrschende Auffassung in der Literatur geht davon aus, dass § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB voraussetzt, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag das Arbeitsverhältnis in seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich erfasst. Da der Tarifvertrag einen spezifischen Ausgleich der Interessen enthalte, der auf bestimmte Branchen zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten Region zugeschnitten sei, könnten durch die Verweisung auf einen nicht einschlägigen Tarifvertrag ansonsten Regelungen übernommen werden, die entweder nicht passend seien oder eine Verschlechterung zulasten des Arbeitnehmers bedeuteten (Saeidy-Nory/Wank, RdA 2022, 1, 12 mwN). Auch das Bundesarbeitsgericht hat – jedenfalls obiter – diese Voraussetzung aufgestellt (BAG 3. Juli 2019 – 10 AZR 300/18 – Rn. 14 mwN).

(2) Die erkennende Kammer hat Zweifel, ob diese Ansicht in allen Fällen zutreffend ist (a). Da jedoch auch die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie vorliegend fachlich einschlägige Tarifverträge sind, kann die Frage letztlich unentschieden bleiben (b).

(a) Ob gemäß der herrschenden Meinung bei einer Globalverweisung auf nicht in jeder Hinsicht einschlägige Tarifverträge § 310 Abs. 4 BGB tatsächlich unanwendbar ist, erscheint der Kammer keinesfalls zwingend.

Denn § 310 Abs. 4 BGB entzieht nach seinem Wortlaut nicht nur die “einschlägigen Tarifverträge” den AGB-rechtlichen Vorschriften, sondern allgemein “Tarifverträge” und stellt diese in Satz 3 den Rechtsvorschriften im Sinne des § 307 Abs. 3 BGB gleich (vgl. v.Westphalen/Thüsing VertrR/AGB-Klauselwerke, Arbeitsverträge Rn. 213).

Zudem zeigt die Vorschrift des § 22 Abs. 2 TzBfG, dass sich der Gesetzgeber des Phänomens arbeitsvertraglicher Verweisungen auf fachlich nicht einschlägige Tarifverträge durchaus bewusst ist. Dort ist angeordnet, dass bei Abweichungen von bestimmten Vorgaben des Teilzeit- und Befristungsgesetzes durch einen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst dessen Bestimmungen auch zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern außerhalb des öffentlichen Dienstes gelten, wenn ihre Anwendung einzelvertraglich vereinbart ist und die Arbeitgeber die Kosten des Betriebes überwiegend mit Zuwendungen im Sinne des Haushaltsrechts decken. Es wird also deutlich, dass der Gesetzgeber durchaus die Vereinbarung der Anwendung von Tarifnormen auch außerhalb ihres Geltungsbereichs für angemessen hält (v. Westphalen/Thüsing a.a.O.).

Hält der Gesetzgeber dagegen die Verweisung auf nicht einschlägige Tarifverträge für unangemessen, so nimmt er diese – wie etwa in § 8 Abs. 2 Satz 3 AÜG geschehen – ausdrücklich aus (“Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrages können nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung des Tarifvertrages vereinbaren.”). Eine vergleichbare Beschränkung auf nach ihrem Geltungsbereich einschlägige Tarifverträge findet sich in § 310 Abs. 4 BGB indes nicht.

Auch nach der Ratio von § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB ist die Herausnahme räumlich, fachlich und persönlich nicht einschlägiger Tarifverträge keinesfalls selbstverständlich (ebenso v. Westphalen/Thüsing a.a.O.). Der vorliegende Fall zeigt, dass die einzelvertragliche Anwendung der Tarifverträge einer anderen Branche nicht zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer führen muss. Die Beklagte versucht – wie etwa in der Betriebsvereinbarung vom 18.11.2019 klar zum Ausdruck kommt – aus wirtschaftlichen Gründen den üppigeren Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie zu entkommen und fortan die Tarifverträge des Modell- und Formenbaus zur Anwendung zu bringen.

Bezogen auf den konkreten Anspruch aus dem TV SoZa wäre es auch nicht einsichtig und liefe auf eine “Rosinenpickerei” hinaus, die Ausschlussklauseln des MTV nicht zur Anwendung zu bringen. Denn ob branchenfremd oder nicht, nach dem ausgewogenen Tarifgefüge in der der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden besteht der Anspruch gemäß TV SoZa immer nur behaftet mit den Ausschlussfristen des MTV. Für die Gesamtheit des Regelungskomplexes aus tariflichem Anspruch behaftet mit tariflichen Ausschlussfristen ist zu vermuten, dass die divergierenden Interessen angemessen ausgeglichen werden.

(b) Letztlich kann die Streitfrage jedoch unentschieden bleiben. Denn auch wenn es sich bei der Beklagten um ein Unternehmen aus der Branche des Modell- und Formenbaus handelt, so sind die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie dennoch fachlich einschlägig.

Übereinstimmend geben die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg im Tarifgebiet Nordwürttemberg/Nordbaden als fachlichen Geltungsbereich an:

“… für alle Betriebe, die selbst oder deren Inhaber Mitglied des Verbandes der Metallindustrie Baden-Württemberg e.V., Stuttgart, sind”.

Die Tarifvertragsparteien haben hierdurch auf eine fachliche Beschränkung der Tarifgeltung verzichtet, indem sie auf alle Mitgliedsunternehmen des tarifschließenden Arbeitgeberverbandes abstellen. Dies ist zulässig (BAG 10. Dezember 1997 – 4 AZR 193/97 – Rn. 28; Fitting, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 77 Rn. 76).

Es ist schließlich auch nicht vorgetragen oder ansonsten erkennbar, dass die Beklagte nicht satzungsgemäßes Mitglied des Verbandes der Metallindustrie Baden-Württemberg e.V. sein könnte. Im Gegenteil zeigt ihre Mitgliedschaft im “Schwesterverband” des Verbandes der Metallindustrie Baden-Württemberg e.V. – dem Unternehmensverband Südwest e.V. –, dass die maßgeblichen Satzungsbestimmungen offenbar hinreichend weit gefasst sind.

III.

Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch auf die begehrten Abrechnungen. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Sonderzahlung für das Jahr 2021, die der Kläger (teilweise) beanspruchen kann. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 GewO ist dem Arbeitnehmer “bei Zahlung” des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Der Abrechnungsanspruch entsteht danach erst, wenn Arbeitsentgelt gezahlt wird und ist vorher nicht klagbar (BAG 27. Januar 2016 – 5 AZR 277/14 – BAGE 154, 93 ff, Rn. 32).

IV.

1. Die Kosten des Verfahrens waren dem Kläger gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufzuerlegen. Das teilweise Obsiegen des Klägers war verhältnismäßig geringfügig und hat keine höheren Kosten verursacht. Der Kläger gewinnt lediglich mit 1.929,95 EUR von insgesamt 21.175,77 EUR (unter 10 % der Gesamtforderung). Gebührensprünge bei den Gerichtskosten finden bei 19.000,00 EUR und 22.000,00 EUR statt und sind daher im vorliegenden Fall ohne Relevanz (vgl. zur möglichen Relevanz von Gebührensprüngen im Rahmen von 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, ZPO § 92 Rn. 21).

2. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes ergibt sich aus §§ 61 Abs. 1 ArbGG, 3 ff. ZPO. Für die Zahlungsanträge wurde die Summe der Nennbeträge der streitigen Forderungen angesetzt. Die Abrechnungsansprüche waren analog § 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO mit 5 % der in Frage kommenden Vergütung zu veranschlagen (vgl. LAG Baden-Württemberg 25. Juli 2018 – 5 Ta 99/18).

3. Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung folgt aus § 64 Abs. 3a Satz 1 ArbGG.

Gemäß § 64 Abs. 3 Nr. 3 ArbGG war die Berufung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zuzulassen. Nach der Vorschrift hat das Arbeitsgericht die Berufung zuzulassen, wenn in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abgewichen wird und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

Ohne die Abweichung von der Rechtsprechung der 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (31. Mai 2021 – 10 Sa 73/20 –) bezüglich der Wirksamkeit der Ausschlussfristen bei vertraglicher Inbezugnahme hätte der Antrag auf Sonderzahlung gemäß dem TV SoZa für das Jahr 2018 Erfolg gehabt. Im Übrigen war die Abweichung von diesem Urteil – wie gezeigt – nicht allein tragend für die vorliegende Entscheidung, woraus sich die differenzierte Zulassung der Berufung ergibt.